262 Schopenhauer als Erzieher
spielt zugleich auf eine der Hauptanklagen gegen Platons Lehrer Sokrates an,
der wegen angeblicher Gottlosigkeit (Asebie) und Verführung der Jugend zum
Tode verurteilt wurde. - Indem N. dem antiken Philosophen Platon hypothe-
tisch Erfolg attestiert, schlägt er eine Brücke zu Aspekten seiner eigenen Kul-
turkritik: Ähnlich wie Schopenhauer in seiner Schrift Ueber die Universitäts-
Philosophie problematisiert auch N. die allzu enge Korrelation zwischen Philo-
sophie und Staat, die eine Instrumentalisierung der Philosophie zur Folge hat.
412, 31-32 verglichen mit der von ihm geträumten Herrschaft der „Göttersöh-
ne"] Platon: Nomoi (Die Gesetze) 739 d (naiöeq Oewv), 771 d: Kai EKaoTn poipa
Oeöv fi Oewv naiöa biffl^aavreg.
412, 32-34 Der moderne Staat ist nun zwar davon am weitesten entfernt, gerade
die Philosophen zu Herrschern zu machen] Hier spielt N. auf Konzepte an, die
Platon im Fünften Buch seiner Politeia entfaltet: „Wenn nicht, sprach ich, ent-
weder die Philosophen Könige werden in den Staaten oder die jetzt so genann-
ten Könige und Gewalthaber wahrhaft und gründlich philosophieren und also
dieses beides zusammenfällt, die Staatsgewalt und die Philosophie, die vieler-
lei Naturen aber, die jetzt zu jedem von beiden einzeln hinzunahen, durch eine
Notwendigkeit ausgeschlossen werden, eher gibt es keine Erholung von dem
Übel für die Staaten, lieber Glaukon, und ich denke auch nicht für das mensch-
liche Geschlecht." (Politeia V 473 c-d: „'Edv pf[ (qv 5' eyw) fi ol (piÄonocpoL ßaot-
äevowolv ev Täte; noÄEcnv fi ol ßamÄfc te vüv ÄEyopEvot Kai övvdoTat cpiÄo-
oocpfiocooi yvpenax; te Kai iKavwg Kai toüto eiq TavTov oupneon, övvaptq TE
noÄLTiKriKai (piÄonocpia, (twv öe vüv nopEvopevwv x^p'^ ^ eköltepov al noÄ-
Aai (pvoEiq g dvayKr^ anoKÄEtoOwenv) ovk eotl KaKwv naüÄa, w cpiÄE FAavKwv,
Tale; noÄEcn, öokw 5' ovöe TW avOpwnivw yevel")
413, 3-5 so ernst und aufrichtig, als ob es seine höchste Absicht dabei wäre,
neue Platone zu erzeugen] Hier spezifiziert N. eine frühere Aussage. Dort hatte
er sich für Schopenhauer eine größere „Einwirkung auf die Zeitgenossen"
gewünscht, um daran die Frage anzuschließen: „Und welche Hindernisse
müssten weggeräumt werden, damit vor allem sein Vorbild zur vollen Wirkung
komme, damit der Philosoph wieder Philosophen erziehe?" (404, 12-15).
413, 10-16 Die Erfahrung belehrt uns leider eines Bessern - oder Schlimmern:
sie sagt dass, in Hinsicht auf die grossen Philosophen von Natur, nichts ihrer
Erzeugung und Fortpflanzung so im Wege steht als die schlechten Philosophen
von Staatswegen. Ein peinlicher Gegenstand, nicht wahr? - bekanntlich derselbe,
auf den Schopenhauer in seiner berühmten Abhandlung über Universitätsphiloso-
phie zuerst die Augen gerichtet hat.] N. exponiert hier eine fundamentale Oppo-
sition, die der Grundtendenz von Schopenhauers Darlegungen in der Schrift
spielt zugleich auf eine der Hauptanklagen gegen Platons Lehrer Sokrates an,
der wegen angeblicher Gottlosigkeit (Asebie) und Verführung der Jugend zum
Tode verurteilt wurde. - Indem N. dem antiken Philosophen Platon hypothe-
tisch Erfolg attestiert, schlägt er eine Brücke zu Aspekten seiner eigenen Kul-
turkritik: Ähnlich wie Schopenhauer in seiner Schrift Ueber die Universitäts-
Philosophie problematisiert auch N. die allzu enge Korrelation zwischen Philo-
sophie und Staat, die eine Instrumentalisierung der Philosophie zur Folge hat.
412, 31-32 verglichen mit der von ihm geträumten Herrschaft der „Göttersöh-
ne"] Platon: Nomoi (Die Gesetze) 739 d (naiöeq Oewv), 771 d: Kai EKaoTn poipa
Oeöv fi Oewv naiöa biffl^aavreg.
412, 32-34 Der moderne Staat ist nun zwar davon am weitesten entfernt, gerade
die Philosophen zu Herrschern zu machen] Hier spielt N. auf Konzepte an, die
Platon im Fünften Buch seiner Politeia entfaltet: „Wenn nicht, sprach ich, ent-
weder die Philosophen Könige werden in den Staaten oder die jetzt so genann-
ten Könige und Gewalthaber wahrhaft und gründlich philosophieren und also
dieses beides zusammenfällt, die Staatsgewalt und die Philosophie, die vieler-
lei Naturen aber, die jetzt zu jedem von beiden einzeln hinzunahen, durch eine
Notwendigkeit ausgeschlossen werden, eher gibt es keine Erholung von dem
Übel für die Staaten, lieber Glaukon, und ich denke auch nicht für das mensch-
liche Geschlecht." (Politeia V 473 c-d: „'Edv pf[ (qv 5' eyw) fi ol (piÄonocpoL ßaot-
äevowolv ev Täte; noÄEcnv fi ol ßamÄfc te vüv ÄEyopEvot Kai övvdoTat cpiÄo-
oocpfiocooi yvpenax; te Kai iKavwg Kai toüto eiq TavTov oupneon, övvaptq TE
noÄLTiKriKai (piÄonocpia, (twv öe vüv nopEvopevwv x^p'^ ^ eköltepov al noÄ-
Aai (pvoEiq g dvayKr^ anoKÄEtoOwenv) ovk eotl KaKwv naüÄa, w cpiÄE FAavKwv,
Tale; noÄEcn, öokw 5' ovöe TW avOpwnivw yevel")
413, 3-5 so ernst und aufrichtig, als ob es seine höchste Absicht dabei wäre,
neue Platone zu erzeugen] Hier spezifiziert N. eine frühere Aussage. Dort hatte
er sich für Schopenhauer eine größere „Einwirkung auf die Zeitgenossen"
gewünscht, um daran die Frage anzuschließen: „Und welche Hindernisse
müssten weggeräumt werden, damit vor allem sein Vorbild zur vollen Wirkung
komme, damit der Philosoph wieder Philosophen erziehe?" (404, 12-15).
413, 10-16 Die Erfahrung belehrt uns leider eines Bessern - oder Schlimmern:
sie sagt dass, in Hinsicht auf die grossen Philosophen von Natur, nichts ihrer
Erzeugung und Fortpflanzung so im Wege steht als die schlechten Philosophen
von Staatswegen. Ein peinlicher Gegenstand, nicht wahr? - bekanntlich derselbe,
auf den Schopenhauer in seiner berühmten Abhandlung über Universitätsphiloso-
phie zuerst die Augen gerichtet hat.] N. exponiert hier eine fundamentale Oppo-
sition, die der Grundtendenz von Schopenhauers Darlegungen in der Schrift