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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,4): Kommentar zu Nietzsches "Unzeitgemässen Betrachtungen": III. Schopenhauer als Erzieher, IV. Richard Wagner in Bayreuth — Berlin, Boston: de Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69928#0363
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336 Richard Wagner in Bayreuth

In den abschließenden Kapiteln 9 bis 11 exponiert N. einige Themen, die
Wagner selbst in seinen theoretischen Schriften traktiert hatte. Zunächst reflek-
tiert er im 9. Kapitel das „Dichterische in Wagner" (485, 15), also seine
„Wortsprache" (486, 7-8), um sich anschließend seiner künstlerischen Aus-
drucksabsicht als „Musiker" (490, 33) zuzuwenden. N. orientiert sich an
Wagners eigener ästhetischer Programmatik, wenn er seinen poetisch-musika-
lischen Impuls vorrangig durch „Gefühl" und „Leidenschaft" bestimmt sieht
und ihn insofern für naturhaft legitimiert hält: Als eine Kunst intensiven „Aus-
drucks", die auf „Mittheilung" und „Deutlichkeit" ziele, wirke sie nicht ab-
strakt-begrifflich, sondern sinnlich-erlebnishaft. Mit diesen Leitvorstellungen
bietet N. ein Konzentrat der Selbstinterpretation, die Wagner in seinen theoreti-
schen Schriften formuliert. Zugleich greift N. dabei auf die bereits seit der zwei-
ten Hälfte des 18. Jahrhunderts etablierte Kunstästhetik zurück. Nach ihren
inzwischen längst kanonisierten und überdies auch schon trivialisierten Prä-
missen soll Kunst authentischer Erlebnisausdruck sein. Auch N. charakterisiert
„die Kunst" demgemäß als „das Vermögen, Das an Andere mitzutheilen, was
man erlebt hat" (484, 31-32).
Im 10. Kapitel von UB IV WB wirft N. auch einen Blick auf Defizite des
„Schriftstellers" Wagner, die dieser im Hinblick auf seine theoretischen Schrif-
ten selbst freimütig bekannte (vgl. NK 502, 27 - 503, 8). - Nur wenige Jahre
vor der Niederschrift von UB IV WB setzte sich N. in UB I DS kritisch mit stilisti-
schen Schwächen und konzeptionellen Unzulänglichkeiten im Alterswerk Der
alte und der neue Glaube des Theologen David Friedrich Strauß auseinander:
So exponiert er im 12. Kapitel von UB I DS (KSA 1, 227-242) mit polemischer
Absicht eine „Sammlung von Stilproben" aus diesem Buch (KSA 1, 227, 31), um
Strauß nicht nur in inhaltlicher, sondern auch in sprachlicher Hinsicht zu dis-
kreditieren.
Im Schlusskapitel 11 von UB IV WB weist N. der Thematik der „Zukunft"
eine geradezu leitmotivische Bedeutung zu. Auch damit reagiert er auf Wag-
ner: Denn dieser lässt sein theoretisches Hauptwerk Oper und Drama in die
idealisierende Vision einer ,Zukunft' münden (GSD IV, 228-229), die allerdings
primär auf seine eigene Musik bezogen ist. Der gleichen Thematik widmete
Wagner seine Schrift „Zukunftsmusik". Mit dem von ihm selbst in Anführungs-
zeichen gesetzten Titel griff er die bereits durch den deutschen Musik-Rezen-
senten Bischoff lancierte Vorstellung einer ,Zukunftsmusik' auf (vgl. NK 481,
12). Besondere Bedeutung erhalten derartige Zukunftsvisionen in Wagners pro-
grammatischer Schrift Das Kunstwerk der Zukunft (GSD III, 42-177). - Wie sehr
auch N. selbst vorrangig an der Zukunft der Kunst interessiert ist, obwohl seine
idealische Perspektive einer besseren Zukunft der Menschheit insgesamt gilt,
zeigen seine Hervorhebungen in dem Satz: „es sind Töne aus jener zukünftigen
 
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