Stellenkommentar UB III SE 8, KSA 1, S. 417-418 273
verwirklicht zu haben. So erklärt er im August 1884 in einem Brief an Franz
Overbeck: „Übrigens habe ich so gelebt, wie ich es mir selber (namentlich
in ,Schopenhauer als Erzieher') vorgezeichnet habe"; den „Fehler" dieser
Schrift erblickt er in der Retrospektive allerdings darin, „daß eigentlich in ihr
nicht von Schopenhauer, sondern fast nur von mir die Rede ist - aber das
wußte ich selber nicht, als ich sie machte" (KSB 6, Nr. 524, S. 518).
418, 7-9 Wie, wenn dieser Stossseufzer eben die Absicht des Staates wäre und
die „Erziehung zur Philosophie" nur eine Abziehung von der Philosophie? Man
frage sich.] Mit dieser rhetorischen Frage erwägt N. eine subversive Absicht
hinter der misslingenden Erziehung zur Philosophie, nämlich die Intention,
gerade durch das bloß simulierte Ziel, „die Erzeugung des philosophischen
Genius", „dessen Erzeugung zu verhindern" (418, 12-14).
418, 18-19 jedenfalls ist die Universitätsphilosophie einer allgemeinen Missach-
tung und Anzweifelung verfallen] Hier greift N. erneut auf Thesen in Schopen-
hauers Schrift Ueber die Universitäts-Philosophie zurück, die er wenige Zeilen
später (418, 21-22) auch explizit nennt. In dieser Schrift entfaltet Schopenhauer
eine kritische Retrospektive „auf das ganze Treiben mit der Philosophie auf
Universitäten, seit Kants Abgange" (PP I, Hü 192). Dabei behauptet er, dass
„die Leute, die von der Philosophie leben wollen, höchst selten eben Die seyn
werden, welche eigentlich für sie leben, bisweilen aber sogar Die seyn kön-
nen, welche versteckterweise gegen sie machiniren" (PP I, Hü 192). Die Akti-
vitäten solcher „Feinde der Philosophie" (PP I, Hü 196) hätten dann eine „Paro-
die der Philosophie" zur Folge, „die diese in Mißkredit" bringe (PP I, Hü 207)
und ihr mit der Würde auch die Achtung nehme. Bereits Schopenhauer zieht
eine radikale Konsequenz aus seiner kritischen Diagnose: Schon er plädiert -
wie in UB III SE auch N. (421) - entschieden für die Abschaffung (PP I, Hü 167,
192-193, 207-208) der allzu „lukrativen Philosophie" (PP I, Hü 159, 201), um
die ,echte' Philosophie zu fördern (PP I, Hü 207), die sich kompromisslos der
„Wahrheitsforschung" (PP I, Hü 149) verpflichtet fühlt. Ihm geht es darum, zu
verhindern (PP I, Hü 167), dass die Philosophie an den Universitäten zu einem
staatlich subventionierten ,Brotgewerbe' depraviert (PP I, Hü 164, 196, 207;
SE 398, 400, 411, 413). Vgl. ergänzend auch NK 368, 6 sowie das Kapitel III.4
im Überblickskommentar.
418, 24-30 Es sind die Erben und Nachkommen jener Afterdenker, denen er auf
die vielverdrehten Köpfe schlug: sie nehmen sich säuglings- und zwergenhaft ge-
nug aus, um an den indischen Spruch zu erinnern: „nach ihren Thaten werden
die Menschen geboren, dumm, stumm, taub, missgestaltet". Jene Väter verdien-
ten eine solche Nachkommenschaft, nach ihren „Thaten", wie der Spruch sagt.]
Dieses Zitat findet sich in zwei Büchern. Vgl. Adolf Wuttkes Geschichte des
verwirklicht zu haben. So erklärt er im August 1884 in einem Brief an Franz
Overbeck: „Übrigens habe ich so gelebt, wie ich es mir selber (namentlich
in ,Schopenhauer als Erzieher') vorgezeichnet habe"; den „Fehler" dieser
Schrift erblickt er in der Retrospektive allerdings darin, „daß eigentlich in ihr
nicht von Schopenhauer, sondern fast nur von mir die Rede ist - aber das
wußte ich selber nicht, als ich sie machte" (KSB 6, Nr. 524, S. 518).
418, 7-9 Wie, wenn dieser Stossseufzer eben die Absicht des Staates wäre und
die „Erziehung zur Philosophie" nur eine Abziehung von der Philosophie? Man
frage sich.] Mit dieser rhetorischen Frage erwägt N. eine subversive Absicht
hinter der misslingenden Erziehung zur Philosophie, nämlich die Intention,
gerade durch das bloß simulierte Ziel, „die Erzeugung des philosophischen
Genius", „dessen Erzeugung zu verhindern" (418, 12-14).
418, 18-19 jedenfalls ist die Universitätsphilosophie einer allgemeinen Missach-
tung und Anzweifelung verfallen] Hier greift N. erneut auf Thesen in Schopen-
hauers Schrift Ueber die Universitäts-Philosophie zurück, die er wenige Zeilen
später (418, 21-22) auch explizit nennt. In dieser Schrift entfaltet Schopenhauer
eine kritische Retrospektive „auf das ganze Treiben mit der Philosophie auf
Universitäten, seit Kants Abgange" (PP I, Hü 192). Dabei behauptet er, dass
„die Leute, die von der Philosophie leben wollen, höchst selten eben Die seyn
werden, welche eigentlich für sie leben, bisweilen aber sogar Die seyn kön-
nen, welche versteckterweise gegen sie machiniren" (PP I, Hü 192). Die Akti-
vitäten solcher „Feinde der Philosophie" (PP I, Hü 196) hätten dann eine „Paro-
die der Philosophie" zur Folge, „die diese in Mißkredit" bringe (PP I, Hü 207)
und ihr mit der Würde auch die Achtung nehme. Bereits Schopenhauer zieht
eine radikale Konsequenz aus seiner kritischen Diagnose: Schon er plädiert -
wie in UB III SE auch N. (421) - entschieden für die Abschaffung (PP I, Hü 167,
192-193, 207-208) der allzu „lukrativen Philosophie" (PP I, Hü 159, 201), um
die ,echte' Philosophie zu fördern (PP I, Hü 207), die sich kompromisslos der
„Wahrheitsforschung" (PP I, Hü 149) verpflichtet fühlt. Ihm geht es darum, zu
verhindern (PP I, Hü 167), dass die Philosophie an den Universitäten zu einem
staatlich subventionierten ,Brotgewerbe' depraviert (PP I, Hü 164, 196, 207;
SE 398, 400, 411, 413). Vgl. ergänzend auch NK 368, 6 sowie das Kapitel III.4
im Überblickskommentar.
418, 24-30 Es sind die Erben und Nachkommen jener Afterdenker, denen er auf
die vielverdrehten Köpfe schlug: sie nehmen sich säuglings- und zwergenhaft ge-
nug aus, um an den indischen Spruch zu erinnern: „nach ihren Thaten werden
die Menschen geboren, dumm, stumm, taub, missgestaltet". Jene Väter verdien-
ten eine solche Nachkommenschaft, nach ihren „Thaten", wie der Spruch sagt.]
Dieses Zitat findet sich in zwei Büchern. Vgl. Adolf Wuttkes Geschichte des