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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,4): Kommentar zu Nietzsches "Unzeitgemässen Betrachtungen": III. Schopenhauer als Erzieher, IV. Richard Wagner in Bayreuth — Berlin, Boston: de Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69928#0288
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Stellenkommentar UB III SE 8, KSA 1, S. 411-412 261

thode. Er wird dadurch meistens ein rücksichtsvoller Lump" (PP II, Kap. 21,
§ 251, Hü 514). Indem Schopenhauer diese problematischen Verhaltensweisen
summiert, nennt er bereits wesentliche Charakteristika, die N. in der Gelehr-
tensatire von UB III SE dann mit maliziösem Esprit weiter ausgestaltet. In
UB III SE wirft N. Kant wenige Seiten später ein devotes Verhalten vor, das er
als „rücksichtsvoll" und „ohne Grösse" bezeichnet (vgl. NK 414, 15-19).

8.
411, 24-27 Freiheit und immer wieder Freiheit: dasselbe wunderbare und ge-
fährliche Element, in welchem die griechischen Philosophen aufwachsen durften]
Die Bedeutung der ökonomischen Unabhängigkeit nach dem Modell antiker
Philosophen betont bereits Schopenhauer in seiner Schrift Ueber die Universi-
täts-Philosophie: „Das Geldverdienen mit der Philosophie war und blieb, bei
den Alten, das Merkmal, welches den Sophisten vom Philosophen unter-
schied"; diese Differenz veranschaulicht Schopenhauer, indem er sie analogi-
siert mit dem Unterschied „zwischen den Mädchen, die sich aus Liebe hingege-
ben haben, und den bezahlten Freudenmädchen" (PP I, Hü 164). Dezidiert
erklärt er: „Der Wahrheit ist die Atmosphäre der Freiheit unentbehrlich" (PP I,
Hü 161), und das „wirkliche Philosophiren verlangt Unabhängigkeit" (PP I,
Hü 206). In dieser Hinsicht stimmt Schopenhauer (PP I, Hü 161, 206) mit N.
(SE 351, 353, 411-412, 425) überein. Denn beide betonen die Bedeutung eines
redlichen (PP I, Hü 202, 204; SE 348), nicht durch ökonomische Interessen ein-
geschränkten Engagements für die Wahrheit (PP I, Hü 152, 158, 163, 164, 166,
190, 196, 206; SE 351, 411, 425).
411, 27 Niebuhr] Barthold Georg Niebuhr (1776-1831), einer der bedeutendsten
Althistoriker des 19. Jahrhunderts, hielt an der Berliner Universität 1810 Vorle-
sungen über römische Geschichte, begründete die historische Quellenkritik
und beeinflusste Ranke und Mommsen maßgeblich. Während N. Ranke und
Mommsen kritisch bewertet, nennt er Niebuhr auch sonst im Frühwerk mit
Respekt, so in UB II HL (KSA 1, 254, 15-26; 266, 14-21). Von 1816 bis 1823 war
Niebuhr als preußischer Gesandter beim Vatikan tätig; seit 1823 wirkte er als
Professor an der Bonner Universität. Niebuhrs dreibändiges Hauptwerk trägt
den Titel Römische Geschichte (1811-1832). - Zu Niebuhr vgl. NK 254, 15.
412, 18-22 Plato hielt aus eben den Gründen die Aufrichtung eines ganz neuen
Staates für nothwendig, um die Entstehung des Philosophen nicht von der Unver-
nunft der Väter abhängig zu machen. Beinahe sieht es nun so aus, als ob Plato
wirklich etwas erreicht habe.] N. nimmt hier auf Platons Politeia Bezug und
 
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