Stellenkommentar UB III SE 6, KSA 1, S. 384-386 205
als „Plebejismus der modernen Ideen - Englands" charakterisiert (KSA 5,
197, 31 - 198, 2). Gegen wen sich diese allgemein gehaltene Polemik eigentlich
richtet, wird evident, wenn N. den „Geist achtbarer, aber mittelmässiger Eng-
länder" durch „Darwin, John Stuart Mill und Herbert Spencer" exemplifiziert
(KSA 3, 196, 27-29).
384, 24 sein Leben etwa einem Staate zu opfern] Schopenhauer kritisiert in
seiner Schrift Ueber die Universitäts-Philosophie die Hegelsche Staatsphiloso-
phie: „Diese Staatszwecke der Universitätsphilosophie waren es aber, welche
der Hegelei eine so beispiellose Ministergunst verschafften. Denn ihr war
der Staat,der absolut vollendete ethische Organismus', und sie ließ den gan-
zen Zweck des menschlichen Daseyns im Staat aufgehn. Konnte es eine bes-
sere Zurichtung für künftige Referendarien und demnächst Staatsbeamte ge-
ben, als diese, in Folge welcher ihr ganzes Wesen und Seyn, mit Leib und
Seele, völlig dem Staat verfiel, wie das der Biene dem Bienenstock, und sie
auf nichts Anderes, weder in dieser, noch in einer andern Welt hinzuarbeiten
hatten, als daß sie taugliche Räder würden, mitzuwirken, um die große Staats-
maschine, diesen ultimus finis bonorum, im Gange zu erhalten?" (PP I, Hü 157).
386, 19 Kampf für die Kultur] Die Vorstellung des Kampfes, insbesondere des
Kulturkampfes, zieht sich leitmotivisch durch N.s Frühwerk. Bereits in der Ge-
burt der Tragödie und dann auch in UB IV WB ist diese Idee prägnant ausge-
formt. Vgl. dazu die Belege in NK 1/1, 57-58.
386, 21-22 die Erzeugung des Genius] In mehreren Passagen von UB III SE plä-
diert N. für die „Erzeugung des Genius", die er als „das Ziel aller Cultur" be-
trachtet (358, 12-13). Vgl. auch 387, 3-14. Dabei orientiert sich N. am Begriff des
Genies und der Genialität in Schopenhauers Welt als Wille und Vorstellung. Auf
die antike Provenienz des Begriffs ,Genius' weist Schopenhauer hier selbst aus-
drücklich hin: Dessen Etymologie erklärt er damit, dass man „von jeher das
Wirken des Genius als eine Inspiration, ja wie der Name selbst bezeichnet,
als das Wirken eines vom Individuo selbst verschiedenen übermenschlichen
Wesens" angesehen habe, „das nur periodisch jenes in Besitz nimmt" (WWV I,
§ 36, Hü 222). Ein solcher Transzendenz-Aspekt, der schon durch die Herkunft
des Begriffs ,Genius' bedingt ist, fördert religiöse Konnotationen. Sie treten
auch in UB I DS hervor, wenn N. über „das Genie" schreibt, es stehe „mit Recht
im Rufe, Wunder zu thun" (KSA 1, 199, 20-22). Eine Tendenz zur religiösen
Überformung des Genie-Topos zeichnet sich mitunter auch in N.s nachgelasse-
nen Notaten und in seinen Briefen ab. In einem Nachlass-Notat von 1875 ver-
bindet N. Dimensionen des Ästhetischen, Pädagogischen und Religiösen in ei-
nem Gestus der Selbsttranszendierung, der geistesaristokratisch motiviert ist,
da er auf „die Erzeugung des Genius" zielt: „Meine Religion, wenn ich irgend-
als „Plebejismus der modernen Ideen - Englands" charakterisiert (KSA 5,
197, 31 - 198, 2). Gegen wen sich diese allgemein gehaltene Polemik eigentlich
richtet, wird evident, wenn N. den „Geist achtbarer, aber mittelmässiger Eng-
länder" durch „Darwin, John Stuart Mill und Herbert Spencer" exemplifiziert
(KSA 3, 196, 27-29).
384, 24 sein Leben etwa einem Staate zu opfern] Schopenhauer kritisiert in
seiner Schrift Ueber die Universitäts-Philosophie die Hegelsche Staatsphiloso-
phie: „Diese Staatszwecke der Universitätsphilosophie waren es aber, welche
der Hegelei eine so beispiellose Ministergunst verschafften. Denn ihr war
der Staat,der absolut vollendete ethische Organismus', und sie ließ den gan-
zen Zweck des menschlichen Daseyns im Staat aufgehn. Konnte es eine bes-
sere Zurichtung für künftige Referendarien und demnächst Staatsbeamte ge-
ben, als diese, in Folge welcher ihr ganzes Wesen und Seyn, mit Leib und
Seele, völlig dem Staat verfiel, wie das der Biene dem Bienenstock, und sie
auf nichts Anderes, weder in dieser, noch in einer andern Welt hinzuarbeiten
hatten, als daß sie taugliche Räder würden, mitzuwirken, um die große Staats-
maschine, diesen ultimus finis bonorum, im Gange zu erhalten?" (PP I, Hü 157).
386, 19 Kampf für die Kultur] Die Vorstellung des Kampfes, insbesondere des
Kulturkampfes, zieht sich leitmotivisch durch N.s Frühwerk. Bereits in der Ge-
burt der Tragödie und dann auch in UB IV WB ist diese Idee prägnant ausge-
formt. Vgl. dazu die Belege in NK 1/1, 57-58.
386, 21-22 die Erzeugung des Genius] In mehreren Passagen von UB III SE plä-
diert N. für die „Erzeugung des Genius", die er als „das Ziel aller Cultur" be-
trachtet (358, 12-13). Vgl. auch 387, 3-14. Dabei orientiert sich N. am Begriff des
Genies und der Genialität in Schopenhauers Welt als Wille und Vorstellung. Auf
die antike Provenienz des Begriffs ,Genius' weist Schopenhauer hier selbst aus-
drücklich hin: Dessen Etymologie erklärt er damit, dass man „von jeher das
Wirken des Genius als eine Inspiration, ja wie der Name selbst bezeichnet,
als das Wirken eines vom Individuo selbst verschiedenen übermenschlichen
Wesens" angesehen habe, „das nur periodisch jenes in Besitz nimmt" (WWV I,
§ 36, Hü 222). Ein solcher Transzendenz-Aspekt, der schon durch die Herkunft
des Begriffs ,Genius' bedingt ist, fördert religiöse Konnotationen. Sie treten
auch in UB I DS hervor, wenn N. über „das Genie" schreibt, es stehe „mit Recht
im Rufe, Wunder zu thun" (KSA 1, 199, 20-22). Eine Tendenz zur religiösen
Überformung des Genie-Topos zeichnet sich mitunter auch in N.s nachgelasse-
nen Notaten und in seinen Briefen ab. In einem Nachlass-Notat von 1875 ver-
bindet N. Dimensionen des Ästhetischen, Pädagogischen und Religiösen in ei-
nem Gestus der Selbsttranszendierung, der geistesaristokratisch motiviert ist,
da er auf „die Erzeugung des Genius" zielt: „Meine Religion, wenn ich irgend-