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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,4): Kommentar zu Nietzsches "Unzeitgemässen Betrachtungen": III. Schopenhauer als Erzieher, IV. Richard Wagner in Bayreuth — Berlin, Boston: de Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69928#0221
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194 Schopenhauer als Erzieher

hauer hier: „die übrige Natur hat ihre Erlösung vom Menschen zu erwarten,
welcher Priester und Opfer zugleich ist" (WWV I, § 68, Hü 450). Später aller-
dings grenzt sich N. von wesentlichen Prämissen der Schopenhauerschen Wil-
lensmetaphysik ab: So betrachtet er in der Fröhlichen Wissenschaft den Willen
als Spezifikum von „intellectuellen Wesen", weil die mit dem Willen verbunde-
ne Vorstellung „von Lust und Unlust" von der Aktivität eines „interpreti-
renden Intellects" abhänge (KSA 3, 483, 21-27).
380, 15-17 jene wahrhaften Menschen, jene Nicht-mehr-Thiere, die
Philosophen, Künstler und Heiligen] Durch die Hervorhebung dieser
drei exzeptionellen Existenzformen konkretisiert N. seine These über das Ziel
der menschlichen Existenz, das er in den höchsten Exemplaren erblickt. Philo-
sophen, Künstler und Heilige versteht er als ideale Manifestationen des Men-
schen, der sich essentiell über die Sphäre des bloß Animalischen erhoben und
ein höheres Seinsstadium erreicht hat. Dabei orientiert sich N. an Konzepten,
die Schopenhauer im Vierten Buch seines Hauptwerks entfaltet: Einerseits dif-
ferenziert Schopenhauer zwischen den spezifischen Erkenntnisweisen der Phi-
losophen, Künstler und Heiligen, andererseits jedoch betont er zugleich auch
fundamentale Gemeinsamkeiten.
In der Welt als Wille und Vorstellung äußert sich Schopenhauer folgender-
maßen über die „Erkenntniß": „Ursprünglich also zum Dienste des Willens,
zur Vollbringung seiner Zwecke bestimmt, bleibt sie ihm auch fast durchgängig
gänzlich dienstbar: so in allen Thieren und in beinahe allen Menschen", mit
Ausnahme derjenigen, in denen „die Erkenntniß sich dieser Dienstbarkeit ent-
ziehn [...] und frei von allen Zwecken des Wollens rein für sich bestehn kann,
als bloßer klarer Spiegel der Welt, woraus die Kunst hervorgeht" (WWV I, § 27,
Hü 181). Anschließend erklärt Schopenhauer, dass „durch diese Art der Er-
kenntniß, wenn sie auf den Willen zurückwirkt, die Selbstaufhebung dessel-
ben eintreten kann, d. i. die Resignation, welche das letzte Ziel, ja, das innerste
Wesen aller Tugend und Heiligkeit, und die Erlösung von der Welt ist" (WWV I,
§ 27, Hü 181-182). Im Vierten Buch seines Hauptwerks korreliert Schopenhauer
selbst die drei später auch von N. hervorgehobenen singulären Existenzweisen
des Menschen: „Die ächte philosophische Betrachtungsweise der Welt, d. h.
diejenige, welche uns ihr inneres Wesen erkennen lehrt und so über die Er-
scheinung hinaus führt, ist gerade die, welche nicht nach dem Woher und
Wohin und Warum, sondern immer und überall nur nach dem Was der Welt
frägt, d. h. welche [...] das in allen Relationen erscheinende, selbst aber ihnen
nicht unterworfene, immer sich gleiche Wesen der Welt, die Ideen derselben,
zum Gegenstände hat. Von solcher Erkenntniß geht, wie die Kunst, so auch die
Philosophie aus, ja [...] auch diejenige Stimmung des Gemüthes, welche allein
 
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