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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0237
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Stellenkommentar UB I DS 11, KSA 1, S. 221 211

potenz ist. Weil sie nichts Anderes können, wollen sie die Sprache verhunzen“
(ebd, 58).
In UB I DS greift N. auf diese Prognose Schopenhauers und auf seine For-
mulierung „Lumpen-Jargon nobler Jetztzeit“4 nicht allein im vorliegenden
Kontext zurück, sondern auch an späterer Stelle. So leitet er die kritische Stil-
analyse zu Strauß’ ANG im 12. und letzten Kapitel von UB I DS folgendermaßen
ein: „Zum Schluss wollen wir doch unserem klassischen Prosaschreiber die
versprochene Sammlung von Stilproben vorlegen; vielleicht würde sie Scho-
penhauer ganz allgemein betiteln: ,Neue Belege für den Lumpen-Jargon der
Jetztzeit4“ (227, 30 - 228, 1). Auf diese Weise macht N. evident, wie sehr er sich
am sprachkritischen Gestus Schopenhauers orientiert (vgl. auch NK 227, 32 -
228, 1). - In seinem Text „Ueber Schriftstellerei und Stil“, dem 23. Kapitel der
Parerga und Paralipomena II, bietet Schopenhauer eine ausführliche Sprach-
und Stilkritik, die er auch durch eine Vielzahl von Belegen exemplifiziert
(PP II, Kap. 23, §§ 272-289, Hü 532-587). Auch in seinen Materialien zu einer
Abhandlung über den argen Unfug, der in jetziger Zeit mit der deutschen Sprache
getrieben wird belegt Schopenhauer seine polemischen Thesen durch eine Fül-
le von Beispielen. Vgl. ergänzend auch NK 218, 10-12 und NK 222, 4-13. - Im
Hinblick auf die Problematik einer angemessenen Klassiker-Rezeption, die N.
im vorliegenden Kontext thematisiert, erklärt bereits Schopenhauer im 20. Ka-
pitel „Ueber Urtheil, Kritik, Beifall und Ruhm“ seiner Parerga und Paralipome-
na II, dass „den richtigen Maaßstab für den intellektuellen Werth eines Zeital-
ters nicht die großen Geister“ geben, „die in demselben auftraten; da ihre
Fähigkeiten das Werk der Natur sind“ und die Chance zu deren Entfaltung von
kontingenten Faktoren abhängt, „sondern ihn giebt die Aufnahme, welche ihre
Werke bei ihren Zeitgenossen gefunden haben“ (PP II, Kap. 20, § 242, Hü 502).
221,17 Hand- und Schand-Wörterbuch von Sanders] Mit diesem Wortspiel be-
zieht sich N. auf das Handwörterbuch der deutschen Sprache (1869) des Lexiko-
graphen, Sprachforschers und Übersetzers Daniel Sanders (1819-1897), das
eine kürzere Version von Sanders’ dreibändigem Wörterbuch der deutschen
Sprache (1859-1865) bietet. Sanders’ lexikographisches Opus entstand unter
dem Eindruck des Deutschen Wörterbuchs der Brüder Grimm, von dem es sich
allerdings durch die bewusste Konzentration auf den zeitgenössischen Wort-
schatz des 19. Jahrhunderts unterscheidet. Das in der damaligen Zeit aktuelle
Wort,Epigone4 beispielsweise ist in Sanders’ Wörterbuch der deutschen Sprache
erstmals lexikalisch dokumentiert. Über das Wörterbuch der deutschen Sprache
hinaus verfasste Daniel Sanders noch eine Reihe weiterer lexikographischer
Werke.
221,18-19 Hier erscheint das widrige Stil-Monstrum Gutzkow als Klassiker] Karl
Ferdinand Gutzkow (1811-1878) war ein radikal-liberaler Publizist, der vom
 
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