282 Schopenhauer als Erzieher
„die Veden" als „Frucht der höchsten menschlichen Erkenntniß und Weisheit,
deren Kern in den Upanischaden uns, als das größte Geschenk dieses Jahrhun-
derts, endlich zugekommen ist" (WWV I, § 63, Hü 419-420). Und wenig später
markiert Schopenhauer im Vergleich der Religionen unmissverständlich seine
Präferenzen: „In Indien fassen unsere Religionen nie und nimmermehr Wurzel:
die Urweisheit des Menschengeschlechts wird nicht von den Begebenheiten in
Galiläa verdrängt werden. Hingegen ströhmt Indische Weisheit nach Europa
zurück und wird eine Grundveränderung in unserm Wissen und Denken her-
vorbringen" (WWV I, § 63, Hü 421).
Bereits in der Vorrede zur ersten Auflage seines Hauptwerks bezeichnet
Schopenhauer die Kenntnis der Kantischen Philosophie als obligatorische Vo-
raussetzung für den Leser seines eigenen Werkes, empfiehlt ihm außerdem
Platon-Lektüre und fährt dann emphatisch fort: „Ist er aber gar noch der Wohl-
that der Veda's theilhaft geworden, deren uns durch die Upanischaden eröff-
neter Zugang, in meinen Augen, der größte Vorzug ist, den dieses noch junge
Jahrhundert vor den früheren aufzuweisen hat, indem ich vermuthe, daß der
Einfluß der Sanskrit-Litteratur nicht weniger tief eingreifen wird, als im
15. Jahrhundert die Wiederbelebung der Griechischen: hat also, sage ich, der
Leser auch schon die Weihe uralter Indischer Weisheit empfangen und emp-
fänglich aufgenommen; dann ist er auf das allerbeste bereitet zu hören, was
ich ihm vorgetragen habe" (WWV I, Hü XII).
424, 28-32 Wohin ist der Geist Friedrich August Wolf's verflogen, von dem
Franz Passow sagen konnte, er erscheine als ein ächt patriotischer, ächt humaner
Geist, der allenfalls die Kraft hätte, einen Welttheil in Gährung und Flammen zu
versetzen - wo ist dieser Geist hin?] Friedrich August Wolf (1759-1824) war als
klassischer Philologe und Pädagoge tätig und gehörte zu den Mitbegründern
der Berliner Universität, an der er seit 1810 als Professor wirkte. Aus zahlrei-
chen Nachlass-Fragmenten geht hervor, dass sich N. intensiv mit F. A. Wolf
beschäftigte und aus seinen Schriften exzerpierte. Vgl. in KSA 8 u. a. die folgen-
den Nachlass-Notate: NL 1875, 3 [7], 3 [10], 3 [33], 3 [34], 3 [44-47], KSA 8, 16-
17, 23-24, 26-27. - Der deutsche Altphilologe Franz Passow (1786-1833), der
Begründer des nach ihm benannten Griechischen Wörterbuchs, war seit 1815
als Professor in Breslau tätig. In N.s Bibliothek (NPB 431) befand sich die 5.
Auflage von Franz Passows Handwörterbuch der griechischen Sprache (1841/
1847). - Im vorliegenden Kontext von UB III SE zitiert N. aus einem Brief Pas-
sows an Heinrich Voß vom 30. November 1810 (vgl. Franz Passow's Leben und
Briefe, 1839, 141-142): „Man sage von Wolf, was man will: mir erscheint er nun
als ein ächt patriotischer, ächt humaner Geist, der allenfalls die Kraft hätte,
einen Welttheil in Gährung und Flammen zu setzen, von dem ich mir aber
„die Veden" als „Frucht der höchsten menschlichen Erkenntniß und Weisheit,
deren Kern in den Upanischaden uns, als das größte Geschenk dieses Jahrhun-
derts, endlich zugekommen ist" (WWV I, § 63, Hü 419-420). Und wenig später
markiert Schopenhauer im Vergleich der Religionen unmissverständlich seine
Präferenzen: „In Indien fassen unsere Religionen nie und nimmermehr Wurzel:
die Urweisheit des Menschengeschlechts wird nicht von den Begebenheiten in
Galiläa verdrängt werden. Hingegen ströhmt Indische Weisheit nach Europa
zurück und wird eine Grundveränderung in unserm Wissen und Denken her-
vorbringen" (WWV I, § 63, Hü 421).
Bereits in der Vorrede zur ersten Auflage seines Hauptwerks bezeichnet
Schopenhauer die Kenntnis der Kantischen Philosophie als obligatorische Vo-
raussetzung für den Leser seines eigenen Werkes, empfiehlt ihm außerdem
Platon-Lektüre und fährt dann emphatisch fort: „Ist er aber gar noch der Wohl-
that der Veda's theilhaft geworden, deren uns durch die Upanischaden eröff-
neter Zugang, in meinen Augen, der größte Vorzug ist, den dieses noch junge
Jahrhundert vor den früheren aufzuweisen hat, indem ich vermuthe, daß der
Einfluß der Sanskrit-Litteratur nicht weniger tief eingreifen wird, als im
15. Jahrhundert die Wiederbelebung der Griechischen: hat also, sage ich, der
Leser auch schon die Weihe uralter Indischer Weisheit empfangen und emp-
fänglich aufgenommen; dann ist er auf das allerbeste bereitet zu hören, was
ich ihm vorgetragen habe" (WWV I, Hü XII).
424, 28-32 Wohin ist der Geist Friedrich August Wolf's verflogen, von dem
Franz Passow sagen konnte, er erscheine als ein ächt patriotischer, ächt humaner
Geist, der allenfalls die Kraft hätte, einen Welttheil in Gährung und Flammen zu
versetzen - wo ist dieser Geist hin?] Friedrich August Wolf (1759-1824) war als
klassischer Philologe und Pädagoge tätig und gehörte zu den Mitbegründern
der Berliner Universität, an der er seit 1810 als Professor wirkte. Aus zahlrei-
chen Nachlass-Fragmenten geht hervor, dass sich N. intensiv mit F. A. Wolf
beschäftigte und aus seinen Schriften exzerpierte. Vgl. in KSA 8 u. a. die folgen-
den Nachlass-Notate: NL 1875, 3 [7], 3 [10], 3 [33], 3 [34], 3 [44-47], KSA 8, 16-
17, 23-24, 26-27. - Der deutsche Altphilologe Franz Passow (1786-1833), der
Begründer des nach ihm benannten Griechischen Wörterbuchs, war seit 1815
als Professor in Breslau tätig. In N.s Bibliothek (NPB 431) befand sich die 5.
Auflage von Franz Passows Handwörterbuch der griechischen Sprache (1841/
1847). - Im vorliegenden Kontext von UB III SE zitiert N. aus einem Brief Pas-
sows an Heinrich Voß vom 30. November 1810 (vgl. Franz Passow's Leben und
Briefe, 1839, 141-142): „Man sage von Wolf, was man will: mir erscheint er nun
als ein ächt patriotischer, ächt humaner Geist, der allenfalls die Kraft hätte,
einen Welttheil in Gährung und Flammen zu setzen, von dem ich mir aber