Stellenkommentar UB III SE 5, KSA 1, S. 378 191
Hü 181). Bei „genialen Individuen" sieht Schopenhauer ein besonderes „Maaß
der Erkenntnißkraft" wirksam, „welches das zum Dienste eines individuellen
Willens erforderliche weit übersteigt" und so „zum willensreinen Subjekt, zum
hellen Spiegel des Wesens der Welt wird" (WWV I, § 36, Hü 219). Analog:
WWV I, § 34, Hü 210; WWV II, Kap. 19, Hü 230; WWV II, Kap. 22, Hü 320;
WWV II, Kap. 30, Hü 419; WWV II, Kap. 31, Hü 435. Vgl. im Kontext der Vernei-
nung des Willens auch WWV I, § 68, Hü 462. - Anthropomorphe Perspektiven
auf die Natur finden sich bei Schopenhauer oft, auch in seiner Schrift Ueber
die Universitäts-Philosophie: Hier reflektiert er über „die ganz vereinzelten Köp-
fe, in welchen die Natur zu einem deutlicheren Bewußtseyn ihrer selbst gekom-
men war, als in andern" (PP I, Hü 168).
378, 22 dann zerreissen die Wolken] N. wählt diese Metaphorik in einer Analo-
gie zur Diktion Schopenhauers, der im Anschluss an die indische Philosophie
vom ,Schleier der Maja' spricht. Wenn dieser zerreiße, verliere der Mensch sei-
ne Illusionen über ,das wahre Wesen der Welt und des Lebens'. Aufgrund die-
ser Desillusionierung könne er dann essentielle Erkenntnis erlangen: durch
eine intuitive Einsicht, die sich fundamental von der dem Satze vom Grunde
folgenden, zweckrationalen Erkenntnis unterscheide. Vgl. dazu NK 375, 20 und
375, 25-27.
378, 22-24 wir sehen, wie wir sammt aller Natur uns zum Menschen hindrän-
gen, als zu einem Etwas, das hoch über uns steht] Menschsein versteht N. hier
nicht als bereits erreichten Status quo, sondern als ein ideales Telos, das es
allererst zu erstreben gilt. Nach N.s Auffassung sind die Menschen in ihren
Grundimpulsen noch allzu sehr der Sphäre des Animalischen verhaftet; ledig-
lich durch ihr Bewusstsein unterscheiden sie sich von einer rein tierischen
Existenz. - Mit dieser teleologisch ausgerichteten Anthropologie setzt N. einen
(vermutlich durch die Zweite Pindarische Ode und durch Hölderlins Briefro-
man Hyperion inspirierten) Gedanken fort, den er bereits im 1. Kapitel von
UB III SE entfaltet: „dein wahres Wesen liegt nicht tief verborgen in dir, son-
dern unermesslich hoch über dir" (340, 33 - 341, 1). Vgl. dazu NK 340, 33 -
341, 1. In Also sprach Zarathustra konzentriert und vertieft N. diesen anthropo-
logischen Ansatz durch das Konzept des Übermenschen.
378, 25-26 da laufen die verfeinerten Raubthiere und wir mitten unter ihnen]
Schopenhauer entwirft in seiner Willensmetaphysik auch vom Menschen ein
gänzlich pessimistisches Bild, an das N. hier anschließt. In seinen Parerga und
Paralipomena II schreibt Schopenhauer: „Da nistet in Jedem zunächst ein
kolossaler Egoismus, der die Schranke des Rechts mit größter Leichtigkeit
überspringt; wie Dies das tägliche Leben im Kleinen und die Geschichte, auf
jeder Seite, im Großen lehrt. Liegt denn nicht schon in der anerkannten Noth-
Hü 181). Bei „genialen Individuen" sieht Schopenhauer ein besonderes „Maaß
der Erkenntnißkraft" wirksam, „welches das zum Dienste eines individuellen
Willens erforderliche weit übersteigt" und so „zum willensreinen Subjekt, zum
hellen Spiegel des Wesens der Welt wird" (WWV I, § 36, Hü 219). Analog:
WWV I, § 34, Hü 210; WWV II, Kap. 19, Hü 230; WWV II, Kap. 22, Hü 320;
WWV II, Kap. 30, Hü 419; WWV II, Kap. 31, Hü 435. Vgl. im Kontext der Vernei-
nung des Willens auch WWV I, § 68, Hü 462. - Anthropomorphe Perspektiven
auf die Natur finden sich bei Schopenhauer oft, auch in seiner Schrift Ueber
die Universitäts-Philosophie: Hier reflektiert er über „die ganz vereinzelten Köp-
fe, in welchen die Natur zu einem deutlicheren Bewußtseyn ihrer selbst gekom-
men war, als in andern" (PP I, Hü 168).
378, 22 dann zerreissen die Wolken] N. wählt diese Metaphorik in einer Analo-
gie zur Diktion Schopenhauers, der im Anschluss an die indische Philosophie
vom ,Schleier der Maja' spricht. Wenn dieser zerreiße, verliere der Mensch sei-
ne Illusionen über ,das wahre Wesen der Welt und des Lebens'. Aufgrund die-
ser Desillusionierung könne er dann essentielle Erkenntnis erlangen: durch
eine intuitive Einsicht, die sich fundamental von der dem Satze vom Grunde
folgenden, zweckrationalen Erkenntnis unterscheide. Vgl. dazu NK 375, 20 und
375, 25-27.
378, 22-24 wir sehen, wie wir sammt aller Natur uns zum Menschen hindrän-
gen, als zu einem Etwas, das hoch über uns steht] Menschsein versteht N. hier
nicht als bereits erreichten Status quo, sondern als ein ideales Telos, das es
allererst zu erstreben gilt. Nach N.s Auffassung sind die Menschen in ihren
Grundimpulsen noch allzu sehr der Sphäre des Animalischen verhaftet; ledig-
lich durch ihr Bewusstsein unterscheiden sie sich von einer rein tierischen
Existenz. - Mit dieser teleologisch ausgerichteten Anthropologie setzt N. einen
(vermutlich durch die Zweite Pindarische Ode und durch Hölderlins Briefro-
man Hyperion inspirierten) Gedanken fort, den er bereits im 1. Kapitel von
UB III SE entfaltet: „dein wahres Wesen liegt nicht tief verborgen in dir, son-
dern unermesslich hoch über dir" (340, 33 - 341, 1). Vgl. dazu NK 340, 33 -
341, 1. In Also sprach Zarathustra konzentriert und vertieft N. diesen anthropo-
logischen Ansatz durch das Konzept des Übermenschen.
378, 25-26 da laufen die verfeinerten Raubthiere und wir mitten unter ihnen]
Schopenhauer entwirft in seiner Willensmetaphysik auch vom Menschen ein
gänzlich pessimistisches Bild, an das N. hier anschließt. In seinen Parerga und
Paralipomena II schreibt Schopenhauer: „Da nistet in Jedem zunächst ein
kolossaler Egoismus, der die Schranke des Rechts mit größter Leichtigkeit
überspringt; wie Dies das tägliche Leben im Kleinen und die Geschichte, auf
jeder Seite, im Großen lehrt. Liegt denn nicht schon in der anerkannten Noth-