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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,2): Kommentar zu Nietzsches "Unzeitgemässen Betrachtungen": I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: de Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0345
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Überblickskommentar, Kapitel 11.8: Wirkungsgeschichte 319

spielen. - Als aufschlussreichster Beleg für den Begriff ,Historismus4 bei N.
erscheint das (zeitlich zwischen den eben zitierten Nachlass-Notaten liegende)
Notat von 1880/81. Denn es spiegelt in nuce die immanente Dynamik der brei-
ten und facettenreichen Historismus-Diskussion und ihrer Problemdimensio-
nen wider. Hier reflektiert N. den „skeptische[n] Historismus“ nämlich so, dass
dabei zugleich eine Dialektik der kulturellen Entwicklung hervortritt: „Man
lernte in der Geschichte die bewegenden Kräfte besser kennen, nicht un-
sere ,schönen4 Ideen!“ (NL 1880-81, 10 [D88], KSA 9, 434). Diese Feststellung
hat kultur- und philosophiegeschichtlich weitreichende Implikationen. Sie ge-
hen aus der Argumentation in der Anfangspassage des Notats hervor, die im-
plizit auf die Relativismus-Problematik zielt. Denn hier charakterisiert N. das
„19. Jahrhundert“ durch die Suche nach den „Grundprincipien alles des-
sen, was Bestand gehabt hatte“, und durch den Versuch, „dies als wahr zu
beweisen“ (ebd., 433): „Man warf einen ungeheuren Theil des Forschungs-
eifers und ebenso des Verehrungssinns auf die Vergangenheit: die neue-
re Philosophie und die Naturwissenschaft giengen dieses Theils verlus-
tig! — Jetzt ein Rückschlag! Die Historie bewies zuletzt etwas anderes als
man wollte: sie erwies sich als das sicherste Vernichtungsmittel jener Princi-
pien“ (ebd., 433-434).
11.8 Die Rezeption der Historienschrift und Stationen
ihrer Wirkungsgeschichte
An den Briefen und Rezensionen von Zeitgenossen N.s lassen sich höchst un-
terschiedliche Reaktionen auf seine Schrift UBII HL ablesen. So notiert Cosi-
ma Wagner am 25. Februar 1874 in ihrem Tagebuch: „Die Schrift unseres
Freundes bildet den Gegenstand unserer Gespräche, der feurige Witz, mit wel-
chem sie geschrieben ist, ist ganz erstaunlich“ (Cosima Wagner: Tagebücher,
Bd. I, 1976, 795). Anders akzentuiert erscheint allerdings das Urteil Richard
Wagners, von dem sie sechs Wochen später im Tagebuch berichtet: Zwar be-
kundet Wagner am 27. Februar 1874 in einem Brief an N., er empfinde ange-
sichts der Historienschrift „einen schönen Stolz“ (KGB II4, Nr. 513, S. 396),
aber im Gespräch mit seiner Frau bezeichnet Wagner (gemäß Cosima Wagners
Tagebuch) UB II HL am 9. April 1874 als „Schrift eines sehr bedeutenden Men-
schen“, die allerdings „zu schnell erschienen“ und „noch sehr unreif“ sei: „alle
Anschaulichkeit fehlt ihr, weil er niemals Beispiele aus der Geschichte giebt“;
darüber hinaus beanstandet Wagner an UB II HL „viele Wiederholungen und
keine eigentliche Einteilung“, um dann zu konstatieren: „Die Grundidee hat
Schopenhauer schon ausgesprochen, N. hätte sie viel mehr vom pädagogi-
 
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