Stellenkommentar UB III SE 7, KSA 1, S. 403-404 239
„Erzeugung des Genius" (358, 12-13). - Der Aspekt der „Wirkung" ist auch in
UB IV WB von zentraler Bedeutung, vor allem in der Anfangspartie des 8. Kapi-
tels. Vgl. NK 472, 19-20.
404, 17 Die Natur will immer gemeinnützig sein] Indem N. der Natur hier einen
Willen zuschreibt, überformt er sie anthropomorph und greift dabei zugleich
auf eine Grundtendenz von Schopenhauers Willensmetaphysik zurück. N. cha-
rakterisiert die „Natur" hier als „gemeinnützig", weil er sie als Inbegriff der
Lebenstotalität versteht; insofern wirkt sie ganzheitlich. Für die anthropomor-
phe Komponente des Naturbegriffs in Schopenhauers Willensmetaphysik ist
schon der Titel seiner Schrift Vom Willen in der Natur signifikant. In den Parer-
ga und Paralipomena II überträgt Schopenhauer tendenziell menschliche Ab-
sichten auf die Natur, indem er ihr in auffälliger Weise Intentionen zuschreibt:
„die Natur wiederholt, unter gleichen Umständen, aber an verschiedenen Or-
ten, den selben Prozeß und ist viel zu vorsichtig, als daß sie die Existenz einer
Species, zumal der obern Geschlechter, ganz prekär seyn ließe, indem sie die-
selbe auf eine einzige Karte stellte und dadurch ihr schwer gelungenes Werk
tausend Zufällen Preis gäbe. Vielmehr weiß sie was sie will, will es entschie-
den, und demgemäß geht sie zu Werke" (PP II, Kap. 6, § 92, Hü 165-166). Diese
voluntative Dynamik erweist sich als Implikation von Schopenhauers Willens-
monismus.
Auch in seinem Hauptwerk reflektiert Schopenhauer über das, „was die
Natur (die ja eben der Wille ist, der unser eigenes Wesen ausmacht) darzustel-
len sich bemüht" (WWV I, § 45, Hü 262). Zugleich expliziert er die Relation zwi-
schen Willen und Natur, indem er betont, „daß die ganze Natur die Erschei-
nung und auch die Erfüllung des Willens zum Leben ist. Die Form dieser
Erscheinung ist Zeit, Raum und Kausalität, mittelst dieser aber Individuation,
die es mit sich bringt, daß das Individuum entstehn und vergehn muß, was
aber den Willen zum Leben, von dessen Erscheinung das Individuum gleich-
sam nur ein einzelnes Exempel oder Specimen ist, so wenig anficht, als das
Ganze der Natur gekränkt wird durch den Tod eines Individuums. Denn nicht
dieses, sondern die Gattung allein ist es, woran der Natur gelegen ist, und auf
deren Erhaltung sie mit allem Ernst dringt" (WWV I, § 54, Hü 325).
404, 20-23 Dass sie [sc. die Natur] den Menschen durch die Erzeugung des
Philosophen und des Künstlers das Dasein deutsam und bedeutsam machen
wollte, das ist bei ihrem eignen erlösungsbedürftigen Drange gewiss] In Schopen-
hauers Hauptwerk Die Welt als Wille und Vorstellung bezeichnet der Begriff des
,Willens' die naturale Triebsphäre, die alles Seiende durchwirkt und keines-
wegs ein Spezifikum des Menschen ist. Systemimmanent erklärt sich so auch
die Diktion N.s, wenn er unter Rekurs auf Schopenhauers Willensphilosophie
„Erzeugung des Genius" (358, 12-13). - Der Aspekt der „Wirkung" ist auch in
UB IV WB von zentraler Bedeutung, vor allem in der Anfangspartie des 8. Kapi-
tels. Vgl. NK 472, 19-20.
404, 17 Die Natur will immer gemeinnützig sein] Indem N. der Natur hier einen
Willen zuschreibt, überformt er sie anthropomorph und greift dabei zugleich
auf eine Grundtendenz von Schopenhauers Willensmetaphysik zurück. N. cha-
rakterisiert die „Natur" hier als „gemeinnützig", weil er sie als Inbegriff der
Lebenstotalität versteht; insofern wirkt sie ganzheitlich. Für die anthropomor-
phe Komponente des Naturbegriffs in Schopenhauers Willensmetaphysik ist
schon der Titel seiner Schrift Vom Willen in der Natur signifikant. In den Parer-
ga und Paralipomena II überträgt Schopenhauer tendenziell menschliche Ab-
sichten auf die Natur, indem er ihr in auffälliger Weise Intentionen zuschreibt:
„die Natur wiederholt, unter gleichen Umständen, aber an verschiedenen Or-
ten, den selben Prozeß und ist viel zu vorsichtig, als daß sie die Existenz einer
Species, zumal der obern Geschlechter, ganz prekär seyn ließe, indem sie die-
selbe auf eine einzige Karte stellte und dadurch ihr schwer gelungenes Werk
tausend Zufällen Preis gäbe. Vielmehr weiß sie was sie will, will es entschie-
den, und demgemäß geht sie zu Werke" (PP II, Kap. 6, § 92, Hü 165-166). Diese
voluntative Dynamik erweist sich als Implikation von Schopenhauers Willens-
monismus.
Auch in seinem Hauptwerk reflektiert Schopenhauer über das, „was die
Natur (die ja eben der Wille ist, der unser eigenes Wesen ausmacht) darzustel-
len sich bemüht" (WWV I, § 45, Hü 262). Zugleich expliziert er die Relation zwi-
schen Willen und Natur, indem er betont, „daß die ganze Natur die Erschei-
nung und auch die Erfüllung des Willens zum Leben ist. Die Form dieser
Erscheinung ist Zeit, Raum und Kausalität, mittelst dieser aber Individuation,
die es mit sich bringt, daß das Individuum entstehn und vergehn muß, was
aber den Willen zum Leben, von dessen Erscheinung das Individuum gleich-
sam nur ein einzelnes Exempel oder Specimen ist, so wenig anficht, als das
Ganze der Natur gekränkt wird durch den Tod eines Individuums. Denn nicht
dieses, sondern die Gattung allein ist es, woran der Natur gelegen ist, und auf
deren Erhaltung sie mit allem Ernst dringt" (WWV I, § 54, Hü 325).
404, 20-23 Dass sie [sc. die Natur] den Menschen durch die Erzeugung des
Philosophen und des Künstlers das Dasein deutsam und bedeutsam machen
wollte, das ist bei ihrem eignen erlösungsbedürftigen Drange gewiss] In Schopen-
hauers Hauptwerk Die Welt als Wille und Vorstellung bezeichnet der Begriff des
,Willens' die naturale Triebsphäre, die alles Seiende durchwirkt und keines-
wegs ein Spezifikum des Menschen ist. Systemimmanent erklärt sich so auch
die Diktion N.s, wenn er unter Rekurs auf Schopenhauers Willensphilosophie