Stellenkommentar UB III SE 5, KSA 1, S. 381-382 197
reich der Botanik verschiebt: mit der Feststellung, „daß es für die Philosophie
heilsamer wäre, wenn sie aufhörte, ein Gewerbe zu seyn, und nicht mehr im
bürgerlichen Leben, durch Professoren repräsentirt, aufträte. Sie ist eine Pflan-
ze, die wie die Alpenrose und die Fluenblume, nur in freier Bergluft gedeiht,
hingegen bei künstlicher Pflege ausartet" (PP I, Hü 167).
Im Kapitel „Ueber Philosophie und ihre Methode" in den Parerga und Para-
lipomena II beschreibt Schopenhauer auch die Rezeptionssituation bei der Lek-
türe philosophischer Werke mit einer Allegorie, die von der Bergmetaphorik
ausgeht: „Der philosophische Schriftsteller ist der Führer und sein Leser der
Wanderer. Sollen sie zusammen ankommen, so müssen sie, vor allen Dingen,
zusammen ausgehn: d. h. der Autor muß seinen Leser aufnehmen auf einem
Standpunkt, den sie sicherlich gemein haben: dies aber kann kein anderer
seyn, als der des uns Allen gemeinsamen, empirischen Bewußtseyns. Hier also
fasse er ihn fest an der Hand und sehe nun, wie hoch über die Wolken hinaus
er, auf dem Bergespfade, Schritt vor Schritt, mit ihm gelangen könne" (PP II,
Kap. 1, § 5, Hü 6-7). Zu den Strategien bildhafter Inszenierung und zur Rele-
vanz experimenteller Metaphern und Gleichnisse bei N. und Schopenhauer vgl.
Neymeyr 2014a, 232-254 sowie 2016b, 323-353 und 2018, 300-303.
381, 15-16 Bilderschrift des Daseins] Analoge Metaphern verwendet bereits
Schopenhauer, wenn er in seinem Hauptwerk betont: Die „objektive Betrach-
tung" der Tiere „ist eine lehrreiche Lektion aus dem großen Buche der Natur,
ist die Entzifferung der wahren Signatura rerum" (WWV I, § 44, Hü 259). In der
zugehörigen Fußnote weist Schopenhauer explizit auf das Buch de Signatura
rerum von Jakob Böhme hin und zitiert Thesen Böhmes, die mit seinen eigenen
korrespondieren (ebd.). Und in den Parerga und Paralipomena II erklärt er auf
der Basis der Kantischen Transzendentalphilosophie, der Mensch erkenne,
dass „sein Intellekt, folglich auch sein Daseyn, die Bedingung aller jener Geset-
ze" der Erfahrung ist: „Dann endlich sieht er auch ein, daß die ihm jetzt klar
gewordene Idealität des Raumes, der Zeit und der Kausalität Platz läßt für eine
ganz andere Ordnung der Dinge, als die der Natur ist, welche letztere er jedoch
als das Resultat, oder die Hieroglyphe, jener andern anzusehn genöthigt ist"
(PP II, Kap. 3, § 27, Hü 39). In der Welt als Wille und Vorstellung I erläutert Scho-
penhauer seine Willensmetaphysik folgendermaßen: „Wie eine Zauberlaterne
viele und mannigfaltige Bilder zeigt, es aber nur eine und die selbe Flamme
ist, welche ihnen allen die Sichtbarkeit ertheilt; so ist in allen mannigfaltigen
Erscheinungen, welche neben einander die Welt füllen [...], doch nur der eine
Wille das Erscheinende [...]: er allein ist das Ding an sich" (WWV I, § 28,
Hü 182).
382, 4-9 Es ist dies der Grundgedanke der Kultur [...]: die Erzeugung des
Philosophen, des Künstlers und des Heiligen in uns und äusser
reich der Botanik verschiebt: mit der Feststellung, „daß es für die Philosophie
heilsamer wäre, wenn sie aufhörte, ein Gewerbe zu seyn, und nicht mehr im
bürgerlichen Leben, durch Professoren repräsentirt, aufträte. Sie ist eine Pflan-
ze, die wie die Alpenrose und die Fluenblume, nur in freier Bergluft gedeiht,
hingegen bei künstlicher Pflege ausartet" (PP I, Hü 167).
Im Kapitel „Ueber Philosophie und ihre Methode" in den Parerga und Para-
lipomena II beschreibt Schopenhauer auch die Rezeptionssituation bei der Lek-
türe philosophischer Werke mit einer Allegorie, die von der Bergmetaphorik
ausgeht: „Der philosophische Schriftsteller ist der Führer und sein Leser der
Wanderer. Sollen sie zusammen ankommen, so müssen sie, vor allen Dingen,
zusammen ausgehn: d. h. der Autor muß seinen Leser aufnehmen auf einem
Standpunkt, den sie sicherlich gemein haben: dies aber kann kein anderer
seyn, als der des uns Allen gemeinsamen, empirischen Bewußtseyns. Hier also
fasse er ihn fest an der Hand und sehe nun, wie hoch über die Wolken hinaus
er, auf dem Bergespfade, Schritt vor Schritt, mit ihm gelangen könne" (PP II,
Kap. 1, § 5, Hü 6-7). Zu den Strategien bildhafter Inszenierung und zur Rele-
vanz experimenteller Metaphern und Gleichnisse bei N. und Schopenhauer vgl.
Neymeyr 2014a, 232-254 sowie 2016b, 323-353 und 2018, 300-303.
381, 15-16 Bilderschrift des Daseins] Analoge Metaphern verwendet bereits
Schopenhauer, wenn er in seinem Hauptwerk betont: Die „objektive Betrach-
tung" der Tiere „ist eine lehrreiche Lektion aus dem großen Buche der Natur,
ist die Entzifferung der wahren Signatura rerum" (WWV I, § 44, Hü 259). In der
zugehörigen Fußnote weist Schopenhauer explizit auf das Buch de Signatura
rerum von Jakob Böhme hin und zitiert Thesen Böhmes, die mit seinen eigenen
korrespondieren (ebd.). Und in den Parerga und Paralipomena II erklärt er auf
der Basis der Kantischen Transzendentalphilosophie, der Mensch erkenne,
dass „sein Intellekt, folglich auch sein Daseyn, die Bedingung aller jener Geset-
ze" der Erfahrung ist: „Dann endlich sieht er auch ein, daß die ihm jetzt klar
gewordene Idealität des Raumes, der Zeit und der Kausalität Platz läßt für eine
ganz andere Ordnung der Dinge, als die der Natur ist, welche letztere er jedoch
als das Resultat, oder die Hieroglyphe, jener andern anzusehn genöthigt ist"
(PP II, Kap. 3, § 27, Hü 39). In der Welt als Wille und Vorstellung I erläutert Scho-
penhauer seine Willensmetaphysik folgendermaßen: „Wie eine Zauberlaterne
viele und mannigfaltige Bilder zeigt, es aber nur eine und die selbe Flamme
ist, welche ihnen allen die Sichtbarkeit ertheilt; so ist in allen mannigfaltigen
Erscheinungen, welche neben einander die Welt füllen [...], doch nur der eine
Wille das Erscheinende [...]: er allein ist das Ding an sich" (WWV I, § 28,
Hü 182).
382, 4-9 Es ist dies der Grundgedanke der Kultur [...]: die Erzeugung des
Philosophen, des Künstlers und des Heiligen in uns und äusser