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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,4): Kommentar zu Nietzsches "Unzeitgemässen Betrachtungen": III. Schopenhauer als Erzieher, IV. Richard Wagner in Bayreuth — Berlin, Boston: de Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69928#0265
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238 Schopenhauer als Erzieher

burt des Genius und das Reifwerden seines Werks in sich und um sich vorzuberei-
ten.] Implizit ist hier auch N.s Engagement für den von ihm als „Genius"
verehrten Wagner und dessen Werk von Bedeutung. In zahlreichen Briefen war
N. bis etwa 1876 sogar darum bemüht, einen Freundes- und Verehrerkreis für
Wagner zu organisieren. In der Geburt der Tragödie beschwört er immer wieder
emphatisch die „Freunde", für das gemeinsame Ziel zusammenzuhalten, das
auch „Glauben" und „Hoffnung" erfordere. Vgl. dort die einschlägigen Beleg-
stellen in GT 20 bis 24 (KSA 1, 132, 10-11; 135, 8; 140, 6; 147, 13; 154, 14) sowie
NK 1/1, 375. Auch in UB IV WB geht N. auf (Wagners) „Freunde" und „Anhän-
ger" ein. Vgl. KSA 1, 496, 12-22 und den Stellenkommentar dazu. Die Vorstel-
lungen aus UB III SE übernimmt N. direkt in UB IV WB.
403, 5-9 Nicht Wenige, auch aus der Reihe der zweiten und dritten Begabungen,
sind zu diesem Mithelfen bestimmt und kommen nur in der Unterwerfung unter
eine solche Bestimmung zu dem Gefühl, einer Pflicht zu leben und mit Ziel und
Bedeutung zu leben.] Diese Vorstellung formuliert N. auch konkret im Hinblick
auf Wagner (vgl. NK 402, 34 - 403, 5). Bezeichnenderweise übernimmt er sie
in UB IV WB, vor allem hinsichtlich der „Unterwerfung": „Ein Künstler, wel-
cher diese Gewalt über sich hat, unterwirft sich, selbst ohne es zu wollen, alle
anderen Künstler. Ihm allein wiederum werden die Unterworfenen, seine
Freunde und Anhänger nicht zur Gefahr" (KSA 1, 496, 13-16).
7.
404, 11-15 Was wäre ausserdem zu erfinden, um seiner Einwirkung auf die Zeit-
genossen mehr Wahrscheinlichkeit zu geben? Und welche Hindernisse müssten
weggeräumt werden, damit vor allem sein Vorbild zur vollen Wirkung komme,
damit der Philosoph wieder Philosophen erziehe?] Mit dieser Aussage expliziert
N. die am Ende von Kapitel 6 formulierte programmatische Vorstellung (403,
33 - 404, 3): „und so hoffe ich auch, dass es Einige gebe, welche verstehen,
was ich mit der Vorführung von Schopenhauers Schicksal sagen will und
wozu, nach meiner Vorstellung, Schopenhauer als Erzieher eigentlich erzie-
hen soll. -" N.s Auffassung zufolge kann Schopenhauer durch sein Vorbild
,echte' Philosophen erziehen, die sich dann zu einer geistigen Unabhängigkeit
entwickeln, also in N.s Sinne ,unzeitgemäß' sind. Im Hinblick auf das epochen-
typische, von N. wiederholt traktierte Epigonenproblem erscheint es allerdings
nicht konsequent, dass der Philosoph nur Philosophen erziehen soll. Denn „die
Wiedererzeugung Schopenhauers, das heisst des philosophischen Genius"
(407, 15-17), die N. für das „Höchste" hält (418, 12), kann nur als Spezialfall
dessen gelten, was er in UB III SE als „das Ziel aller Cultur" bezeichnet: einer
 
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