Stellenkommentar UB III SE 2, KSA 1, S. 347 81
Kap. 23, § 282, Hü 547). Hier kontrastiert er „das Prägnante" mit dem Prätentiö-
sen, „Platte[n] und Seichte[n]" (PP II, Kap. 23, § 273, Hü 535) und erklärt expli-
zit, es sei „ein Lob, wenn man einen Autor naiv nennt; indem es besagt, daß
er sich zeigen darf, wie er ist. [...] Auch sehn wir jeden wirklichen Denker be-
müht, seine Gedanken so rein, deutlich, sicher und kurz, wie nur möglich,
auszusprechen. Demgemäß ist Simplicität stets ein Merkmal, nicht allein der
Wahrheit, sondern auch des Genies gewesen. [...] Ist doch der Stil der bloße
Schattenriß des Gedankens: undeutlich, oder schlecht schreiben, heißt dumpf,
oder konfus denken" (PP II, Kap. 23, § 283, Hü 550).
Am Anfang dieses Kapitels statuiert Schopenhauer: „jeder Schriftsteller
wird schlecht, sobald er irgend des Gewinnes wegen schreibt" (PP II, Kap. 23,
§ 272, Hü 532). Die pragmatischen Autoren, die ökonomische Interessen verfol-
gen und beim Schreiben primär an den Profit denken, erkennt er an ihrem Stil:
an fehlender Deutlichkeit, an redundanter Darstellung und an diffusen oder
schiefen Gedanken (PP II, Kap. 23, § 272, Hü 532). Entschieden kritisiert Scho-
penhauer das „Bestreben, Worte für Gedanken zu verkaufen" und mit ihnen
„den Schein des Geistes hervorzubringen, um den so schmerzlich gefühlten
Mangel desselben zu ersetzen" (PP II, Kap. 23, § 283, Hü 549). Er sieht „die
Geistlosigkeit und Langweiligkeit der Schriften der Alltagsköpfe" dadurch be-
dingt, dass ihnen der „Sinn ihrer eigenen Worte" nicht klar ist: Da „der Präge-
stempel" zu „deutlich ausgeprägten Gedanken", nämlich „das eigene klare
Denken, ihnen abgeht", produzieren sie bloß „ein unbestimmtes dunkles Wort-
gewebe, gangbare Redensarten, abgenutzte Wendungen und Modeausdrücke"
(PP II, Kap. 23, § 283, Hü 552-553).
Schopenhauers Maxime lautet: „Man brauche gewöhnliche Worte und
sage ungewöhnliche Dinge"; bei „deutschen Schriftstellern" konstatiert er al-
lerdings eine problematische Tendenz, „ihre sehr gewöhnlichen Gedanken in
die ungewöhnlichsten Ausdrücke, die gesuchtesten, preziösesten und selt-
samsten Redensarten zu kleiden. Ihre Sätze schreiten beständig auf Stelzen
einher" (PP II, Kap. 23, § 283, Hü 554). Schopenhauer selbst sieht die Vorliebe
für den „Bombast" und das Wohlgefallen „am hochtrabenden, aufgedunsenen,
preziösen, hyperbolischen und aerobatischen Stile" (PP II, Kap. 23, § 283,
Hü 554) sogar als Indiz für den trivialen Denker an: Seines Erachtens erkennt
man „am preziösen Stil den Alltagskopf" (PP II, Kap. 23, § 283, Hü 555). Und er
stellt fest: „Die Wahrheit ist nackt am schönsten, und der Eindruck, den sie
macht, um so tiefer, als ihr Ausdruck einfacher war; theils, weil sie dann das
ganze, durch keinen Nebengedanken zerstreute Gemüth des Hörers ungehin-
dert einnimmt; theils, weil er fühlt, daß er hier nicht durch rhetorische Künste
bestochen, oder getäuscht ist, sondern die ganze Wirkung von der Sache selbst
ausgeht" (PP II, Kap. 23, § 283, Hü 556).
Kap. 23, § 282, Hü 547). Hier kontrastiert er „das Prägnante" mit dem Prätentiö-
sen, „Platte[n] und Seichte[n]" (PP II, Kap. 23, § 273, Hü 535) und erklärt expli-
zit, es sei „ein Lob, wenn man einen Autor naiv nennt; indem es besagt, daß
er sich zeigen darf, wie er ist. [...] Auch sehn wir jeden wirklichen Denker be-
müht, seine Gedanken so rein, deutlich, sicher und kurz, wie nur möglich,
auszusprechen. Demgemäß ist Simplicität stets ein Merkmal, nicht allein der
Wahrheit, sondern auch des Genies gewesen. [...] Ist doch der Stil der bloße
Schattenriß des Gedankens: undeutlich, oder schlecht schreiben, heißt dumpf,
oder konfus denken" (PP II, Kap. 23, § 283, Hü 550).
Am Anfang dieses Kapitels statuiert Schopenhauer: „jeder Schriftsteller
wird schlecht, sobald er irgend des Gewinnes wegen schreibt" (PP II, Kap. 23,
§ 272, Hü 532). Die pragmatischen Autoren, die ökonomische Interessen verfol-
gen und beim Schreiben primär an den Profit denken, erkennt er an ihrem Stil:
an fehlender Deutlichkeit, an redundanter Darstellung und an diffusen oder
schiefen Gedanken (PP II, Kap. 23, § 272, Hü 532). Entschieden kritisiert Scho-
penhauer das „Bestreben, Worte für Gedanken zu verkaufen" und mit ihnen
„den Schein des Geistes hervorzubringen, um den so schmerzlich gefühlten
Mangel desselben zu ersetzen" (PP II, Kap. 23, § 283, Hü 549). Er sieht „die
Geistlosigkeit und Langweiligkeit der Schriften der Alltagsköpfe" dadurch be-
dingt, dass ihnen der „Sinn ihrer eigenen Worte" nicht klar ist: Da „der Präge-
stempel" zu „deutlich ausgeprägten Gedanken", nämlich „das eigene klare
Denken, ihnen abgeht", produzieren sie bloß „ein unbestimmtes dunkles Wort-
gewebe, gangbare Redensarten, abgenutzte Wendungen und Modeausdrücke"
(PP II, Kap. 23, § 283, Hü 552-553).
Schopenhauers Maxime lautet: „Man brauche gewöhnliche Worte und
sage ungewöhnliche Dinge"; bei „deutschen Schriftstellern" konstatiert er al-
lerdings eine problematische Tendenz, „ihre sehr gewöhnlichen Gedanken in
die ungewöhnlichsten Ausdrücke, die gesuchtesten, preziösesten und selt-
samsten Redensarten zu kleiden. Ihre Sätze schreiten beständig auf Stelzen
einher" (PP II, Kap. 23, § 283, Hü 554). Schopenhauer selbst sieht die Vorliebe
für den „Bombast" und das Wohlgefallen „am hochtrabenden, aufgedunsenen,
preziösen, hyperbolischen und aerobatischen Stile" (PP II, Kap. 23, § 283,
Hü 554) sogar als Indiz für den trivialen Denker an: Seines Erachtens erkennt
man „am preziösen Stil den Alltagskopf" (PP II, Kap. 23, § 283, Hü 555). Und er
stellt fest: „Die Wahrheit ist nackt am schönsten, und der Eindruck, den sie
macht, um so tiefer, als ihr Ausdruck einfacher war; theils, weil sie dann das
ganze, durch keinen Nebengedanken zerstreute Gemüth des Hörers ungehin-
dert einnimmt; theils, weil er fühlt, daß er hier nicht durch rhetorische Künste
bestochen, oder getäuscht ist, sondern die ganze Wirkung von der Sache selbst
ausgeht" (PP II, Kap. 23, § 283, Hü 556).