118 Schopenhauer als Erzieher
bezeichnet „die Buddhaisten" in seiner Schrift Ueber die Universitäts-Philoso-
phie, auf die sich N. in UB III SE vielfach implizit und zweimal sogar explizit
beruft (413, 418), als „die Anhänger der [...] vornehmsten Religion auf Erden"
(PP I, Hü 201). Das Konzept einer Verneinung des Willens zum Leben, das
Schopenhauer im Vierten Buch seiner Welt als Wille und Vorstellung entfaltet,
ist maßgeblich durch buddhistische Lehren geprägt. - N. interessierte sich
auch über die Schopenhauer-Lektüre hinaus für den Buddhismus. So entlieh
er aus der Basler Universitätsbibliothek am 25. Oktober 1870 das zweibändige
Werk Die Religion des Buddha und ihre Entstehung (1857-1859).
358, 12-13 die Erzeugung des Genius - das heisst das Ziel aller Cultur] Dieser
Grundgedanke von UB III SE geht zwar von der Philosophie Schopenhauers
aus, weist aber zugleich deutlich über sie hinaus. Während Schopenhauer in
seiner Schrift Ueber die Universitäts-Philosophie fast durchgehend gegen die
akademische Philosophie polemisiert, erweitert N. den gedanklichen Horizont
in UB III SE beträchtlich. Denn seine Zeitkritik soll letztlich dem „Ziel der Kul-
tur" überhaupt dienen (400, 17): der „Erzeugung des Genius" (358, 386, 393,
403) in Gestalt des Philosophen, Künstlers und Heiligen (380). N. sieht das
Telos der Menschheit in ihren „werthvollsten Exemplare[n]" (384, 34), in denen
die Natur zur Vollendung gelange (382, 384-386, 404). Später wendet sich der
Naturalist Alberti entschieden gegen derartige Konzepte N.s (vgl. dazu Theo
Meyer 1993, 169).
358, 26-29 ungestüme Sehnsucht; wir verstehen sie, wenn wir hören dass er
sich mit schmerzlichem Blicke von dem Bilde des grossen Stifters der la Trappe,
Rance, abwandte, unter den Worten: „das ist Sache der Gnade".] Armand Jean
Le Bouthillier de Rance (1626-1700) wurde im Jahre 1664 Zisterzienser und
wirkte auch als Abt von La Trappe. An den ursprünglichen zisterziensischen
Zielen orientiert, führte er eine vom Ideal der Kontemplation, der Buße und
der strengen Askese bestimmte Reform durch, die der Papst 1678 und 1705
bestätigte. - N. zitiert im vorliegenden Textzusammenhang aus den Gesprä-
chen mit Schopenhauer, die Wilhelm Gwinner nach dessen Tod in seinem
Buch Arthur Schopenhauer aus persönlichem Umgange dargestellt. Ein Blick auf
sein Leben, seinen Charakter und seine Lehre mitteilte: „Nie vergesse ich mei-
nen Freund, als er einst bei mir das Bild Rance's, des Abts von La Trappe sah
und mit einer schmerzlichen Geberde sich wegwendend sagte: das ist Sache
der Gnade! Er wollte nicht mehr sein als ein Gelehrter, kein Asket, geschweige
denn ein Heiliger. Wer aber Lehre und Leben, Erkennen und Thun in keiner
Weise zu trennen versteht, mag ein guter Mensch, ein echter Christ sein; ein
Philosoph ist er nicht und lasse unsern Philosophen in Frieden" (Gwinner,
1862, 108). Sechzehn Jahre später publizierte Gwinner seine erheblich erweiter-
te Biographie Schopenhauer's Leben (1878).
bezeichnet „die Buddhaisten" in seiner Schrift Ueber die Universitäts-Philoso-
phie, auf die sich N. in UB III SE vielfach implizit und zweimal sogar explizit
beruft (413, 418), als „die Anhänger der [...] vornehmsten Religion auf Erden"
(PP I, Hü 201). Das Konzept einer Verneinung des Willens zum Leben, das
Schopenhauer im Vierten Buch seiner Welt als Wille und Vorstellung entfaltet,
ist maßgeblich durch buddhistische Lehren geprägt. - N. interessierte sich
auch über die Schopenhauer-Lektüre hinaus für den Buddhismus. So entlieh
er aus der Basler Universitätsbibliothek am 25. Oktober 1870 das zweibändige
Werk Die Religion des Buddha und ihre Entstehung (1857-1859).
358, 12-13 die Erzeugung des Genius - das heisst das Ziel aller Cultur] Dieser
Grundgedanke von UB III SE geht zwar von der Philosophie Schopenhauers
aus, weist aber zugleich deutlich über sie hinaus. Während Schopenhauer in
seiner Schrift Ueber die Universitäts-Philosophie fast durchgehend gegen die
akademische Philosophie polemisiert, erweitert N. den gedanklichen Horizont
in UB III SE beträchtlich. Denn seine Zeitkritik soll letztlich dem „Ziel der Kul-
tur" überhaupt dienen (400, 17): der „Erzeugung des Genius" (358, 386, 393,
403) in Gestalt des Philosophen, Künstlers und Heiligen (380). N. sieht das
Telos der Menschheit in ihren „werthvollsten Exemplare[n]" (384, 34), in denen
die Natur zur Vollendung gelange (382, 384-386, 404). Später wendet sich der
Naturalist Alberti entschieden gegen derartige Konzepte N.s (vgl. dazu Theo
Meyer 1993, 169).
358, 26-29 ungestüme Sehnsucht; wir verstehen sie, wenn wir hören dass er
sich mit schmerzlichem Blicke von dem Bilde des grossen Stifters der la Trappe,
Rance, abwandte, unter den Worten: „das ist Sache der Gnade".] Armand Jean
Le Bouthillier de Rance (1626-1700) wurde im Jahre 1664 Zisterzienser und
wirkte auch als Abt von La Trappe. An den ursprünglichen zisterziensischen
Zielen orientiert, führte er eine vom Ideal der Kontemplation, der Buße und
der strengen Askese bestimmte Reform durch, die der Papst 1678 und 1705
bestätigte. - N. zitiert im vorliegenden Textzusammenhang aus den Gesprä-
chen mit Schopenhauer, die Wilhelm Gwinner nach dessen Tod in seinem
Buch Arthur Schopenhauer aus persönlichem Umgange dargestellt. Ein Blick auf
sein Leben, seinen Charakter und seine Lehre mitteilte: „Nie vergesse ich mei-
nen Freund, als er einst bei mir das Bild Rance's, des Abts von La Trappe sah
und mit einer schmerzlichen Geberde sich wegwendend sagte: das ist Sache
der Gnade! Er wollte nicht mehr sein als ein Gelehrter, kein Asket, geschweige
denn ein Heiliger. Wer aber Lehre und Leben, Erkennen und Thun in keiner
Weise zu trennen versteht, mag ein guter Mensch, ein echter Christ sein; ein
Philosoph ist er nicht und lasse unsern Philosophen in Frieden" (Gwinner,
1862, 108). Sechzehn Jahre später publizierte Gwinner seine erheblich erweiter-
te Biographie Schopenhauer's Leben (1878).