260 Schopenhauer als Erzieher
Kai earai nüp de^wov" („Diese Weltordnung, dieselbige für alle Wesen, schuf
weder einer der Götter noch der Menschen, sondern sie war immer und ist und
wird sein ewig lebendiges Feuer"). Vgl. dazu detaillierter NK 1/1, 355-356.
411, 8 vitam impendere vero] Das Leben der Wahrheit weihen. Schopenhauer
übernimmt diese Maxime von Juvenal (Satiren IV 91) und stellt sie (jeweils auf
dem Titelblatt) den Bänden I und II seiner Parerga und Paralipomena als Motto
voran. Außerdem greift er in der Schrift Ueber die Universitäts-Philosophie im-
plizit auf dieses Juvenal-Zitat zurück, indem er den andersgearteten Präferen-
zen der von ihm kritisierten akademischen Philosophen das Wahrheitsethos
des ,echten' Philosophen gegenüberstellt: „Ueberhaupt aber, wie sollte der,
welcher für sich, nebst Weib und Kind, ein redliches Auskommen sucht, zu-
gleich sich der Wahrheit weihen? der Wahrheit, die zu allen Zeiten ein ge-
fährlicher Begleiter, ein überall unwillkommener Gast gewesen ist, - die ver-
muthlich auch deshalb nackt dargestellt wird, weil sie nichts mitbringt, nichts
auszutheilen hat, sondern nur ihrer selbst wegen gesucht seyn will. Zwei so
verschiedenen Herren, wie der Welt und der Wahrheit, die nichts, als den
Anfangsbuchstaben, gemein haben, läßt sich zugleich nicht dienen" (PP I,
Hü 163-164).
411, 11 der theoretische Mensch] Schon Aristoteles kontrastiert den theoreti-
schen Menschen, der sein Leben der Erkenntnis widmet, mit dem praktischen
Menschen. In der Geburt der Tragödie (vgl. GT 12-16) kritisiert N. Sokrates als
den Prototyp des „theoretischen Menschen" (KSA 1, 115, 8-9), dessen
Erkenntnisoptimismus an die Stelle der älteren, tragischen Weltbetrachtung
getreten sei. Die kritische Perspektive auf den Theoretischen Menschen' über-
trägt N. in UB III SE auf den Typus des Gelehrten und greift dabei zugleich auf
Schopenhauers Kritik an den Universitätsphilosophen zurück.
411, 13-14 „rücksichtsvoller Lump"] Mit dieser Formulierung betont N. eine
charakterliche Depravation des akademischen Nachwuchses und resümiert zu-
gleich zentrale Aspekte seiner Gelehrtensatire (394-399). Zugleich zitiert er hier
wörtlich aus Schopenhauers Parerga und Paralipomena II, nennt allerdings we-
der den Autor noch die konkrete Belegstelle. Im Kapitel „Ueber Gelehrsamkeit
und Gelehrte" attestiert Schopenhauer dem „deutsche[n] Gelehrte[n]" einen
strategischen Pragmatismus, mit dem er materielle Defizite zu kompensieren
versuche: „Der deutsche Gelehrte ist aber auch zu arm, um redlich und ehren-
haft seyn zu können. Daher ist drehn, winden, sich ackommodiren und seine
Ueberzeugung verleugnen, lehren und schreiben was er nicht glaubt, kriechen,
schmeicheln, Partei machen und Kameradschaft schließen, Minister, Große,
Kollegen, Studenten, Buchhändler, Recensenten, kurz, Alles eher, als die
Wahrheit und fremdes Verdienst, berücksichtigen, - sein Gang und seine Me-
Kai earai nüp de^wov" („Diese Weltordnung, dieselbige für alle Wesen, schuf
weder einer der Götter noch der Menschen, sondern sie war immer und ist und
wird sein ewig lebendiges Feuer"). Vgl. dazu detaillierter NK 1/1, 355-356.
411, 8 vitam impendere vero] Das Leben der Wahrheit weihen. Schopenhauer
übernimmt diese Maxime von Juvenal (Satiren IV 91) und stellt sie (jeweils auf
dem Titelblatt) den Bänden I und II seiner Parerga und Paralipomena als Motto
voran. Außerdem greift er in der Schrift Ueber die Universitäts-Philosophie im-
plizit auf dieses Juvenal-Zitat zurück, indem er den andersgearteten Präferen-
zen der von ihm kritisierten akademischen Philosophen das Wahrheitsethos
des ,echten' Philosophen gegenüberstellt: „Ueberhaupt aber, wie sollte der,
welcher für sich, nebst Weib und Kind, ein redliches Auskommen sucht, zu-
gleich sich der Wahrheit weihen? der Wahrheit, die zu allen Zeiten ein ge-
fährlicher Begleiter, ein überall unwillkommener Gast gewesen ist, - die ver-
muthlich auch deshalb nackt dargestellt wird, weil sie nichts mitbringt, nichts
auszutheilen hat, sondern nur ihrer selbst wegen gesucht seyn will. Zwei so
verschiedenen Herren, wie der Welt und der Wahrheit, die nichts, als den
Anfangsbuchstaben, gemein haben, läßt sich zugleich nicht dienen" (PP I,
Hü 163-164).
411, 11 der theoretische Mensch] Schon Aristoteles kontrastiert den theoreti-
schen Menschen, der sein Leben der Erkenntnis widmet, mit dem praktischen
Menschen. In der Geburt der Tragödie (vgl. GT 12-16) kritisiert N. Sokrates als
den Prototyp des „theoretischen Menschen" (KSA 1, 115, 8-9), dessen
Erkenntnisoptimismus an die Stelle der älteren, tragischen Weltbetrachtung
getreten sei. Die kritische Perspektive auf den Theoretischen Menschen' über-
trägt N. in UB III SE auf den Typus des Gelehrten und greift dabei zugleich auf
Schopenhauers Kritik an den Universitätsphilosophen zurück.
411, 13-14 „rücksichtsvoller Lump"] Mit dieser Formulierung betont N. eine
charakterliche Depravation des akademischen Nachwuchses und resümiert zu-
gleich zentrale Aspekte seiner Gelehrtensatire (394-399). Zugleich zitiert er hier
wörtlich aus Schopenhauers Parerga und Paralipomena II, nennt allerdings we-
der den Autor noch die konkrete Belegstelle. Im Kapitel „Ueber Gelehrsamkeit
und Gelehrte" attestiert Schopenhauer dem „deutsche[n] Gelehrte[n]" einen
strategischen Pragmatismus, mit dem er materielle Defizite zu kompensieren
versuche: „Der deutsche Gelehrte ist aber auch zu arm, um redlich und ehren-
haft seyn zu können. Daher ist drehn, winden, sich ackommodiren und seine
Ueberzeugung verleugnen, lehren und schreiben was er nicht glaubt, kriechen,
schmeicheln, Partei machen und Kameradschaft schließen, Minister, Große,
Kollegen, Studenten, Buchhändler, Recensenten, kurz, Alles eher, als die
Wahrheit und fremdes Verdienst, berücksichtigen, - sein Gang und seine Me-