Metadaten

Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0134
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
108 David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller

Natur, die durch alle seine Schriften geht, ist eine der erfreulichsten Seiten an
Schopenhauers zwar durchweg geistvollem, doch vielfach ungesundem und
unersprießlichem Philosophiren“ (243). Aus derselben ANG-Partie zitiert N. an
späterer Stelle von UB IDS nochmals in einem analogen Kontext (vgl. 192, 15-
16). - Während N. vor allem in seiner Frühzeit maßgeblich durch die Philoso-
phie Arthur Schopenhauers geprägt ist, den er in UB III SE emphatisch als sei-
nen Lehrer würdigt (KSA 1, 341, 23-24), grenzt er sich in späteren Schaffens-
phasen radikal von ihm ab. Zu N.s komplexem Verhältnis zu Schopenhauer
vgl. Neymeyr 2014b, 286-294 und 2018, 293-304.
171, 30-31 ein namhafter Aesthetiker aus der Hegel’schen Vernünftigkeits-Schu-
le] N. spielt hier auf den württembergischen Autor Friedrich Theodor Vischer
(1807-1887) an, der mit David Friedrich Strauß befreundet war und wie dieser
zu den Anhängern des Hegelianismus gehörte. Wie Strauß stammte auch Vi-
scher aus Ludwigsburg. In seiner Jugend besuchte er mit ihm gemeinsam das
Seminar Blaubeuren sowie das Tübinger Stift (vgl. dazu Strauß’ Biographie in
Kapitel 1.6 des Überblickskommentars). Als Philosophieprofessor und Schrift-
steller publizierte Vischer sowohl philosophische als auch literarische Werke.
Im 19. Jahrhundert galt er als einer der profiliertesten Befürworter der Hegel-
sehen Ästhetik. Besondere Bekanntheit erlangten seine Bücher Ästhetik oder
Wissenschaft des Schönen und Auch einer; Faust. Der Tragödie dritter Teil. Vi-
schers Kritik an Strauß’ ANG hatte negative Folgen für seine Freundschaft mit
ihm.
172,1 das Andenken des herrlichen Hölderlin] Der Dichter Friedrich Hölderlin
(1770-1843), der durch seine Lyrik, sein Dramenfragment Der Tod des Empe-
dokles und seinen Briefroman Hyperion oder Der Eremit in Griechenland Be-
kanntheit erlangt hatte, wurde von N. sehr geschätzt. In einem Brief an Erwin
Rohde zitiert N. am 3. September 1869 ein „Wort Hölderlin’s (meines Lieblings
aus der Gymnasialzeit)“ (KSB 3, Nr. 28, S. 51). In einem nachgelassenen Notat
aus der Entstehungszeit von UB I DS zitiert N. Hölderlin (vgl. NL 1873, TI [69],
KSA 7, 608). Und im vorliegenden Kontext (171, 24 - 172, 30) kritisiert er die
philiströse Hölderlin-Rezeption. Vgl. NK172, 1-4. Zum Bildungskonzept und
zur Philister-Kritik bei Hölderlin und N. vgl. Waibel 2004, 45-62.
172,1-4 der bekannte Aesthetiker hatte deshalb ein Recht, bei dieser Gelegen-
heit von den tragischen Seelen zu reden, die an der „Wirklichkeit“ zu Grunde
gehen] Gemeint ist hier erneut der mit David Friedrich Strauß befreundete
Friedrich Theodor Vischer (vgl. NK 171, 30-31). N.s Vorbehalte gegen den Äs-
thetiker Vischer klingen bereits in der einleitenden Charakterisierung an: Hier
beschreibt er ihn mit ironischem Unterton als jemanden, der in naiver Redse-
ligkeit „die Grundgeheimnisse der ganzen Brüderschaft“ der „Philister“ ausge-
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften