Stellenkommentar UB III SE 8, KSA 1, S. 425-426 285
insofern als eine enthusiastische Selbstüberschätzung zu entlarven versucht,
vollzieht er dezidiert eine ,unzeitgemäße' Inversion der „öffentlichen Meinung"
(KSA 1, 159, 16).
In seinem Spätwerk Ecce homo thematisiert N. das Problemfeld der „öffent-
liche[n] Meinung" im Rückblick auf seine Unzeitgemässen Betrachtungen. Dort
charakterisiert N. den Inhalt von UB I DS, indem er erklärt, der erste „Angriff"
dieser vier „kriegerisch[en]" Schriften habe „der deutschen Bildung" gegolten,
die er selbst für verachtenswert halte: „Ohne Sinn, ohne Substanz, ohne Ziel"
sei sie - „eine blosse ,öffentliche Meinung'. Kein bösartigeres Missverständniss
als zu glauben, der grosse Waffen-Erfolg der Deutschen beweise irgend Etwas
zu Gunsten dieser Bildung - oder gar ihren Sieg über Frankreich ..." (KSA 6,
316, 3-9).
425, 31 ingrata principibus nomina] Die den Herrschenden unangenehmen Na-
men. Konkret bezieht N. diese Vorstellung auf die Philosophie und auf die Ge-
schichte der spätrömischen Republik. Seiner Auffassung zufolge kann sich ge-
rade in derartigen Krisenzeiten, in denen die Freiheit gefährdet scheint, die
besondere „Würde der Philosophie erhöhen" (425, 28-29): „sie war am höch-
sten unter den Erdbeben der untergehenden römischen Republik und in der
Kaiserzeit" (425, 29-30).
425, 32 Brutus] Marcus Junius Brutus (85-42 v. Chr.) engagierte sich für die
alten republikanischen Werte und kämpfte gegen die autokratischen Tenden-
zen Caesars. Zusammen mit Cassius leitete Brutus im Jahre 44 v. Chr. die Ver-
schwörung gegen Caesar und hatte maßgeblichen Anteil an dessen Ermor-
dung. Als sich seine Hoffnung auf eine Wiederherstellung der alten Ordnung
gleichwohl zerschlug, verließ Brutus Ende August 44 Italien, um im anschlie-
ßenden Winter 44/43 gemeinsam mit Cassius die republikanische Idee im Os-
ten des römischen Reiches zu propagieren. Nachdem Brutus in der zweiten
Schlacht von Philippi mit seinem Heer gegen Antonius unterlegen war (Ende
Oktober 42), beging er Suizid.
426, 3-5 ein schwächliches Phantom unter dem Namen der Philosophie [...],
jene gelehrtenhafte Katheder-Weisheit und Katheder-Vorsicht] Vgl. dazu Scho-
penhauers Schrift Ueber die Universitäts-Philosophie, in der er gegen die staat-
lich besoldete „Kathederphilosophie" (PP I, Hü 149, 152, 153, 155) und gegen
die von ihr lebenden „Kathederphilosophen" polemisiert (PP I, Hü 168, 203).
426, 11-25 „Seht euch vor, sagt Emerson, wenn der grosse Gott einen Denker
auf unsern Planeten kommen lässt. Alles ist dann in Gefahr. [...] Ein neuer
Grad der Kultur würde augenblicklich das ganze System
menschlicher Bestrebungen einer Umwälzung unterwerfen."] N.
insofern als eine enthusiastische Selbstüberschätzung zu entlarven versucht,
vollzieht er dezidiert eine ,unzeitgemäße' Inversion der „öffentlichen Meinung"
(KSA 1, 159, 16).
In seinem Spätwerk Ecce homo thematisiert N. das Problemfeld der „öffent-
liche[n] Meinung" im Rückblick auf seine Unzeitgemässen Betrachtungen. Dort
charakterisiert N. den Inhalt von UB I DS, indem er erklärt, der erste „Angriff"
dieser vier „kriegerisch[en]" Schriften habe „der deutschen Bildung" gegolten,
die er selbst für verachtenswert halte: „Ohne Sinn, ohne Substanz, ohne Ziel"
sei sie - „eine blosse ,öffentliche Meinung'. Kein bösartigeres Missverständniss
als zu glauben, der grosse Waffen-Erfolg der Deutschen beweise irgend Etwas
zu Gunsten dieser Bildung - oder gar ihren Sieg über Frankreich ..." (KSA 6,
316, 3-9).
425, 31 ingrata principibus nomina] Die den Herrschenden unangenehmen Na-
men. Konkret bezieht N. diese Vorstellung auf die Philosophie und auf die Ge-
schichte der spätrömischen Republik. Seiner Auffassung zufolge kann sich ge-
rade in derartigen Krisenzeiten, in denen die Freiheit gefährdet scheint, die
besondere „Würde der Philosophie erhöhen" (425, 28-29): „sie war am höch-
sten unter den Erdbeben der untergehenden römischen Republik und in der
Kaiserzeit" (425, 29-30).
425, 32 Brutus] Marcus Junius Brutus (85-42 v. Chr.) engagierte sich für die
alten republikanischen Werte und kämpfte gegen die autokratischen Tenden-
zen Caesars. Zusammen mit Cassius leitete Brutus im Jahre 44 v. Chr. die Ver-
schwörung gegen Caesar und hatte maßgeblichen Anteil an dessen Ermor-
dung. Als sich seine Hoffnung auf eine Wiederherstellung der alten Ordnung
gleichwohl zerschlug, verließ Brutus Ende August 44 Italien, um im anschlie-
ßenden Winter 44/43 gemeinsam mit Cassius die republikanische Idee im Os-
ten des römischen Reiches zu propagieren. Nachdem Brutus in der zweiten
Schlacht von Philippi mit seinem Heer gegen Antonius unterlegen war (Ende
Oktober 42), beging er Suizid.
426, 3-5 ein schwächliches Phantom unter dem Namen der Philosophie [...],
jene gelehrtenhafte Katheder-Weisheit und Katheder-Vorsicht] Vgl. dazu Scho-
penhauers Schrift Ueber die Universitäts-Philosophie, in der er gegen die staat-
lich besoldete „Kathederphilosophie" (PP I, Hü 149, 152, 153, 155) und gegen
die von ihr lebenden „Kathederphilosophen" polemisiert (PP I, Hü 168, 203).
426, 11-25 „Seht euch vor, sagt Emerson, wenn der grosse Gott einen Denker
auf unsern Planeten kommen lässt. Alles ist dann in Gefahr. [...] Ein neuer
Grad der Kultur würde augenblicklich das ganze System
menschlicher Bestrebungen einer Umwälzung unterwerfen."] N.