Stellenkommentar UB III SE 3, KSA 1, S. 351 93
Schriften durchführt.) Schopenhauer und N. kritisieren Universitätsphiloso-
phen, die sich auf die Interessen der Regierung, die Zwecke der Religion oder die
Tendenzen des Zeitgeistes ausrichten (PP I, Hü 159; SE 425) und dadurch ihre ei-
gentliche Aufgabe vernachlässigen: die kompromisslose „Wahrheitsforschung"
(PP I, Hü 149, 158, 167, 190,204; SE 411). Während Schopenhauer vor allem gegen
die Vereinnahmung der Philosophie als „ancilla theologiae" (PP I, Hü 200) und
als „Apologie der Landesreligion" polemisiert (PP I, Hü 151, 154, 159, 194, 203,
204), gelten N.s Vorbehalte primär der Depravation der Universitätsphilosophie
durch Staatsinteressen (SE 365, 368, 415, 422).
Auch in den radikalen Konsequenzen, die sie jeweils aus ihrer kritischen
Einschätzung ziehen, stimmen Schopenhauer und N. überein: Mit Nachdruck
plädieren sie für die Abschaffung (PP I, Hü 167, 192-193, 207-208; SE 421) der
allzu „lukrativen Philosophie" (PP I, Hü 159, 201), um ihre Perversion zum
staatlich subventionierten universitären ,Brotgewerbe' (PP I, Hü 164, 196, 207;
SE 398, 400, 411, 413) künftig zu verhindern (PP I, Hü 167) und die Würde der
Philosophie, ihr heroisches Potential und ihre produktive Gefährlichkeit wie-
derherzustellen (PP I, Hü 154; SE 366, 426-427). (Zu den Unterschieden im
Gesamtduktus der beiden Schriften sowie zu Analogien und Differenzen bei
Einzelaspekten vgl. den detaillierten Vergleich in Kapitel III.4 des Überblicks-
kommentars.)
Allerdings übergeht N. den (zumindest teilweise) reaktiven Charakter von
Schopenhauers Schrift Ueber die Universitäts-Philosophie, deren polemischer
Duktus auch vor dem Hintergrund seiner eigenen erfolglosen Versuche zu
verstehen ist, sich an der Berliner Universität beruflich zu etablieren. Bekannt-
lich trug zum Scheitern einer möglichen Karriere als Universitätsdozent maß-
geblich die selbstbewusste Entscheidung Schopenhauers bei, seine Vorlesun-
gen synchron zum Hauptkolleg über „Logik und Metaphysik" anzukündigen,
das der damals - im Gegensatz zu Schopenhauer - bereits berühmte Hegel an
der Berliner Universität abhielt. Vgl. dazu detaillierter NK 406, 28-30. - Auf
diese für Schopenhauer traumatische und folgenreiche Erfahrung spielt N. in
UB III SE an, wenn er mit Bezug auf die einstige Konkurrenzsituation und auf
die seit etwa 1850 einsetzende Popularität Schopenhauers betont: „ich glaube
dass jetzt bereits mehr Menschen seinen Namen als den Hegels kennen" (406,
28-30).
Schopenhauers Leiden an der fehlenden akademischen Anerkennung
spiegelt auch seine Schrift Ueber die Universitäts-Philosophie wider. Die Hal-
tung der Universitätsphilosophen ihm selbst gegenüber beschreibt Schopen-
hauer hier folgendermaßen: „Der Spaaß bei der Sache aber ist, daß diese Leu-
te sich Philosophen nennen, als solche auch über mich urtheilen, und zwar
mit der Miene der Superiorität, ja, gegen mich vornehm thun und vierzig Jah-
Schriften durchführt.) Schopenhauer und N. kritisieren Universitätsphiloso-
phen, die sich auf die Interessen der Regierung, die Zwecke der Religion oder die
Tendenzen des Zeitgeistes ausrichten (PP I, Hü 159; SE 425) und dadurch ihre ei-
gentliche Aufgabe vernachlässigen: die kompromisslose „Wahrheitsforschung"
(PP I, Hü 149, 158, 167, 190,204; SE 411). Während Schopenhauer vor allem gegen
die Vereinnahmung der Philosophie als „ancilla theologiae" (PP I, Hü 200) und
als „Apologie der Landesreligion" polemisiert (PP I, Hü 151, 154, 159, 194, 203,
204), gelten N.s Vorbehalte primär der Depravation der Universitätsphilosophie
durch Staatsinteressen (SE 365, 368, 415, 422).
Auch in den radikalen Konsequenzen, die sie jeweils aus ihrer kritischen
Einschätzung ziehen, stimmen Schopenhauer und N. überein: Mit Nachdruck
plädieren sie für die Abschaffung (PP I, Hü 167, 192-193, 207-208; SE 421) der
allzu „lukrativen Philosophie" (PP I, Hü 159, 201), um ihre Perversion zum
staatlich subventionierten universitären ,Brotgewerbe' (PP I, Hü 164, 196, 207;
SE 398, 400, 411, 413) künftig zu verhindern (PP I, Hü 167) und die Würde der
Philosophie, ihr heroisches Potential und ihre produktive Gefährlichkeit wie-
derherzustellen (PP I, Hü 154; SE 366, 426-427). (Zu den Unterschieden im
Gesamtduktus der beiden Schriften sowie zu Analogien und Differenzen bei
Einzelaspekten vgl. den detaillierten Vergleich in Kapitel III.4 des Überblicks-
kommentars.)
Allerdings übergeht N. den (zumindest teilweise) reaktiven Charakter von
Schopenhauers Schrift Ueber die Universitäts-Philosophie, deren polemischer
Duktus auch vor dem Hintergrund seiner eigenen erfolglosen Versuche zu
verstehen ist, sich an der Berliner Universität beruflich zu etablieren. Bekannt-
lich trug zum Scheitern einer möglichen Karriere als Universitätsdozent maß-
geblich die selbstbewusste Entscheidung Schopenhauers bei, seine Vorlesun-
gen synchron zum Hauptkolleg über „Logik und Metaphysik" anzukündigen,
das der damals - im Gegensatz zu Schopenhauer - bereits berühmte Hegel an
der Berliner Universität abhielt. Vgl. dazu detaillierter NK 406, 28-30. - Auf
diese für Schopenhauer traumatische und folgenreiche Erfahrung spielt N. in
UB III SE an, wenn er mit Bezug auf die einstige Konkurrenzsituation und auf
die seit etwa 1850 einsetzende Popularität Schopenhauers betont: „ich glaube
dass jetzt bereits mehr Menschen seinen Namen als den Hegels kennen" (406,
28-30).
Schopenhauers Leiden an der fehlenden akademischen Anerkennung
spiegelt auch seine Schrift Ueber die Universitäts-Philosophie wider. Die Hal-
tung der Universitätsphilosophen ihm selbst gegenüber beschreibt Schopen-
hauer hier folgendermaßen: „Der Spaaß bei der Sache aber ist, daß diese Leu-
te sich Philosophen nennen, als solche auch über mich urtheilen, und zwar
mit der Miene der Superiorität, ja, gegen mich vornehm thun und vierzig Jah-