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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0571
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Stellenkommentar UB II HL 9, KSA 1, S. 313-314 545

lautet folgendermaßen: „Gleichwohl hat Schelling’s letztes System (Einheit der
positiven und negativen Philosophie) dadurch einen hohen Werth, dass es das
Princip Hegel’s (die Idee) und das Schopenhauer’s (den Willen) zusammen-
fasst als coordinirte, gleichberechtigte und gleich unentbehrliche Seiten des
Einen Princips (vgl. I. 10, 242-243; I. 8, 328). Schelling erkennt in jener , aus-
serlogischen Natur der Existenz4 (II. 3, 95), in jener unbegreiflichen Basis
der Realität4 (I. 7, 360) mit voller Entschiedenheit den Willen. Dass etwas ist,
erkennt man nur an dem Widerstande, den es entgegensetzt, das einzige Wi-
derstandsfähige aber ist der Wille (II. 3, 206). Der Wille also ist es, der der
ganzen Welt und jedem einzelnen Dinge sein Dass verleiht, die Idee kann ihm
nur das Was bestimmen. Schon in seiner Abhandlung über das Wesen der
menschlichen Freiheit, die 1809 (also lange vor Schopenhauer’s Schriften) er-
schien, sagte er (Werke I. 7, 350): ,Es giebt in der höchsten und letzten Instanz
gar kein anderes Sein, als Wollen. Wollen ist Ursein, und auf dieses allein
passen alle Prädicate desselben: Grundlosigkeit, Ewigkeit, Unabhängigkeit von
der Zeit, Selbstbejahung. Die ganze Philosophie strebt nur dahin, diesen höch-
sten Ausdruck zu finden.4 Und in seinem anthropologischen Schema4 (I. 10,
289) findet man: ,1. Wille die eigentlich geistige Substanz des Menschen,
der Grund von Allem, das ursprünglich Stoff-Erzeugende, das Einzige
im Menschen, das Ursache von Sein ist.444 (Eduard von Hartmann: Philoso-
phie des Unbewußten. Versuch einer Weltanschauung, 1869, 653.)
N. übergeht die zahlreichen Passagen, in denen sich Eduard von Hartmann
in positivem Sinne auf Schopenhauer bezieht. Stattdessen konzentriert er sich
auf Partien, in denen Hartmann Kritik an Schopenhauer übt. Darüber hinaus
bezieht sich N. auch auf Hartmanns Hegel-Adaptationen. - Georg Brandes kri-
tisiert N.s Polemik gegen Eduard von Hartmann (vgl. dazu NK 316, 3-16 und
den ausführlicheren Abschnitt zu Brandes in Kapitel II. 8 des Überblickskom-
mentars). Auf die wichtigen Aussagen von Eduard von Hartmann über Schel-
ling geht N. gar nicht ein. - Cosima von Bülow hatte bereits am 31. Januar 1870
von Tribschen aus eine Postsendung an N. abgeschickt, in der sich das Werk
Hartmanns befand, das N. ihr überlassen hatte (vgl. dazu ihren Brief an N. vom
27. Januar 1870, KGB II2, Nr. 66, S. 124). Und am 16. März 1870 berichtete sie
ihm: „In der A<llgemeinen> Z<eitung> las ich neulich von unsrem unbewuss-
ten H<artmann> dass er Schelling als Bindeglied zwischen die beiden Extreme
Hegel und Schopenhauer aufstellt44 (KGB II2, Nr. 83, S. 168).
314, 11-12 im apokalyptischen Lichte leuchtend] Gemeint ist das Licht einer
endzeitlichen Offenbarung, wie sie die biblische Apokalypse darstellt.
314,13-14 als ob es wirkliche Ernst-Philosophie und nicht nur Spass-Philosophie
wäre] Den Begriff „Spass-Philosophie44 verwendet N. wenig später auch in
 
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