224 Schopenhauer als Erzieher
phie vgl. NK 398, 2-11. Den Begriff der Jagd verwendet N. später auch in der
Morgenröthe, um denjenigen, der sich ohne intrinsische Motivation intellektu-
ell beschäftigt, als einen „Don Juan der Erkenntniss" zu charakterisieren: „Ihm
fehlt die Liebe zu den Dingen, welche er erkennt, aber er hat Geist, Kitzel und
Genuss an Jagd und Intriguen der Erkenntniss - bis an die höchsten und fern-
sten Sterne der Erkenntniss hinauf!" (KSA 3, 232, 16-21).
395, 1 Trieb zum Widerspruch] Hier beleuchtet N. einen anderen Aspekt dessel-
ben Grundproblems wie in 394, 31-33. Er beschreibt den Selbstgenuss des Ge-
lehrten im erfolgreichen Kampf als sein vorrangiges Handlungsmotiv, das mit
einem angeblichen „Kampf um die Wahrheit" (395, 4) lediglich kaschiert
werde.
395, 5-9 Zu einem guten Theile ist sodann dem Gelehrten der Trieb beigemischt,
gewisse „Wahrheiten" zu finden, nämlich aus Unterthänigkeit gegen gewisse
herrschende Personen, Kasten, Meinungen, Kirchen, Regierungen, weil er fühlt,
dass er sich nützt, indem er die „Wahrheit" auf ihre Seite bringt.] Im Kapitel 21
„Ueber Gelehrsamkeit und Gelehrte" der Parerga und Paralipomena II charakte-
risiert Schopenhauer den Gelehrten analog: Ähnlich wie N. in UB III SE betont
bereits Schopenhauer pragmatische Strategien der Überanpassung, die letzt-
lich auf Kosten der „Wahrheit" gehen: „Der deutsche Gelehrte ist aber auch zu
arm, um redlich und ehrenhaft seyn zu können. Daher ist drehn, winden, sich
ackommodiren und seine Ueberzeugung verleugnen, lehren und schreiben was
er nicht glaubt, kriechen, schmeicheln, Partei machen und Kameradschaft
schließen, Minister, Große, Kollegen, Studenten, Buchhändler, Recensenten,
kurz, Alles eher, als die Wahrheit und fremdes Verdienst, berücksichtigen, -
sein Gang und seine Methode. Er wird dadurch meistens ein rücksichtsvoller
Lump" (PP II, Kap. 21, § 251, Hü 514). Schopenhauer sieht „in der deutschen
Litteratur überhaupt und der Philosophie insbesondere" die „Unredlichkeit so
sehr" dominieren, „daß zu hoffen steht, es werde damit den Punkt erreichen,
wo sie, als unfähig, noch irgend Jemanden zu täuschen, unwirksam wird"
(ebd.).
395, 19-20 in adiaphoris] Vgl. NK 367, 33.
395, 24 sensus recti] Der Sinn für das Rechte oder für das Richtige.
395, 25 Kopernikus] Der berühmte Astronom Nikolaus Kopernikus (1473-1543)
ersetzte das traditionelle geozentrische Weltbild des Ptolemäus durch ein neu-
es, heliozentrisches: Nicht die Erde bildet den Mittelpunkt der kreisförmigen
Planetenbahnen, sondern die Sonne. Das heliozentrische Weltsystem wird
nach seinem Entdecker auch als das kopernikanische Weltbild bezeichnet: Die
Erde kreist um die Sonne, dreht sich dabei täglich auch um ihre eigene Achse
phie vgl. NK 398, 2-11. Den Begriff der Jagd verwendet N. später auch in der
Morgenröthe, um denjenigen, der sich ohne intrinsische Motivation intellektu-
ell beschäftigt, als einen „Don Juan der Erkenntniss" zu charakterisieren: „Ihm
fehlt die Liebe zu den Dingen, welche er erkennt, aber er hat Geist, Kitzel und
Genuss an Jagd und Intriguen der Erkenntniss - bis an die höchsten und fern-
sten Sterne der Erkenntniss hinauf!" (KSA 3, 232, 16-21).
395, 1 Trieb zum Widerspruch] Hier beleuchtet N. einen anderen Aspekt dessel-
ben Grundproblems wie in 394, 31-33. Er beschreibt den Selbstgenuss des Ge-
lehrten im erfolgreichen Kampf als sein vorrangiges Handlungsmotiv, das mit
einem angeblichen „Kampf um die Wahrheit" (395, 4) lediglich kaschiert
werde.
395, 5-9 Zu einem guten Theile ist sodann dem Gelehrten der Trieb beigemischt,
gewisse „Wahrheiten" zu finden, nämlich aus Unterthänigkeit gegen gewisse
herrschende Personen, Kasten, Meinungen, Kirchen, Regierungen, weil er fühlt,
dass er sich nützt, indem er die „Wahrheit" auf ihre Seite bringt.] Im Kapitel 21
„Ueber Gelehrsamkeit und Gelehrte" der Parerga und Paralipomena II charakte-
risiert Schopenhauer den Gelehrten analog: Ähnlich wie N. in UB III SE betont
bereits Schopenhauer pragmatische Strategien der Überanpassung, die letzt-
lich auf Kosten der „Wahrheit" gehen: „Der deutsche Gelehrte ist aber auch zu
arm, um redlich und ehrenhaft seyn zu können. Daher ist drehn, winden, sich
ackommodiren und seine Ueberzeugung verleugnen, lehren und schreiben was
er nicht glaubt, kriechen, schmeicheln, Partei machen und Kameradschaft
schließen, Minister, Große, Kollegen, Studenten, Buchhändler, Recensenten,
kurz, Alles eher, als die Wahrheit und fremdes Verdienst, berücksichtigen, -
sein Gang und seine Methode. Er wird dadurch meistens ein rücksichtsvoller
Lump" (PP II, Kap. 21, § 251, Hü 514). Schopenhauer sieht „in der deutschen
Litteratur überhaupt und der Philosophie insbesondere" die „Unredlichkeit so
sehr" dominieren, „daß zu hoffen steht, es werde damit den Punkt erreichen,
wo sie, als unfähig, noch irgend Jemanden zu täuschen, unwirksam wird"
(ebd.).
395, 19-20 in adiaphoris] Vgl. NK 367, 33.
395, 24 sensus recti] Der Sinn für das Rechte oder für das Richtige.
395, 25 Kopernikus] Der berühmte Astronom Nikolaus Kopernikus (1473-1543)
ersetzte das traditionelle geozentrische Weltbild des Ptolemäus durch ein neu-
es, heliozentrisches: Nicht die Erde bildet den Mittelpunkt der kreisförmigen
Planetenbahnen, sondern die Sonne. Das heliozentrische Weltsystem wird
nach seinem Entdecker auch als das kopernikanische Weltbild bezeichnet: Die
Erde kreist um die Sonne, dreht sich dabei täglich auch um ihre eigene Achse