Metadaten

Internationale Tagung "Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur" <2016, Tübingen>; Borsch, Jonas [Hrsg.]; Gengler, Olivier [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 3): Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2019

DOI Kapitel:
VI. Die Chronik als Memorialgattung
DOI Kapitel:
Scardino, Carlo: Historische und Theologische Diskurse in den Lateinischen Chroniken des 5. und 6. Jh. n. Chr.
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61687#0284
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Historische und theologische Diskurse in den lateinischen Chroniken

283

Widerrufung der Irrlehre einging und daher abgesetzt wurde (ad an. 430). Ebenso wird
auf die syrische Tradition angespielt, so etwa auf die Schriften des Isaak von Antiochia
gegen die Nestorianer und die Eutychianer (ad an. 459). Marcellinus berichtet als einzi-
ger explizit über das Konzil von Chalkedon, beschränkt sich aber in seiner Berichterstat-
tung auf die Verurteilung von Eutyches’ Häresie und die Absetzung des Patriarchen von
Alexandria Dioscurus, ohne die weiteren theologischen Fragen zu erörtern (ad an. 451).37
Zusammenfassung
Der kurze Überblick hat gezeigt, wie die verschiedenen lateinischen Chronisten des
5. und 6. Jh. n.Chr., die sich alle vorgenommen haben, das von Eusebius von Cäsa-
rea begonnene und von Hieronymus ins Lateinische übersetzte und fortgesetzte Werk
zu ergänzen, trotz der Ähnlichkeit der behandelten Themen und Diskurse, trotz der
Zugehörigkeit zu einem ähnlichen sozialen Milieu, das aus Männern der Kirche und
Staatsdienern bestand und aus dem höchstwahrscheinlich auch die Rezipienten ihrer
Werke stammten, dennoch auf recht eigenständige Weise ihre Aufgabe erfüllt und ihre
jeweilige Persönlichkeit hinter den,trockenen4 Fakten zum Vorschein gebracht haben.
Die Auswahl der zu berichtenden Ereignisse und ihre Gestaltung zeigt, dass jeder
einzelne Chronist über die ihm zur Verfügung stehenden Quellen hinaus den von der
Gattung gegebenen Spielraum genutzt hat, um die von ihm berichtete Ereigniskette
individuell zu gestalten und literarische Elemente zu deren Deutung einzulegen. So
ist es natürlich, dass entsprechend der geographischen Verortung des Chronisten die
Auswahl der berichteten Ereignisse und die Tendenz unterschiedlich sind.38 Bei Hy-
datius scheint sich etwa die gesamte Weltgeschichte in Galizien abzuspielen, Marcel-
linus Comes hingegen stellt den Osten des Reichs in den Mittelpunkt, Prosper und
die gallischen Chronisten konzentrieren sich auf Südgallien.
Aber auch in den Fällen, in denen über dasselbe Ereignis oder über dieselbe Per-
sönlichkeit berichtet wird, hat sich, wie am Beispiel des Augustinus illustriert wor-
den ist, gezeigt, dass sich die einzelnen Chronisten bezüglich der Selektion und der
stilistisch-rhetorischen Gestaltung der jeweiligen Einträge durchaus unterscheiden.
Dasselbe gilt in geringerem Maße auch für die verschiedenen Häresien. Besonders
deutlich aber treten beim Thema der Barbaren Differenzen in der Beurteilung dieses
Phänomens zutage: Bei allen Chronisten sind sie ein deutliches Symptom der Krise,
die analog zu den Naturkatastrophen hereinbrechen und wie die Naturgewalten nicht
von Menschenhand (die Gallische Chronik von 452), sondern nur mit Gottes Hilfe
(Hydatius) oder aber teilweise durch eine kluge und einträchtige Kriegsführung (Pro-
sper) gebremst werden können.

37 Prosper erwähnt ebenso die Häresie des Eutyches c. 1358.

38 Ebenso weist Cardelle de Hartmann (2000), S. 120 daraufhin, dass die meisten Chronisten keine Ver-
bindung mehr zu den Machtzentren besaßen.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften