Stellenkommentar UB III SE 3, KSA 1, S. 353 103
penhauer's war, - ich sage: ,non legor, non legar'." (KSA 6, 299, 5-9.) Zuvor
betont N. in diesem Ecce-homo-Kapitel „Warum ich so gute Bücher schreibe"
die eigene, die Rezeption seiner Werke behindernde ,Unzeitgemäßheit': „Ich
selber bin noch nicht an der Zeit, Einige werden posthum geboren" (KSA 6,
298, 7-8).
Obwohl N. das lateinische Diktum Schopenhauers in Ecce homo nur in ne-
gierter Form auf sich selbst beziehen will, lässt sich feststellen, dass die Zu-
kunftsorientierung seines programmatischen Ideals der Unzeitgemäßheit nicht
nur in UB III SE, sondern in allen vier Unzeitgemässen Betrachtungen von Auf-
fassungen Schopenhauers maßgeblich geprägt ist. Entsprechendes gilt für das
komplementäre Verhältnis einer so verstandenen Unzeitgemäßheit zur kriti-
schen Gegenwartsdiagnose. Im 20. Kapitel „Ueber Urtheil, Kritik, Beifall und
Ruhm" der Parerga und Paralipomena II argumentiert Schopenhauer mit analo-
ger Grundtendenz: Während die „Werke gewöhnlichen Schlages [...] mit dem
Geiste der Zeit, d h. den gerade herrschenden Ansichten, genau verbunden
und auf das Bedürfniß des Augenblicks berechnet" sind, trifft dies auf die „au-
ßerordentlichen Werke" nicht zu, „welche bestimmt sind, der ganzen Mensch-
heit anzugehören und Jahrhunderte zu leben"; denn diese sind „bei ihrem Ent-
stehn, zu weit im Vorsprung, eben deshalb aber der Bildungsepoche und dem
Geiste ihrer eigenen Zeit fremd. Sie gehören diesen nicht an, sie greifen in
ihren Zusammenhang nicht ein, gewinnen also den darin Begriffenen kein In-
teresse ab. Sie gehören eben einer andern, einer höhern Bildungsstufe und
einer noch fern liegenden Zeit an" (PP II, Kap. 20, § 242, Hü 504). Die Konse-
quenzen für die Rezeption erläutert Schopenhauer so: „Die ausgezeichneten
Geister dringen selten bei Lebzeiten durch; weil sie im Grunde doch bloß von
den ihnen schon verwandten ganz und recht eigentlich verstanden werden";
daher „wird die Reise zur Nachwelt durch eine entsetzlich öde Gegend zurück-
gelegt" (PP II, Kap. 20, § 242, Hü 505). Bei N. wie bei Schopenhauer ist die mit
dem Ideal der Unzeitgemäßheit verbundene Zukunftsorientierung wesentlich
auch biographisch motiviert: durch das Leiden an fehlender Resonanz der ei-
genen Werke in der Gegenwart.
353, 20-23 so quälte ihn die Sorge, sein kleines Vermögen zu verlieren und viel-
leicht seine reine und wahrhaft antike Stellung zur Philosophie nicht mehr fest-
halten zu können] Schopenhauer lebte als Privatgelehrter vom Erbe des Vaters
(vgl. in UB III SE auch 409, 5-13). Die Bedeutung ökonomischer Unabhängig-
keit nach dem Modell antiker Philosophen betont Schopenhauer in seiner
Schrift Ueber die Universitäts-Philosophie: „Das Geldverdienen mit der Philoso-
phie war und blieb, bei den Alten, das Merkmal, welches den Sophisten vom
Philosophen unterschied. Das Verhältniß der Sophisten zu den Philosophen
war demnach ganz analog dem zwischen den Mädchen, die sich aus Liebe
penhauer's war, - ich sage: ,non legor, non legar'." (KSA 6, 299, 5-9.) Zuvor
betont N. in diesem Ecce-homo-Kapitel „Warum ich so gute Bücher schreibe"
die eigene, die Rezeption seiner Werke behindernde ,Unzeitgemäßheit': „Ich
selber bin noch nicht an der Zeit, Einige werden posthum geboren" (KSA 6,
298, 7-8).
Obwohl N. das lateinische Diktum Schopenhauers in Ecce homo nur in ne-
gierter Form auf sich selbst beziehen will, lässt sich feststellen, dass die Zu-
kunftsorientierung seines programmatischen Ideals der Unzeitgemäßheit nicht
nur in UB III SE, sondern in allen vier Unzeitgemässen Betrachtungen von Auf-
fassungen Schopenhauers maßgeblich geprägt ist. Entsprechendes gilt für das
komplementäre Verhältnis einer so verstandenen Unzeitgemäßheit zur kriti-
schen Gegenwartsdiagnose. Im 20. Kapitel „Ueber Urtheil, Kritik, Beifall und
Ruhm" der Parerga und Paralipomena II argumentiert Schopenhauer mit analo-
ger Grundtendenz: Während die „Werke gewöhnlichen Schlages [...] mit dem
Geiste der Zeit, d h. den gerade herrschenden Ansichten, genau verbunden
und auf das Bedürfniß des Augenblicks berechnet" sind, trifft dies auf die „au-
ßerordentlichen Werke" nicht zu, „welche bestimmt sind, der ganzen Mensch-
heit anzugehören und Jahrhunderte zu leben"; denn diese sind „bei ihrem Ent-
stehn, zu weit im Vorsprung, eben deshalb aber der Bildungsepoche und dem
Geiste ihrer eigenen Zeit fremd. Sie gehören diesen nicht an, sie greifen in
ihren Zusammenhang nicht ein, gewinnen also den darin Begriffenen kein In-
teresse ab. Sie gehören eben einer andern, einer höhern Bildungsstufe und
einer noch fern liegenden Zeit an" (PP II, Kap. 20, § 242, Hü 504). Die Konse-
quenzen für die Rezeption erläutert Schopenhauer so: „Die ausgezeichneten
Geister dringen selten bei Lebzeiten durch; weil sie im Grunde doch bloß von
den ihnen schon verwandten ganz und recht eigentlich verstanden werden";
daher „wird die Reise zur Nachwelt durch eine entsetzlich öde Gegend zurück-
gelegt" (PP II, Kap. 20, § 242, Hü 505). Bei N. wie bei Schopenhauer ist die mit
dem Ideal der Unzeitgemäßheit verbundene Zukunftsorientierung wesentlich
auch biographisch motiviert: durch das Leiden an fehlender Resonanz der ei-
genen Werke in der Gegenwart.
353, 20-23 so quälte ihn die Sorge, sein kleines Vermögen zu verlieren und viel-
leicht seine reine und wahrhaft antike Stellung zur Philosophie nicht mehr fest-
halten zu können] Schopenhauer lebte als Privatgelehrter vom Erbe des Vaters
(vgl. in UB III SE auch 409, 5-13). Die Bedeutung ökonomischer Unabhängig-
keit nach dem Modell antiker Philosophen betont Schopenhauer in seiner
Schrift Ueber die Universitäts-Philosophie: „Das Geldverdienen mit der Philoso-
phie war und blieb, bei den Alten, das Merkmal, welches den Sophisten vom
Philosophen unterschied. Das Verhältniß der Sophisten zu den Philosophen
war demnach ganz analog dem zwischen den Mädchen, die sich aus Liebe