Stellenkommentar UB III SE 6, KSA 1, S. 386 207
chen, es niederlegend für eine besser urtheilende Nachwelt, Dies wird ihm
dann zum Zweck, der allen andern Zwecken vorgeht und für den er die Dornen-
krone trägt, welche einst zum Lorbeerkranze ausschlagen soll" (PP II, Kap. 3,
§ 60, Hü 92). Die Metaphorik der „zum Lorbeerkranze" ausschlagenden „Dor-
nenkrone" übernimmt N. aus Schopenhauers Parerga und Paralipomena II für
UB IV WB, wo er dieses Bild dann konkret auf Richard Wagner bezieht (vgl.
KSA 1, 498, 23-24).
Für den frühen N. verbindet sich mit der von Schopenhauer übernomme-
nen Vorstellung des ,Genius' immer auch der konkrete Gedanke an Wagner,
der selbst ein dezidierter Schopenhauer-Anhänger war. Schon in seinem ersten
Brief an Wagner vom 22. Mai 1869 apostrophiert N. den ,verehrten Meister'
nicht weniger als dreimal als „Genius" (wenn auch indirekt). Zugleich weist N.
hier auf Wagners „großen Geistesbruder Arthur Schopenhauer" hin, „an den
ich mit gleicher Verehrung, ja religione quadam denke" (KSB 3, Nr. 4, S. 8).
Nach N.s Ansicht ist „es das Loos des Genius [...], eine Zeitlang nur paucorum
hominum zu sein" (ebd.). Dem Freund Gersdorff versichert N. am 28. Septem-
ber 1869: „Ich habe Dir schon geschrieben, von welchem Werthe mir dieser
Genius ist: als die leibhafte Illustration, dessen, was Schopenhauer ein ,Genie'
nennt" (KSB 3, Nr. 32, S. 61). Und in einem Brief an Cosima von Bülow schreibt
N. nach einem zweitägigen Aufenthalt in Tribschen bei Wagner am 19. Juni
1870: „Dies Dasein der Götter im Hause des Genius erweckt jene religiöse Stim-
mung, von der ich berichtete - " (KSB 3, Nr. 81, S. 125). Schon am 9. Dezember
1868 rühmt N. Wagner im Brief an Erwin Rohde als paradigmatisches Genie im
Sinne Schopenhauers: „Wagner, wie ich ihn jetzt kenne, aus seiner Musik, sei-
nen Dichtungen seiner Aesthetik, zum nicht geringsten Theile aus jenem glück-
lichen Zusammensein mit ihm, ist die leibhaftigste Illustration dessen, was
Schopenhauer ein Genie nennt: ja die Ähnlichkeit all der einzelnen Züge ist in
die Augen springend"; dabei betont N. zunächst „den kühnen, ja schwindeln-
den Gang" von Wagners „Aesthetik", um dann vom mitreißenden „Gefühls-
schwunge seiner Musik" zu sprechen, „von diesem Schopenhauerischen Ton-
meere, dessen geheimsten Wellenschlag ich mit empfinde, so daß mein
Anhören Wagnerischer Musik eine jubelnde Intuition, ja ein staunendes Sich-
selbstfinden ist" (KSB 2, Nr. 604, S. 352-353). Und am 25. August 1869 apostro-
phiert N. den Komponisten in einem Brief an Paul Deussen emphatisch als
„den größten Genius und größten Menschen dieser Zeit, durchaus in-
commensurabel!" (KSB 3, Nr. 24, S. 46), so dass ihm die „Annäherung" an
Wagner „als die größte Errungenschaft meines Lebens" erscheint, „nächst
dem, was ich Schopenhauer verdanke" (ebd.).
Im umfangreichen 6. Kapitel von UB III SE führt N. das Programm einer
„Erzeugung des Genius" bis zur ringkompositorisch konzipierten Schlusspartie
chen, es niederlegend für eine besser urtheilende Nachwelt, Dies wird ihm
dann zum Zweck, der allen andern Zwecken vorgeht und für den er die Dornen-
krone trägt, welche einst zum Lorbeerkranze ausschlagen soll" (PP II, Kap. 3,
§ 60, Hü 92). Die Metaphorik der „zum Lorbeerkranze" ausschlagenden „Dor-
nenkrone" übernimmt N. aus Schopenhauers Parerga und Paralipomena II für
UB IV WB, wo er dieses Bild dann konkret auf Richard Wagner bezieht (vgl.
KSA 1, 498, 23-24).
Für den frühen N. verbindet sich mit der von Schopenhauer übernomme-
nen Vorstellung des ,Genius' immer auch der konkrete Gedanke an Wagner,
der selbst ein dezidierter Schopenhauer-Anhänger war. Schon in seinem ersten
Brief an Wagner vom 22. Mai 1869 apostrophiert N. den ,verehrten Meister'
nicht weniger als dreimal als „Genius" (wenn auch indirekt). Zugleich weist N.
hier auf Wagners „großen Geistesbruder Arthur Schopenhauer" hin, „an den
ich mit gleicher Verehrung, ja religione quadam denke" (KSB 3, Nr. 4, S. 8).
Nach N.s Ansicht ist „es das Loos des Genius [...], eine Zeitlang nur paucorum
hominum zu sein" (ebd.). Dem Freund Gersdorff versichert N. am 28. Septem-
ber 1869: „Ich habe Dir schon geschrieben, von welchem Werthe mir dieser
Genius ist: als die leibhafte Illustration, dessen, was Schopenhauer ein ,Genie'
nennt" (KSB 3, Nr. 32, S. 61). Und in einem Brief an Cosima von Bülow schreibt
N. nach einem zweitägigen Aufenthalt in Tribschen bei Wagner am 19. Juni
1870: „Dies Dasein der Götter im Hause des Genius erweckt jene religiöse Stim-
mung, von der ich berichtete - " (KSB 3, Nr. 81, S. 125). Schon am 9. Dezember
1868 rühmt N. Wagner im Brief an Erwin Rohde als paradigmatisches Genie im
Sinne Schopenhauers: „Wagner, wie ich ihn jetzt kenne, aus seiner Musik, sei-
nen Dichtungen seiner Aesthetik, zum nicht geringsten Theile aus jenem glück-
lichen Zusammensein mit ihm, ist die leibhaftigste Illustration dessen, was
Schopenhauer ein Genie nennt: ja die Ähnlichkeit all der einzelnen Züge ist in
die Augen springend"; dabei betont N. zunächst „den kühnen, ja schwindeln-
den Gang" von Wagners „Aesthetik", um dann vom mitreißenden „Gefühls-
schwunge seiner Musik" zu sprechen, „von diesem Schopenhauerischen Ton-
meere, dessen geheimsten Wellenschlag ich mit empfinde, so daß mein
Anhören Wagnerischer Musik eine jubelnde Intuition, ja ein staunendes Sich-
selbstfinden ist" (KSB 2, Nr. 604, S. 352-353). Und am 25. August 1869 apostro-
phiert N. den Komponisten in einem Brief an Paul Deussen emphatisch als
„den größten Genius und größten Menschen dieser Zeit, durchaus in-
commensurabel!" (KSB 3, Nr. 24, S. 46), so dass ihm die „Annäherung" an
Wagner „als die größte Errungenschaft meines Lebens" erscheint, „nächst
dem, was ich Schopenhauer verdanke" (ebd.).
Im umfangreichen 6. Kapitel von UB III SE führt N. das Programm einer
„Erzeugung des Genius" bis zur ringkompositorisch konzipierten Schlusspartie