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Schmidt, Jochen; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,1): Kommentar zu Nietzsches "Die Geburt der Tragödie" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70910#0189
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168 Die Geburt der Tragödie

den Aufzeichnungen zu seiner Vorlesung über die griechischen Lyriker, „ist
nicht pöiKÖv, sondern öpyiotaTiKÖv (KGW II 2, 171): nicht „ethisch“, d. h. hier:
„erbaulich“, sondern „orgiastisch“.
49, 30 noch im Zeitalter des Aristoteles] Also noch Jahrhunderte später: Aristo-
teles lebte 384-322 v. Chr. 367-347 besuchte er die Akademie Platons, 343
v. Chr. folgte er dem Ruf König Philipps II. von Makedonien, der nach Athens
Niedergang die Oberherrschaft über Griechenland errungen hatte, und über-
nahm die Ausbildung von dessen Sohn Alexander. 335 v. Chr. gründete er in
Athen eine eigene Schule, das „Lykeion“ (> Lyzeum), das auch „Peripatos“
genannt wurde und als eine der von Sokrates abgeleiteten philosophischen
Schulen galt. N. verstand das Zeitalter des Aristoteles als Beginn des Hellenis-
mus.
50, 1 unserer Aesthetik nur anstössig dankendes Phänomen] Anspielung auf
den Musiktheoretiker Eduard Hanslick und seine Schrift Vom Musikalisch-Schö-
nen. Ein Beitrag zur Ästhetik der Tonkunst, Leipzig 1854. Hanslick betonte darin
die Eigengesetzlichkeit der musikalischen Form, die allein in der „reinen“
Instrumentalmusik zum Ausdruck komme. Wagner hatte in der Wiederveröf-
fentlichung seines Pamphlets Das Judentum in der Musik (1869) Hanslick ange-
griffen. Zu Hanslick und N.s Ablehnung von dessen Musikästhetik vgl. den
ausführlichen Kommentar zu 127, 22-27.
50, 2-12 wie eine Beethoven’sche Symphonie [...] bezeichnet] Die Symphonie
Nr. 6 in F-Dur,,Pastorale4, hat die Satzbezeichnungen „Erwachen heiterer Emp-
findungen bei der Ankunft auf dem Lande“, „Scene am Bach“, „Lustiges
Zusammensein der Landleute“, „Gewitter, Sturm“, „Hirtengesang, Frohe und
dankbare Gefühle nach dem Sturm“.
50,19 f. eine jugendfrische, sprachlich schöpferische Volksmenge] Hier wird N.s
Anlehnung an die Vorstellung vom naturhaft-schöpferischen „Volk“, wie sie
Herders Frühschriften propagierten, besonders deutlich.
50, 25 Effulguration] Entladung, mit der Vorstellung des Blitzes (fulgur) ver-
bunden. Variation von 50, 18: „Entladung der Musik in Bildern“.
51,18-24 Diese ganze Erörterung hält daran fest, dass die Lyrik eben so abhän-
gig ist vom Geiste der Musik als die Musik selbst, in ihrer völligen Unumschränkt-
heit, das Bild und den Begriff nicht braucht, sondern ihn nur neben sich
erträgt. Die Dichtung des Lyrikers kann nichts aussagen, was nicht in der
ungeheuersten Allgemeinheit und Allgültigkeit bereits in der Musik lag, die ihn
zur Bilderrede nöthigte.] Hier wird am deutlichsten, was N. unter dem Titelbe-
griff „Geist der Musik“ versteht: Er ist aus dem metaphysischen Musikbegriff
Schopenhauers abgeleitet, der konstatiert hatte: „die Musik aber giebt die uni-
 
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