242 Schopenhauer als Erzieher
desselben und seiner Gattung daraus hervorgeht, und daher als Zweck jener
Anordnung sich darstellt. Theils aber ist die Zweckmäßigkeit eine äußere,
nämlich ein Verhältniß der unorganischen Natur zu der organischen über-
haupt, oder auch einzelner Theile der organischen Natur zu einander, welches
die Erhaltung der gesammten organischen Natur, oder auch einzelner Thiergat-
tungen, möglich macht" (ebd.). Anschließend folgen ausführliche Differenzie-
rungen zwischen innerer und äußerer Zweckmäßigkeit (vgl. WWV I, § 28,
Hü 184-192). Diese Naturteleologie gehört konstitutiv zu Schopenhauers Wil-
lensphilosophie.
Allerdings wendet sich Schopenhauer dezidiert gegen die teleologisch aus-
gerichtete Geschichtsphilosophie Hegels und den mit ihr verbundenen Opti-
mismus: In der Welt als Wille und Vorstellung II polemisiert er gegen die durch
die „verdummende Hegelsche Afterphilosophie" eingeführte Tendenz, „die
Weltgeschichte als ein planmäßiges Ganzes zu fassen, oder [...] ,sie organisch
zu konstruiren"' (WWV II, Kap. 38, Hü 505). Und in seiner Schrift Transscen-
dente Spekulation über die anscheinende Absichtlichkeit im Schicksale des Ein-
zelnen konstatiert Schopenhauer in impliziter Opposition zur Geschichtsphilo-
sophie Hegels: „nicht in der Weltgeschichte, wie die Professorenphilosophie
es wähnt, ist Plan und Ganzheit, sondern im Leben des Einzelnen. [...] Daher
ist die Weltgeschichte ohne direkte metaphysische Bedeutung: sie ist eigent-
lich bloß eine zufällige Konfiguration" (PP I, Hü 217). Vgl. auch NK 365, 29.
405, 22-23 Der Künstler macht sein Werk nach dem Willen der Natur] Hier
führt N. die bereits zuvor (ab 404, 17) feststellbare anthropomorphe Perspekti-
ve auf die Natur fort - analog zur Willensmetaphysik seines Lehrers Schopen-
hauer. Vgl. dazu außer Schopenhauers Hauptwerk Die Welt als Wille und Vor-
stellung auch seine Schrift Ueber den Willen in der Natur, deren Titel für diese
Grundtendenz signifikant ist. Vgl. dazu NK 404, 17.
405, 24-29 trotzdem weiss er dass niemals wieder jemand von diesen andern
Menschen sein Werk so verstehen und lieben wird wie er es selbst versteht und
liebt. Jener hohe und einzige Grad von Liebe und Verständniss ist also nach der
ungeschickten Verfügung der Natur nöthig, damit ein niedrigerer Grad entstehe]
Die Thematik des Verstehens, auf die N. hier zu sprechen kommt, ist durch
seine Beschäftigung mit Richard Wagner beeinflusst. „Verständniss" avanciert
in Wagners theoretischen Schriften zu einem zentralen Anliegen, auf das N. in
UB IV WB wiederholt rekurriert, etwa wenn er erklärt, dass Wagner als „die
gewaltigste Musiker-Natur, in ihrer Verzweifelung, zu den Halb- und Nicht-
Musikern reden zu müssen, den Zugang zu den anderen Künsten gewaltsam
erbrach, um so endlich mit hundertfacher Deutlichkeit sich mitzutheilen und
sich Verständniss, volksthümlichstes Verständniss zu erzwingen" (KSA 1, 468,
3-7). Vgl. auch NK 468, 3-7 und NK 502, 30-32.
desselben und seiner Gattung daraus hervorgeht, und daher als Zweck jener
Anordnung sich darstellt. Theils aber ist die Zweckmäßigkeit eine äußere,
nämlich ein Verhältniß der unorganischen Natur zu der organischen über-
haupt, oder auch einzelner Theile der organischen Natur zu einander, welches
die Erhaltung der gesammten organischen Natur, oder auch einzelner Thiergat-
tungen, möglich macht" (ebd.). Anschließend folgen ausführliche Differenzie-
rungen zwischen innerer und äußerer Zweckmäßigkeit (vgl. WWV I, § 28,
Hü 184-192). Diese Naturteleologie gehört konstitutiv zu Schopenhauers Wil-
lensphilosophie.
Allerdings wendet sich Schopenhauer dezidiert gegen die teleologisch aus-
gerichtete Geschichtsphilosophie Hegels und den mit ihr verbundenen Opti-
mismus: In der Welt als Wille und Vorstellung II polemisiert er gegen die durch
die „verdummende Hegelsche Afterphilosophie" eingeführte Tendenz, „die
Weltgeschichte als ein planmäßiges Ganzes zu fassen, oder [...] ,sie organisch
zu konstruiren"' (WWV II, Kap. 38, Hü 505). Und in seiner Schrift Transscen-
dente Spekulation über die anscheinende Absichtlichkeit im Schicksale des Ein-
zelnen konstatiert Schopenhauer in impliziter Opposition zur Geschichtsphilo-
sophie Hegels: „nicht in der Weltgeschichte, wie die Professorenphilosophie
es wähnt, ist Plan und Ganzheit, sondern im Leben des Einzelnen. [...] Daher
ist die Weltgeschichte ohne direkte metaphysische Bedeutung: sie ist eigent-
lich bloß eine zufällige Konfiguration" (PP I, Hü 217). Vgl. auch NK 365, 29.
405, 22-23 Der Künstler macht sein Werk nach dem Willen der Natur] Hier
führt N. die bereits zuvor (ab 404, 17) feststellbare anthropomorphe Perspekti-
ve auf die Natur fort - analog zur Willensmetaphysik seines Lehrers Schopen-
hauer. Vgl. dazu außer Schopenhauers Hauptwerk Die Welt als Wille und Vor-
stellung auch seine Schrift Ueber den Willen in der Natur, deren Titel für diese
Grundtendenz signifikant ist. Vgl. dazu NK 404, 17.
405, 24-29 trotzdem weiss er dass niemals wieder jemand von diesen andern
Menschen sein Werk so verstehen und lieben wird wie er es selbst versteht und
liebt. Jener hohe und einzige Grad von Liebe und Verständniss ist also nach der
ungeschickten Verfügung der Natur nöthig, damit ein niedrigerer Grad entstehe]
Die Thematik des Verstehens, auf die N. hier zu sprechen kommt, ist durch
seine Beschäftigung mit Richard Wagner beeinflusst. „Verständniss" avanciert
in Wagners theoretischen Schriften zu einem zentralen Anliegen, auf das N. in
UB IV WB wiederholt rekurriert, etwa wenn er erklärt, dass Wagner als „die
gewaltigste Musiker-Natur, in ihrer Verzweifelung, zu den Halb- und Nicht-
Musikern reden zu müssen, den Zugang zu den anderen Künsten gewaltsam
erbrach, um so endlich mit hundertfacher Deutlichkeit sich mitzutheilen und
sich Verständniss, volksthümlichstes Verständniss zu erzwingen" (KSA 1, 468,
3-7). Vgl. auch NK 468, 3-7 und NK 502, 30-32.