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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,4): Kommentar zu Nietzsches "Unzeitgemässen Betrachtungen": III. Schopenhauer als Erzieher, IV. Richard Wagner in Bayreuth — Berlin, Boston: de Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69928#0273
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246 Schopenhauer als Erzieher

fundamental. Denn hier distanziert sich N. im Zuge seiner radikalen Abgren-
zung von früheren Präferenzen sogar von Schopenhauer: „Der Schopen-
hauersche Mensch trieb mich zur Skepsis gegen alles Verehrte Hochgehal-
tene, bisher Vertheidigte (auch gegen Griechen Schopenhauer Wagner) Genie
Heilige - Pessimismus der Erkenntniss" (NL 1878, 27 [80], KSA 8, 500). - Wenn
demzufolge der Ideal-Typus des ,Schopenhauerschen Menschen' bei ihm sogar
die Abkehr von Schopenhauer und Wagner förderte, dann entsteht ein Kon-
trast zu den Konzepten im 4. Kapitel von UB III SE: Hier differenziert N. näm-
lich zwischen drei anthropologischen Entwürfen, „welche unsre neuere Zeit
hinter einander aufgestellt hat", und verbindet diese „drei Bilder des Men-
schen" dann mit den Namen dreier repräsentativer Persönlichkeiten der Geis-
tesgeschichte. Für ihn verkörpern „der Mensch Rousseau's, der Mensch Goe-
the's und endlich der Mensch Schopenhauer's" diametral entgegengesetzte
Lebenskonzepte (369, 1-5), die N. auf den anschließenden Textseiten (369-375)
dann konkreter charakterisiert. Während er das „Bild des Schopenhauerischen
Menschen" (371, 20) hier gemäß dem Charakter Schopenhauers positiv be-
schreibt, den er vor allem durch „Wahrhaftigkeit" ausgezeichnet sieht (371,
22), instrumentalisiert er den „Schopenhauerischen Menschen" im besagten
Nachlass-Notat von 1878 dann bereits zum Medium der Abgrenzung von seinem
früheren ,Erzieher' Schopenhauer und von dessen philosophischen Themen
(vgl. NL 1878, 27 [80], KSA 8, 500).
407, 15-17 die Wiedererzeugung Schopenhauers, das heisst des philosophischen
Genius vorzubereiten] Wenig später ist von der „Wiedergeburt des Philosophen"
die Rede (407, 19). In der Geburt der Tragödie glaubt N. bei Wagner die Wieder-
geburt' der antiken Tragödie erkennen zu können. Vgl. auch NK 386, 21-22.
407, 20-21 die Verschrobenheit der jetzigen Menschennatur] Die Vorstellung
des Verschrobenen' findet sich bereits in Schopenhauers Schrift Ueber die Uni-
versitäts-Philosophie, auf die N. in UB III SE wiederholt Bezug nimmt (vgl. dazu
vor allem Kapitel III.4 des Überblickskommentars). Bereits Schopenhauer
verwendet den Begriff „verschroben" im Zusammenhang mit zeitkritischen
Überlegungen zum Gelehrtentypus: So beschreibt er „unzählige Köpfe der
gegenwärtigen Gelehrtengeneration" als „von Grund aus verschroben und
verdorben", und zwar durch den Einfluss der „absolute[n] Unsinnsphiloso-
phie" Hegels (PP I, Hü 177).
407, 26-27 flausenhafte Begriffe wie „Fortschritt", „allgemeine Bildung", „Nati-
onal", „moderner Staat", „Culturkampf"] Gegen die Fortschrittsideologie seiner
Zeit, die auf dem Wissenschaftsoptimismus des 19. Jahrhunderts sowie auf den
Errungenschaften der Industrialisierung beruhte und nach dem Sieg der Deut-
schen im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 noch an Bedeutung ge-
 
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