Stellenkommentar UB III SE 3, KSA 1, S. 353-354 105
Politeia entwirft. Zum Status des ,Höhlengleichnisses' in der Platonischen Phi-
losophie vgl. ausführlich NK 376, 2. - In UB III SE findet sich das Motiv der
Höhle mehrmals, etwa in 354, 2, in 354, 26 und in 359, 30 sowie (besonders
deutlich als Anspielung auf Platons ,Höhlengleichnis') in 356, 13-15. Später
greift N. implizit auch in der Fröhlichen Wissenschaft auf Platons ,Höhlen-
gleichnis' zurück (vgl. KSA 3, 467, 5-9). In Also sprach Zarathustra entwirft N.
im Anschluss an Platons Allegorie auch selbst Höhlenausgänge: Seinen Prota-
gonisten Zarathustra lässt er aus einer Höhle vom Berg zu den Menschen he-
rabsteigen, um ihnen seine Botschaft zu verkünden.
Die letzte Strophe in Goethes Gedicht An den Mond lautet in der früheren
(vermutlich am 11. August 1777 entstandenen) Fassung: „Was den Menschen
unbewußt / Oder wohl veracht / Durch das Labyrinth der Brust / Wandelt in
der Nacht" (Goethe: FA, Bd. 1, 235). In der späteren Fassung des Ersten Weima-
rer Jahrzehnts lautet die Schlussstrophe so: „Was von Menschen nicht ge-
wußt, / Oder nicht bedacht, / Durch das Labyrinth der Brust / Wandelt in der
Nacht" (ebd., 302). Die von N. nur zwei Zeilen später thematisierte „Gefahr der
Einsamen" (354, 5) klingt auch in Goethes Gedicht An den Mond an und er-
scheint in V. 12 der späteren Version sogar explizit: „In der Einsamkeit" (ebd.,
301). Zum Faszinosum wird das „Labyrinth des Daseins" in FW 322, wo N. als
„die tiefsten" Denker diejenigen betrachtet, die „in sich wie in einen ungeheu-
ren Weltraum" hineinsehen (KSA 3, 552, 12-16).
354, 13-16 Sie wissen, diese Einsamen und Freien im Geiste, - dass sie fortwäh-
rend irgend worin anders scheinen als sie denken: während sie nichts als Wahr-
heit und Ehrlichkeit wollen] Diese Formulierung antizipiert den für N. später so
wichtigen Typus des ,freien Geistes'. Als Strategie gegen die kulturelle Depra-
vation seiner Gegenwart formuliert er in UB III SE die Aufgabe, „die freien Geis-
ter und die tief an unsrer Zeit Leidenden mit Schopenhauer bekannt zu ma-
chen" (407, 7-8). - Außerdem bringt er hier Freiheit und Wahrheit in eine
Korrelation, die an die Schrift Ueber die Universitäts-Philosophie denken lässt:
Hier betrachtet Schopenhauer „die Atmosphäre der Freiheit" als conditio sine
qua non für die „Wahrheit" (PP I, Hü 161). Vgl. ergänzend NK 346, 12-14.
354, 20-21 eine Wolke von Melancholie auf ihrer Stirne] Zwar bezieht N. diese
Metapher im näheren Kontext generell auf die „Einsamen und Freien im Geis-
te" (354, 13-14), aber implizit ist immer auch konkret Schopenhauer mitge-
meint. - Dass die Melancholie schon seit Aristoteles geradezu topisch mit dem
Genie verbunden wird, betont (unter Rekurs auf Cicero) bereits Schopenhauer
in der Welt als Wille und Vorstellung (]NWV II, Kap. 31, Hü 438). Vgl. das Zitat
in NK 352, 6-12. Analoge Aussagen finden sich im 2. Kapitel der Aphorismen
zur Lebensweisheit. Hier gibt Schopenhauer eine physiologische Erklärung der
Melancholie: „Abnormes Übergewicht der Sensibilität wird Ungleichheit der
Politeia entwirft. Zum Status des ,Höhlengleichnisses' in der Platonischen Phi-
losophie vgl. ausführlich NK 376, 2. - In UB III SE findet sich das Motiv der
Höhle mehrmals, etwa in 354, 2, in 354, 26 und in 359, 30 sowie (besonders
deutlich als Anspielung auf Platons ,Höhlengleichnis') in 356, 13-15. Später
greift N. implizit auch in der Fröhlichen Wissenschaft auf Platons ,Höhlen-
gleichnis' zurück (vgl. KSA 3, 467, 5-9). In Also sprach Zarathustra entwirft N.
im Anschluss an Platons Allegorie auch selbst Höhlenausgänge: Seinen Prota-
gonisten Zarathustra lässt er aus einer Höhle vom Berg zu den Menschen he-
rabsteigen, um ihnen seine Botschaft zu verkünden.
Die letzte Strophe in Goethes Gedicht An den Mond lautet in der früheren
(vermutlich am 11. August 1777 entstandenen) Fassung: „Was den Menschen
unbewußt / Oder wohl veracht / Durch das Labyrinth der Brust / Wandelt in
der Nacht" (Goethe: FA, Bd. 1, 235). In der späteren Fassung des Ersten Weima-
rer Jahrzehnts lautet die Schlussstrophe so: „Was von Menschen nicht ge-
wußt, / Oder nicht bedacht, / Durch das Labyrinth der Brust / Wandelt in der
Nacht" (ebd., 302). Die von N. nur zwei Zeilen später thematisierte „Gefahr der
Einsamen" (354, 5) klingt auch in Goethes Gedicht An den Mond an und er-
scheint in V. 12 der späteren Version sogar explizit: „In der Einsamkeit" (ebd.,
301). Zum Faszinosum wird das „Labyrinth des Daseins" in FW 322, wo N. als
„die tiefsten" Denker diejenigen betrachtet, die „in sich wie in einen ungeheu-
ren Weltraum" hineinsehen (KSA 3, 552, 12-16).
354, 13-16 Sie wissen, diese Einsamen und Freien im Geiste, - dass sie fortwäh-
rend irgend worin anders scheinen als sie denken: während sie nichts als Wahr-
heit und Ehrlichkeit wollen] Diese Formulierung antizipiert den für N. später so
wichtigen Typus des ,freien Geistes'. Als Strategie gegen die kulturelle Depra-
vation seiner Gegenwart formuliert er in UB III SE die Aufgabe, „die freien Geis-
ter und die tief an unsrer Zeit Leidenden mit Schopenhauer bekannt zu ma-
chen" (407, 7-8). - Außerdem bringt er hier Freiheit und Wahrheit in eine
Korrelation, die an die Schrift Ueber die Universitäts-Philosophie denken lässt:
Hier betrachtet Schopenhauer „die Atmosphäre der Freiheit" als conditio sine
qua non für die „Wahrheit" (PP I, Hü 161). Vgl. ergänzend NK 346, 12-14.
354, 20-21 eine Wolke von Melancholie auf ihrer Stirne] Zwar bezieht N. diese
Metapher im näheren Kontext generell auf die „Einsamen und Freien im Geis-
te" (354, 13-14), aber implizit ist immer auch konkret Schopenhauer mitge-
meint. - Dass die Melancholie schon seit Aristoteles geradezu topisch mit dem
Genie verbunden wird, betont (unter Rekurs auf Cicero) bereits Schopenhauer
in der Welt als Wille und Vorstellung (]NWV II, Kap. 31, Hü 438). Vgl. das Zitat
in NK 352, 6-12. Analoge Aussagen finden sich im 2. Kapitel der Aphorismen
zur Lebensweisheit. Hier gibt Schopenhauer eine physiologische Erklärung der
Melancholie: „Abnormes Übergewicht der Sensibilität wird Ungleichheit der