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Schmidt, Jochen; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,1): Kommentar zu Nietzsches "Die Geburt der Tragödie" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70910#0265
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244 Die Geburt der Tragödie

gewisse täuschende Bestimmtheit“ (das ,apollinisch4 klar Umrissene des indivi-
duierten, aber letztlich nur scheinhaften Daseins) und die „rätselhafte Tiefe,
ja Unendlichkeit“ des Dionysischen an der Tragödie des Aischylos zu exempli-
fizieren versucht.
80, 33-81, 9 Die klarste Figur hatte immer noch einen Kometenschweifan sich,
der in’s Ungewisse, Unaufhellbare zu deuten schien. Dasselbe Zwielicht lag über
dem Bau des Drama’s, zumal über der Bedeutung des Chors. Und wie zweifelhaft
blieb ihm die Lösung der ethischen Probleme! [...] Selbst in der Sprache der
älteren Tragödie war ihm vieles anstössig, mindestens räthselhaft; besonders
fand er zu viel Pomp für einfache Verhältnisse, zu viel Tropen und Ungeheuerlich-
keiten für die Schlichtheit der Charaktere.] N. übernimmt hier die wesentlichen
Elemente der Kritik, die (der fiktionalisierte) Euripides an Aischylos in dem
von Aristophanes inszenierten Dichterstreit übt (Die Frösche, V. 907 ff.). Das
„Zwielicht“ wird in 83, 23-25 genauer erkennbar: „Welche Form des Drama’s
blieb noch übrig, wenn es nicht aus dem Geburtsschoosse der Musik, in jenem
geheimnissvollen Zwielicht des Dionysischen geboren werden sollte?“
81, 8 Tropen] In der literarischen Rhetorik sind Tropen im Unterschied zu
rhetorischen ,Figuren4, welche die Stellung der Worte zueinander betreffen,
Einzelwörter, die in uneigentlicher bildlicher Bedeutung verwendet werden.
Die wichtigsten Tropen sind: Metapher, Allegorie, Hyperbel, Personifikation.
81,18-20 Und in diesem qualvollen Zustande fand er den anderen
Zuschauer, der die Tragödie nicht begriff und deshalb nicht achtete.] Damit
leitet N. zum nächsten Kapitel über, in dem es heißt (87, 29 f.): „Sokrates aber
war jener zweite Zuschauer, der die ältere Tragödie nicht begriff und des-
halb nicht achtete“. Daß in der früheren, hier zu erörternden Stelle nicht bloß
von der „älteren“ Tragödie, sondern grundsätzlich von der „Tragödie“ über-
haupt die Rede ist, besagt nicht nur, daß Euripides aufgrund seiner Fixierung
auf den „Verstand“ (81, 11) die (ältere) Tragödie des Aischylos, sondern allge-
mein die Tragödie in ihrem eigentlichen Wesen nicht „begriff“ - sowenig wie
Sokrates, der „andere Zuschauer“.
12. Kapitel
Wie schon für das vorige Kapitel bildet auch für dieses die Abhandlung Socra-
tes und die Tragoedie die Vorstufe. Den gemeinsamen Nenner der Kapitel 11
und 12 ergibt die Vorstellung vom irrationalen, , dionysischen4 Ursprung der
Tragödie, weshalb die diesem Ursprung noch nahe „ältere Tragödie“ des
Aischylos dem Rationalismus des Euripides und des Sokrates unbegreiflich
 
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