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Schmidt, Jochen; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,1): Kommentar zu Nietzsches "Die Geburt der Tragödie" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70910#0150
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Stellenkommentar GT 2, KSA 1, S. 31-32 129

Werk Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen, 2. Bei., S. 6f.:
„Dass die Heimath des Dionysoscultes Thrakien war [...] das haben die Grie-
chen selbst oft und vielfach bezeugt“. Rohde beruft sich dafür auf das gegen
Creuzers Vorliebe für das Orientalische gerichtete Werk von Christian August
Lobeck: Aglaophamus, Königsberg 1829, S. 289 ff., das N. im November 1869
aus der Universitätsbibliothek Basel entliehen hatte.
32, 20-26 jetzt beschränkte sich das Wirken des delphischen Gottes darauf,
dem gewaltigen Gegner durch eine zur rechten Zeit abgeschlossene Versöhnung
die vernichtenden Waffen aus der Hand zu nehmen. Diese Versöhnung ist der
wichtigste Moment in der Geschichte des griechischen Cultus [...] Es war die
Versöhnung zweier Gegner] Überliefert ist nur, daß Apollon und Dionysos in
Delphi nebeneinander einen Kult hatten. So berichtet Pausanias in seiner
Beschreibung Griechenlands (X, 19, 4), daß der Apollon-Tempel in Delphi am
Westgiebel Dionysos mit den Mänaden, am Ostgiebel Apollon, seine Mutter
Leto, seine Schwester Artemis und die Musen zeigte. Plutarch, der selbst Apol-
lonpriester in Delphi war, schreibt in seiner Abhandlung Über das E in Delphi,
daß dort die Wintermonate dem Kult des Dionysos, die anderen Monate des
Jahres jedoch dem Apollon-Kult gewidmet waren. Auf einigen griechischen
Vasenbildern reichen sich der delphische Apollon und Dionysos die Hände. Ob
derartige Konstellationen auf eine Versöhnung ursprünglicher Gegner deuten
oder ob es sich um eine bloße Zusammenführung zweier verschiedener Kulte
an einem Ort handelt, ist schwer zu entscheiden.
32, 31-34 so erkennen wir jetzt, im Vergleiche mit jenen babylonischen Sakäen
und ihrem Rückschritte des Menschen zum Tiger und Affen, in den dionysischen
Orgien der Griechen die Bedeutung von Welterlösungsfesten und Verklärungsta-
gen.] Über die babylonischen Sakäen heißt es in den Deipnosophistai (Gastmahl
der Gelehrten) des Athenaios, die N. in seiner persönlichen Bibliothek hatte
und benutzte (14, 639): „Berossos [ein babylonischer Priester und Historiker,
der im 3. Jahrhundert v. Chr. lebte] sagt im 1. Buch seiner ,Geschichte Babylo-
niens4, daß in Babylon am 16. des Monats Loos ein fünftägiges Fest gefeiert
wurde, das ,Sakaia‘ hieß, während dem es Brauch war, daß die Herren von
den Sklaven beherrscht wurden und daß einer von ihnen [von den Sklaven]
den Haushalt führte, gekleidet in ein Gewand, das dem des Königs glich, den
nannten sie Zoganes“. Über dieses Fest berichtet auch Ktesias im 2. Buch seiner
Persika (Fragmente der griechischen Historiker, ed. F. Jacoby, 680 F2). Der Geo-
graph Strabon (etwa 63 v. Chr.-19 n. Chr.) bezeichnet die Sakäen als „eine Art
bacchisches Fest“ (p tcüv ZotKotitüv eopTp ßotKxcla tu;) (Geographica 11.8.4-5).
Der kynisch-stoische Popularphilosoph Dion von Prusa (etwa 40-120
n. Chr.), der als großer Redner den Zunamen Chrysostomos (,Goldmund4) trug,
 
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