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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,4): Kommentar zu Nietzsches "Unzeitgemässen Betrachtungen": III. Schopenhauer als Erzieher, IV. Richard Wagner in Bayreuth — Berlin, Boston: de Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69928#0277
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250 Schopenhauer als Erzieher

über Johanna Schopenhauer spiegelt einseitig die Antipathie ihres Sohnes wi-
der. Das konfliktreiche Mutter-Sohn-Verhältnis, das durch die Unvereinbarkeit
der beiden Charaktere und durch finanzielle Streitigkeiten entstand, ist durch
Lebenszeugnisse sowohl von Arthur Schopenhauer als auch von Johanna
Schopenhauer dokumentiert, vor allem durch Briefe (vgl. dazu die umfassende
Edition zum „Familienbriefwechsel" der Schopenhauers von Lütkehaus, 1991).
Die heftigen Auseinandersetzungen führten schließlich sogar zum Abbruch des
Kontaktes. - Johanna Schopenhauer (1766-1838) stammte wie ihr Mann Hein-
rich Floris Schopenhauer aus einer angesehenen Danziger Kaufmannsfamilie.
In ihrer Jugend erhielt sie eine für die damalige Zeit ungewöhnlich umfassende
Bildung: So erlangte sie Kenntnisse in Fremdsprachen sowie in Literatur und
Kunst, die sie später auch an ihren Sohn weitergab.
Nach dem Suizid ihres deutlich älteren kranken und depressiven Mannes
im Jahre 1805 versuchte sich die lebenslustige, temperamentvolle und kulturell
interessierte Johanna Schopenhauer eine neue Existenz aufzubauen, die so-
wohl ihren künstlerischen Neigungen als auch ihren sozialen Bedürfnissen
besser entsprach als das Leben während ihrer spannungsreichen Ehe. Gemein-
sam mit ihrer Tochter Adele zog sie 1806 nach Weimar, wo sie in Kontakt mit
Goethe kam und aufgrund ihrer ausgeprägten schöngeistigen Interessen und
ihres geselligen Talents als Gastgeberin bald zum gesellschaftlichen Mittel-
punkt eines literarischen Salons avancierte, in dem die kulturelle Elite Wei-
mars verkehrte. In der Folgezeit trat Johanna Schopenhauer auch selbst als
Autorin von Novellen, Romanen und Reisebeschreibungen hervor. Ihre Werke
erschienen 1831 in 24 Bänden im Verlag Brockhaus. Besondere Bekanntheit
erlangte ihr Roman Gabriele (1819-1820), der von Goethes Bildungsroman Wil-
helm Meisters Lehrjahre beeinflusst war. Da Johanna Schopenhauer in Weimar
den gesellschaftlichen Boykott gegen Christiane Vulpius durchbrach, gehörte
sie bald zu den gern gesehenen Gästen im Hause Goethes. Aufgrund wachsen-
der ökonomischer Schwierigkeiten zog sie 1829 mit ihrer Tochter Adele nach
Bonn und 1837 schließlich nach Jena, wo sie 1838 starb (vgl. Abendroth 1967,
12, 20; Zimmer 2014a, 2-6).
Während N. im vorliegenden Kontext konkret in biographischem Sinne von
Johanna Schopenhauer spricht, ist an früherer Stelle in UB III SE abstrakt und
metaphorisch von der „Mutter" Schopenhauers die Rede: „So strebte Schopen-
hauer [...] jener falschen, eiteln und unwürdigen Mutter, der Zeit, entgegen,
und indem er sie gleichsam aus sich auswies, reinigte und heilte er sein We-
sen" (362, 24-27). Tertium comparationis ist hier die Negativität des Zeitgemä-
ßen, dessen Abwehr nach N.s Überzeugung einen Durchbruch zu ,unzeitgemä-
ßer' Authentizität ermöglicht.
408, 25-28 Aber der stolze und republikanisch freie Charakter seines Vaters [...]
gab ihm das Erste, was ein Philosoph braucht, unbeugsame und rauhe Männlich-
 
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