270 Schopenhauer als Erzieher
tisch hält, weil sie seines Erachtens die Philosophie ihrer eigentlichen Aufgabe,
der unvoreingenommenen Wahrheitssuche, entfremden und die Philosophen
zu „philosophischen Diener[n]" des Staates depravieren lassen (415, 30-31): N.
vertritt die Auffassung, der Staat wähle Philosophen nach seinen Kriterien aus,
zwänge sie ins Korsett einer vorgeschriebenen Lehrtätigkeit und verpflichte sie
primär zu bloßer „Gelehrsamkeit" (415, 30 - 416, 28). Analog zu Thesen in
Schopenhauers Schrift Ueber die Universitäts-Philosophie grenzt auch N. vom
„Geschäft eines wahren Philosophen" (416, 34 - 417, 1) die „hauptsächlich als
Gelehrsamkeit" auftretende Philosophie dessen ab (416, 28), der sich lediglich
als „Philolog, Antiquar, Sprachkenner, Historiker" betätigt (417,4).
416, 14-15 seinem Genius zu folgen, wann dieser ruft und wohin dieser ruft]
Anwendung einer biblischen Vorstellung (nach Joh. 3, 8) auf die spezifische
Lebenssituation des Genies.
416, 32 Wühlen in zahllosen fremden und verkehrten Meinungen] Die Abgren-
zung von einer heteronomen Ausrichtung auf fremde Meinungen bestimmt
bereits die Anfangspassage von UB III SE: Hier beschreibt N. Feigheit und
Bequemlichkeit als anthropologische Konstanten, indem er zunächst den
menschlichen „Hang zur Faulheit" betont, um anschließend zu konstatieren:
„Manchen wird es dünken, er hätte richtiger und gültiger gesagt: sie sind
alle furchtsam. Sie verstecken sich unter Sitten und Meinungen" (337, 5-7).
Mit seiner Kritik an den „verkehrten Meinungen" orientiert sich N. an ähnli-
chen Formulierungen in Schopenhauers Aphorismen zur Lebensweisheit: Hier
wird „der Sklave fremder Meinung und fremden Bedünkens" zum Thema
(PP I, Hü 376). Wenig später empfiehlt Schopenhauer in dieser Schrift, „sich
klar zu machen, wie ganz falsch, verkehrt, irrig und absurd die meisten Mei-
nungen in den Köpfen der Menschen zu seyn pflegen, daher sie, an sich
selbst, keiner Beachtung werth sind" (PP I, Hü 381). N. reflektiert in UB III SE
auch über „die geplagten Sklaven der drei M, des Moments, der Meinungen
und der Moden" (392, 10-11). Vgl. dazu NK 392, 9-11.
416, 33 - 417, 1 Die gelehrte Historie des Vergangnen war nie das Geschäft eines
wahren Philosophen] Im Kontext dieser Stelle grenzt N. „den Genius", der sich
auf das Wesen der Dinge konzentriert, vom bloßen Philosophiehistoriker ab,
der sich auf „Kenntniss der Geschichte der Philosophie" (416, 29) beschränkt.
Dessen Präferenzen stellt N. pejorativ dar, indem er sie mit dem „Wühlen in
zahllosen fremden und verkehrten Meinungen" assoziiert (416, 32). Eine um-
fassende Weiterführung und Vertiefung der radikalen Kritik am Primat des His-
torischen auf Kosten des Lebens entfaltet N. in UB II HL.
417, 11-13 die gelehrten, doch nicht allzuwissenschaftlichen und leider gar zu
langweiligen Arbeiten Ritter's, Brandis und Zeller's] N. nennt hier exemplarisch
tisch hält, weil sie seines Erachtens die Philosophie ihrer eigentlichen Aufgabe,
der unvoreingenommenen Wahrheitssuche, entfremden und die Philosophen
zu „philosophischen Diener[n]" des Staates depravieren lassen (415, 30-31): N.
vertritt die Auffassung, der Staat wähle Philosophen nach seinen Kriterien aus,
zwänge sie ins Korsett einer vorgeschriebenen Lehrtätigkeit und verpflichte sie
primär zu bloßer „Gelehrsamkeit" (415, 30 - 416, 28). Analog zu Thesen in
Schopenhauers Schrift Ueber die Universitäts-Philosophie grenzt auch N. vom
„Geschäft eines wahren Philosophen" (416, 34 - 417, 1) die „hauptsächlich als
Gelehrsamkeit" auftretende Philosophie dessen ab (416, 28), der sich lediglich
als „Philolog, Antiquar, Sprachkenner, Historiker" betätigt (417,4).
416, 14-15 seinem Genius zu folgen, wann dieser ruft und wohin dieser ruft]
Anwendung einer biblischen Vorstellung (nach Joh. 3, 8) auf die spezifische
Lebenssituation des Genies.
416, 32 Wühlen in zahllosen fremden und verkehrten Meinungen] Die Abgren-
zung von einer heteronomen Ausrichtung auf fremde Meinungen bestimmt
bereits die Anfangspassage von UB III SE: Hier beschreibt N. Feigheit und
Bequemlichkeit als anthropologische Konstanten, indem er zunächst den
menschlichen „Hang zur Faulheit" betont, um anschließend zu konstatieren:
„Manchen wird es dünken, er hätte richtiger und gültiger gesagt: sie sind
alle furchtsam. Sie verstecken sich unter Sitten und Meinungen" (337, 5-7).
Mit seiner Kritik an den „verkehrten Meinungen" orientiert sich N. an ähnli-
chen Formulierungen in Schopenhauers Aphorismen zur Lebensweisheit: Hier
wird „der Sklave fremder Meinung und fremden Bedünkens" zum Thema
(PP I, Hü 376). Wenig später empfiehlt Schopenhauer in dieser Schrift, „sich
klar zu machen, wie ganz falsch, verkehrt, irrig und absurd die meisten Mei-
nungen in den Köpfen der Menschen zu seyn pflegen, daher sie, an sich
selbst, keiner Beachtung werth sind" (PP I, Hü 381). N. reflektiert in UB III SE
auch über „die geplagten Sklaven der drei M, des Moments, der Meinungen
und der Moden" (392, 10-11). Vgl. dazu NK 392, 9-11.
416, 33 - 417, 1 Die gelehrte Historie des Vergangnen war nie das Geschäft eines
wahren Philosophen] Im Kontext dieser Stelle grenzt N. „den Genius", der sich
auf das Wesen der Dinge konzentriert, vom bloßen Philosophiehistoriker ab,
der sich auf „Kenntniss der Geschichte der Philosophie" (416, 29) beschränkt.
Dessen Präferenzen stellt N. pejorativ dar, indem er sie mit dem „Wühlen in
zahllosen fremden und verkehrten Meinungen" assoziiert (416, 32). Eine um-
fassende Weiterführung und Vertiefung der radikalen Kritik am Primat des His-
torischen auf Kosten des Lebens entfaltet N. in UB II HL.
417, 11-13 die gelehrten, doch nicht allzuwissenschaftlichen und leider gar zu
langweiligen Arbeiten Ritter's, Brandis und Zeller's] N. nennt hier exemplarisch