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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0523
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Stellenkommentar UB II HL 6, KSA 1, S. 291-292 497

re betonte, dass man die Geschichte nicht mehr bloß als Historiker, sondern
als Philosoph lesen solle, und wählte daher den Terminus Philosophie der
Geschichte4 als Titel für die Ausgabe des Jahres 1756. Darauf spielte schon Her-
der an, indem er seine Frühschrift mit dem Titel Auch eine Philosophie der Ge-
schichte versah.
291, 20-23 Behauptung eines berühmten historischen Virtuosen [...]: „es ist
nicht anders als dass alles menschliche Thun und Treiben dem leisen [...], aber
gewaltigen und unaufhaltsamen Gange der Dinge unterworfen ist“] Dieses Zitat
stammt von dem Historiker Leopold von Ranke, und zwar aus seinem Buch Die
römischen Päpste in den letzten vier Jahrhunderten (1834, 9. Aufl. 1889, Bd. 1,
23). Vgl. dazu den Quellennachweis von Antonio Morillas Esteban 2008b, 269.
291, 25-27 wie im Ausspruch des Goethischen Hofgärtners „die Natur lässt sich
wohl forciren, aber nicht zwingen“] N. zitiert aus dem Brief Goethes an Schiller
vom 21. Februar 1798. Der Briefwechsel zwischen Goethe und Schiller, der sich
in N.s persönlicher Bibliothek befand (NPB 530), gehörte zu seinen bevorzug-
ten Lektüren.
291, 27-29 Inschrift einer Jahrmarktsbude, von der Swift erzählt: „hier ist zu
sehen der grösste Elephant der Welt, mit Ausnahme seiner selbst“] Vgl. dazu den
Beleg in Swift’s Humoristischen Werken (Bd. 1, 1844, 256).
292, 12-14 an welchem sinnlosen Uebermaass des Experimentirens übrigens
nach Zöllner die gegenwärtige Naturwissenschaft leiden soll] Johann Carl Fried-
rich Zöllner (1834-1882) war ein deutscher Astrophysiker, dessen Buch Über
die Natur der Kometen. Beiträge zur Geschichte und Theorie der Erkenntniss
(2. Aufl. 1872) sich in N.s persönlicher Bibliothek befand (NPB 663). - Zu N.s
späterer Experimental-Philosophie vgl. Volker Gerhardt 1986, 45-61. Zu den
historischen Hintergründen von N. experimentellem Denken vor dem Horizont
wissenschaftlicher Paradigmenwechsel vgl. NK 396, 24.
292,17-19 so hoffe ich, dass die Geschichte ihre Bedeutung nicht in den allge-
meinen Gedanken [...] erkennen dürfe] Implizit wirkt hier die Polarität von Phi-
losophie und Geschichte weiter, die Schopenhauer in seinen Werken wieder-
holt hervorhebt, auch wenn N.s Perspektive auf die Geschichte hier im Kontext
deutlich positiver ausfällt. In der Welt als Wille und Vorstellung II beschreibt
Schopenhauer die Ausrichtung auf das Allgemeine als Spezifikum der Philoso-
phie, das sie über alle anderen Wissenschaften erhebe. Von der philosophi-
schen Erkenntnisweise grenzt er das inferiore Wissen der Geschichte ab, deren
„Stoff“ bloß „das Einzelne in seiner Einzelheit und Zufälligkeit“ ist, das seines
Erachtens schwerlich „als ein der ernsten und mühsamen Betrachtung des
Menschengeistes würdiger Gegenstand“ in Betracht kommt (WWVII, Kap. 38,
 
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