Stellenkommentar WL 1, KSA 1, S. 875-876 33
viele Lesespuren aufweisenden Ausgabe von Pascal 1865, Bd. 1, 201, konnte N.
lesen: „Die Eitelkeit ist so tief ins Herz des Menschen gepflanzt, daß ein gemei-
ner Soldat, ein Troßbube, ein Koch, ein Lastträger sich rühmt, und seine Be-
wunderer haben will; ja selbst die Philosophen wollen dieses." (Vgl. KGW III,
Bd. 5/2, 1488)
876, 6-7 ohne jene Beigabe, so schnell wie Lessings Sohn zu flüchten] Am 25.
12. 1777 kam Lessings Sohn Traugott zur Welt und verstarb nur zwei Tage spä-
ter. In seiner Ausgabe von Lessing 1867, Bd. 10, 419, konnte N. in Lessings Brief
an Eschenburg vom 31. 12. 1777 (in N.s Ausgabe falsch datiert) über den frühen
Tod seines Sohnes lesen: „War es nicht Verstand, daß er die erste Gelegenheit
ergriff, sich wieder davon zu machen?" N. verwendet den Vergleich mit dem
frühen Tod von Lessings Sohn als Bild für eine vorzeitige Hellsichtigkeit und
Bereitschaft, die ehrliche Konsequenz aus dem Erkennen der Sinnlosigkeit des
Daseins zu ziehen, d. i. dieses sofort zu fliehen. Die Anekdote erzählt auch
Schopenhauer: „wie denn auch Lessing den Verstand seines Sohnes bewun-
derte, der, weil er durchaus nicht in die Welt hineingewollt hätte, mit der Ge-
burtszange gewaltsam hineingezogen werden mußte, kaum aber darin, sich
eilig wieder davonmachte" (WWV, Bd. 2, B. 4, Kap. 46, 665; vgl. WWV, Bd. 2,
B. 4, Kap. 46, 667).
876, 12 Seine allgemeinste Wirkung ist Täuschung] Der Intellekt täuscht nach
N. in vierfacher Hinsicht: Physiologische Defizite fordern aus Gründen der
Selbsterhaltung die „Verstellung" (876, 16) des Individuums gegenüber ande-
ren Individuen. Zugleich ist der Mensch selbst „tief eingetaucht in Illusionen
und Traumbilder" (876, 28-29), er täuscht sich also notwendigerweise selbst,
wenn er sich mit bloßen Reizen auf der Oberfläche der Dinge begnügt. Weiter
täuscht er sich darin, dass er sich diese Täuschung nicht eingesteht. Diese drit-
te Täuschung ist begründet durch einen „mit dem Erkennen und Empfinden
verbundene[n] Hochmuth" (876, 8). Dadurch aber wiegt sich der Mensch vier-
tens über den „Werth des Daseins" (876, 10) in Illusionen (vgl. Böning 1988,
103-104).
876, 15 Der Intellekt, als ein Mittel zur Erhaltung des Individuums] Nach Scho-
penhauer, vgl. z. B. Ueber den Willen in der Natur. Vergleichende Anatomie
(1836): „Wie mit jedem Organ und jeder Waffe, zur Offensive oder Defensive,
hat sich auch, in jeder Thiergestalt, der Wille mit einem Intellekt ausgerüs-
tet, als einem Mittel zur Erhaltung des Individuums und der Art" (Schopenhau-
er 1874, 48, vgl. KGW III 5/2, 1488).
876, 18 Kampf um die Existenz] Vgl. den in Anlehnung an Darwins Wort vom
struggle for life (On the Origin of Species by Means of Natural Selection, or the
viele Lesespuren aufweisenden Ausgabe von Pascal 1865, Bd. 1, 201, konnte N.
lesen: „Die Eitelkeit ist so tief ins Herz des Menschen gepflanzt, daß ein gemei-
ner Soldat, ein Troßbube, ein Koch, ein Lastträger sich rühmt, und seine Be-
wunderer haben will; ja selbst die Philosophen wollen dieses." (Vgl. KGW III,
Bd. 5/2, 1488)
876, 6-7 ohne jene Beigabe, so schnell wie Lessings Sohn zu flüchten] Am 25.
12. 1777 kam Lessings Sohn Traugott zur Welt und verstarb nur zwei Tage spä-
ter. In seiner Ausgabe von Lessing 1867, Bd. 10, 419, konnte N. in Lessings Brief
an Eschenburg vom 31. 12. 1777 (in N.s Ausgabe falsch datiert) über den frühen
Tod seines Sohnes lesen: „War es nicht Verstand, daß er die erste Gelegenheit
ergriff, sich wieder davon zu machen?" N. verwendet den Vergleich mit dem
frühen Tod von Lessings Sohn als Bild für eine vorzeitige Hellsichtigkeit und
Bereitschaft, die ehrliche Konsequenz aus dem Erkennen der Sinnlosigkeit des
Daseins zu ziehen, d. i. dieses sofort zu fliehen. Die Anekdote erzählt auch
Schopenhauer: „wie denn auch Lessing den Verstand seines Sohnes bewun-
derte, der, weil er durchaus nicht in die Welt hineingewollt hätte, mit der Ge-
burtszange gewaltsam hineingezogen werden mußte, kaum aber darin, sich
eilig wieder davonmachte" (WWV, Bd. 2, B. 4, Kap. 46, 665; vgl. WWV, Bd. 2,
B. 4, Kap. 46, 667).
876, 12 Seine allgemeinste Wirkung ist Täuschung] Der Intellekt täuscht nach
N. in vierfacher Hinsicht: Physiologische Defizite fordern aus Gründen der
Selbsterhaltung die „Verstellung" (876, 16) des Individuums gegenüber ande-
ren Individuen. Zugleich ist der Mensch selbst „tief eingetaucht in Illusionen
und Traumbilder" (876, 28-29), er täuscht sich also notwendigerweise selbst,
wenn er sich mit bloßen Reizen auf der Oberfläche der Dinge begnügt. Weiter
täuscht er sich darin, dass er sich diese Täuschung nicht eingesteht. Diese drit-
te Täuschung ist begründet durch einen „mit dem Erkennen und Empfinden
verbundene[n] Hochmuth" (876, 8). Dadurch aber wiegt sich der Mensch vier-
tens über den „Werth des Daseins" (876, 10) in Illusionen (vgl. Böning 1988,
103-104).
876, 15 Der Intellekt, als ein Mittel zur Erhaltung des Individuums] Nach Scho-
penhauer, vgl. z. B. Ueber den Willen in der Natur. Vergleichende Anatomie
(1836): „Wie mit jedem Organ und jeder Waffe, zur Offensive oder Defensive,
hat sich auch, in jeder Thiergestalt, der Wille mit einem Intellekt ausgerüs-
tet, als einem Mittel zur Erhaltung des Individuums und der Art" (Schopenhau-
er 1874, 48, vgl. KGW III 5/2, 1488).
876, 18 Kampf um die Existenz] Vgl. den in Anlehnung an Darwins Wort vom
struggle for life (On the Origin of Species by Means of Natural Selection, or the