294 Richard Wagner in Bayreuth
schrift Oper und Drama; darüber hinaus zieht N. aber auch eine ganze Reihe
weiterer Schriften Wagners heran. In den Stellenkommentaren werden diese
wichtigen Quellen umfassend dokumentiert. Hinzu kommen die Libretti zu
Wagners Opern, auf die N. wiederholt rekurriert.
Es lässt sich nicht sicher bestimmen, inwieweit sich N. auf Quellen stützt,
wenn er im 2. Kapitel von UB IV WB mit der Retrospektive auf Wagners Biogra-
phie beginnt, die er als „Drama seines Lebens" konzipiert (437, 1). Wahrschein-
lich gehen viele Details auf persönliche Gespräche mit Wagner zurück. Nicht
weniger als „23 Besuche" machte N. dem Komponisten im Zeitraum vom 17. Mai
1869 bis zum 25. April 1872 in der „Tribschener Welt" bei Luzern am Vierwald-
stätter See (KSB 3, Nr. 214, S. 317). Noch in seiner Spätschrift Ecce homo betont
N. die singuläre Bedeutung, die „der intimere Verkehr mit Richard Wagner"
für ihn gehabt habe: „ich möchte um keinen Preis die Tage von Tribschen aus
meinem Leben weggeben, Tage des Vertrauens, der Heiterkeit, der sublimen
Zufälle - der tiefen Augenblicke ... Ich weiss nicht, was Andre mit Wagner
erlebt haben: über unsern Himmel ist nie eine Wolke hinweggegangen"
(KSA 6, 288, 5-11). - In diesem verklärenden Rückblick eskamotiert N. aller-
dings alle Spannungen, Ambivalenzen und Vorbehalte, die in Notaten und
Briefen immer wieder deutlich zum Ausdruck kommen.
Seinem Freund Erwin Rohde berichtete N. bereits am 9. November 1868
über Wagners schauspielerhaftes Unterhaltungstalent, von dem er schon beim
ersten Kennenlernen am Tag zuvor einen prägenden Eindruck erhalten hatte:
„Nachher las er ein Stück aus seiner Biographie vor, die er jetzt schreibt, eine
überaus ergötzliche Scene aus seinem Leipziger Studienleben, an die ich jetzt
noch nicht ohne Gelächter denken kann; er schreibt übrigens außerordentlich
gewandt und geistreich" (KSB 2, Nr. 599, S. 341). - N. nahm später lebhaften
Anteil an der Entstehung von Wagners Autobiographie, die allerdings erst im
Jahre 1911 unter dem Titel Mein Leben erschien, fast drei Jahrzehnte nach Wag-
ners Tod. Das freundschaftliche Verhältnis hatte nicht nur für N., sondern auch
für Richard und Cosima Wagner einen besonderen Stellenwert (vgl. dazu die
Belege in Kapitel IV.3 dieses Überblickskommentars).
N.s Schrift Richard Wagner in Bayreuth bietet eine psychologische Analyse
von Wagners spannungsreichem und turbulentem Lebenslauf, in die zahlrei-
che Erfahrungen aus dem vertrauten persönlichen Umgang mit ihm eingeflos-
sen sind. Ihre besondere Intensität gewinnt die Darstellung offensichtlich aus
der besonderen Nähe zu Wagner, die es N. ermöglichte, sowohl das Faszinie-
rende als auch das Problematische an seinem Charakter zu diagnostizieren.
schrift Oper und Drama; darüber hinaus zieht N. aber auch eine ganze Reihe
weiterer Schriften Wagners heran. In den Stellenkommentaren werden diese
wichtigen Quellen umfassend dokumentiert. Hinzu kommen die Libretti zu
Wagners Opern, auf die N. wiederholt rekurriert.
Es lässt sich nicht sicher bestimmen, inwieweit sich N. auf Quellen stützt,
wenn er im 2. Kapitel von UB IV WB mit der Retrospektive auf Wagners Biogra-
phie beginnt, die er als „Drama seines Lebens" konzipiert (437, 1). Wahrschein-
lich gehen viele Details auf persönliche Gespräche mit Wagner zurück. Nicht
weniger als „23 Besuche" machte N. dem Komponisten im Zeitraum vom 17. Mai
1869 bis zum 25. April 1872 in der „Tribschener Welt" bei Luzern am Vierwald-
stätter See (KSB 3, Nr. 214, S. 317). Noch in seiner Spätschrift Ecce homo betont
N. die singuläre Bedeutung, die „der intimere Verkehr mit Richard Wagner"
für ihn gehabt habe: „ich möchte um keinen Preis die Tage von Tribschen aus
meinem Leben weggeben, Tage des Vertrauens, der Heiterkeit, der sublimen
Zufälle - der tiefen Augenblicke ... Ich weiss nicht, was Andre mit Wagner
erlebt haben: über unsern Himmel ist nie eine Wolke hinweggegangen"
(KSA 6, 288, 5-11). - In diesem verklärenden Rückblick eskamotiert N. aller-
dings alle Spannungen, Ambivalenzen und Vorbehalte, die in Notaten und
Briefen immer wieder deutlich zum Ausdruck kommen.
Seinem Freund Erwin Rohde berichtete N. bereits am 9. November 1868
über Wagners schauspielerhaftes Unterhaltungstalent, von dem er schon beim
ersten Kennenlernen am Tag zuvor einen prägenden Eindruck erhalten hatte:
„Nachher las er ein Stück aus seiner Biographie vor, die er jetzt schreibt, eine
überaus ergötzliche Scene aus seinem Leipziger Studienleben, an die ich jetzt
noch nicht ohne Gelächter denken kann; er schreibt übrigens außerordentlich
gewandt und geistreich" (KSB 2, Nr. 599, S. 341). - N. nahm später lebhaften
Anteil an der Entstehung von Wagners Autobiographie, die allerdings erst im
Jahre 1911 unter dem Titel Mein Leben erschien, fast drei Jahrzehnte nach Wag-
ners Tod. Das freundschaftliche Verhältnis hatte nicht nur für N., sondern auch
für Richard und Cosima Wagner einen besonderen Stellenwert (vgl. dazu die
Belege in Kapitel IV.3 dieses Überblickskommentars).
N.s Schrift Richard Wagner in Bayreuth bietet eine psychologische Analyse
von Wagners spannungsreichem und turbulentem Lebenslauf, in die zahlrei-
che Erfahrungen aus dem vertrauten persönlichen Umgang mit ihm eingeflos-
sen sind. Ihre besondere Intensität gewinnt die Darstellung offensichtlich aus
der besonderen Nähe zu Wagner, die es N. ermöglichte, sowohl das Faszinie-
rende als auch das Problematische an seinem Charakter zu diagnostizieren.