Metadaten

Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,4): Kommentar zu Nietzsches "Unzeitgemässen Betrachtungen": III. Schopenhauer als Erzieher, IV. Richard Wagner in Bayreuth — Berlin, Boston: de Gruyter, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69928#0316
License: In Copyright
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Überblickskommentar
IV.1 Entstehungs- und Textgeschichte
Ursprünglich hatte N. wesentlich mehr als vier Unzeitgemässe Betrachtungen
geplant. In einem nachgelassenen Fragment von 1873/74 nennt er dreizehn
provisorische Titel: „Entwurf der ,Unzeitgemässen Betrachtungen'.
1. Der Bildungsphilister. / 2. Geschichte. / 3. Philosoph. / 4. Gelehrte. / 5. Kunst. /
6. Lehrer. / 7. Religion. / 8. Staat Krieg Nation. / 9. Presse. / 10. Naturwissen-
schaft. / 11. Volk Gesellschaft. / 12. Verkehr. / 13. Sprache" (NL 1873-74, 30 [38],
KSA 7, 744-745). Und am 20. Mai 1874 reflektiert N. die Ausgangskonstellation
in einem Brief an Richard Wagner sogar humoristisch: „Ich habe ein ganzes Nest
voll halbausgebrüteter Eier im Kopfe. Fruchtbarkeit verpflichtet, sagte die Katze
als sie 13 Junge warf" (KSB 4, Nr. 365, S. 230). Diesen Plan erhält N. auch am
25. Oktober 1874 noch aufrecht, wenn er Malwida von Meysenbug mitteilt, er
habe jetzt „drei von den 13 Betrachtungen fertig und die vierte spukt im Kopfe"
(KSB 4, Nr. 398, S. 268). Aber nach der Konzeption von UB IV Richard Wagner in
Bayreuth [= UB IV WB] hatte er an einer so weit ausgreifenden Unternehmung
schließlich kein Interesse mehr.
Nachdem UB III SE im Oktober 1874 erschienen war, wendete sich N. der
Konzeption seiner Schrift UB IV WB zu (KSA 1, 429-510). Deren Titel ,Richard
Wagner in Bayreuth' erscheint erstmals Anfang 1874 als Überschrift einer vor-
läufigen Gesamtdisposition in einer nachgelassenen Planskizze (NL 1874, 32
[18], KSA 7, 760). Den Titel nennt N. auch am 11. Februar 1874 in einem Brief an
seinen Freund Carl von Gersdorff (KSB 4, Nr. 345, S. 200). In nachgelassenen
Aufzeichnungen aus der gleichen Zeit (NL 1874, KSA 7, 753-775; 787-792) ist
seine zwischenzeitlich gewachsene Distanz zu Wagner deutlicher zu erkennen
als in der später publizierten Schrift UB IV WB, die den Zenit von N.s Wagner-
Kult, zugleich aber auch bereits dessen Umschlagspunkt markiert. Diese von
Irritationen keineswegs ungetrübte Eloge auf Wagner verfasste N. gezielt im
Hinblick auf die für den Sommer 1876 geplante Eröffnung des Bayreuther Fest-
spielhauses, um die repräsentative Institutionalisierung der Wagnerschen
Kunst zu feiern.
Die Briefe aus der Entstehungszeit von UB IV WB enthalten beinahe konti-
nuierlich Nachrichten zu den auf Bayreuth gerichteten Erwartungen, zu N.s
gravierenden, teilweise sogar krisenhaften gesundheitlichen Problemen und
zum Entstehungsprozess der Schrift selbst. Angesichts der Schwierigkeiten, auf
die Wagners Bayreuth-Pläne stießen, schreibt N. am 11. Februar 1874 an Malwi-
da von Meysenbug über das „Leiden um Bayreuth" und befürchtet sogar, dass
das Unternehmen „scheitert" (KSB 4, Nr. 344, S. 199). Aber schon vier Tage

https://d0i.org/10.1515/9783110677966-003
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften