344 Richard Wagner in Bayreuth
wusstsein für die erhabene Dimension des Kampfes zu kultivieren und dabei
die „Lust am Rhythmus der grossen Leidenschaft" zu spüren (452). Die zentrale
Funktion der Kunst sieht N. darin, dass sie im allgemeinen Ungenügen Alterna-
tiven eröffne, die Komplexität des Lebens reduziere und einfachere Lösungen
für die „Lebens-Rätsel" (452) anbiete. Allerdings taugen diese „Vereinfachun-
gen der wirklichen Kämpfe des Lebens" (452) nicht als konkretes Handlungs-
modell, so dass „der Künstler" nicht als „Erzieher und Rathgeber" missverstan-
den werden dürfe (452). Durch ihren überpersönlichen Anspruch könne die
Kunst den Menschen aber helfen, die eigene Sterblichkeit zu bewältigen, und
zu einer Veredelung durch „die tragische Gesinnung" anleiten (453).
5.
Am Anfang des 5. Kapitels (454-461) erblickt N. Wagners Sonderrolle darin,
dass er auf eine für die Kunst ideale Weise als „Vereinfacher der Welt" fungiere
(454) und erstmals zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Leben
und Kunst, Musik und Drama vermittle. Dass in der modernen Zivilisation gera-
de die Musik ein unvergleichliches Potential erlangt habe (454), sieht N. wie
Wagner durch die Problematik einer Sprache begünstigt, die immer mehr in
die Abstraktion geraten sei und sich damit auf naturwidrige Weise erschöpft
habe. Durch ihre allgemeinen Begriffe eigne sie sich immer weniger dazu, der
ursprünglichen „starken Gefühlsregung" Ausdruck zu verleihen und die „ein-
fachsten Lebensnöthe" der Menschen wiederzugeben (455). Durch „ein tyran-
nisches Uebergewicht" konventionalisierter und dadurch entfremdeter Spra-
che werde auch das authentische Ausdruckspotential junger Künstler erdrückt
(455). Demgegenüber repräsentiere die Musik für Wagner echte und tiefe Emp-
findungen (456), mithin eine gereinigte und transformierte Natur, die sich in
einem Gegensatz zur Künstlichkeit der in allgemeinen Begriffen und Konventi-
onen erstarrten Sprache befinde.
Zustimmend referiert N. Wagners Perspektive auf das Verhältnis zwischen
einer authentischen „Hörwelt" und der bloßen Maskerade der modernen
„Schauwelt" (456): Der oberflächlichen Fassade einer „unsäglichen Buntheit"
(456), die bloß „Ohnmacht" und „Elend" kaschieren solle (457), stelle Wagner
mit seiner Musik die „wiedergefundene Sprache der richtigen Empfindung"
(458) und überpersönlichen Leidenschaftlichkeit gegenüber (457). Die „bewe-
gende und gestaltende Seele der Musik" wolle sich einen sichtbaren „Leib"
schaffen (458). So avanciere Wagners Musik zur legitimen „Führerin in eine
neue Schauwelt" (459), die auch den Bildenden Künsten zugute kommen kön-
ne. Durch die banal-behagliche Konsumhaltung bloß scheinbarer „Kunstfreun-
wusstsein für die erhabene Dimension des Kampfes zu kultivieren und dabei
die „Lust am Rhythmus der grossen Leidenschaft" zu spüren (452). Die zentrale
Funktion der Kunst sieht N. darin, dass sie im allgemeinen Ungenügen Alterna-
tiven eröffne, die Komplexität des Lebens reduziere und einfachere Lösungen
für die „Lebens-Rätsel" (452) anbiete. Allerdings taugen diese „Vereinfachun-
gen der wirklichen Kämpfe des Lebens" (452) nicht als konkretes Handlungs-
modell, so dass „der Künstler" nicht als „Erzieher und Rathgeber" missverstan-
den werden dürfe (452). Durch ihren überpersönlichen Anspruch könne die
Kunst den Menschen aber helfen, die eigene Sterblichkeit zu bewältigen, und
zu einer Veredelung durch „die tragische Gesinnung" anleiten (453).
5.
Am Anfang des 5. Kapitels (454-461) erblickt N. Wagners Sonderrolle darin,
dass er auf eine für die Kunst ideale Weise als „Vereinfacher der Welt" fungiere
(454) und erstmals zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Leben
und Kunst, Musik und Drama vermittle. Dass in der modernen Zivilisation gera-
de die Musik ein unvergleichliches Potential erlangt habe (454), sieht N. wie
Wagner durch die Problematik einer Sprache begünstigt, die immer mehr in
die Abstraktion geraten sei und sich damit auf naturwidrige Weise erschöpft
habe. Durch ihre allgemeinen Begriffe eigne sie sich immer weniger dazu, der
ursprünglichen „starken Gefühlsregung" Ausdruck zu verleihen und die „ein-
fachsten Lebensnöthe" der Menschen wiederzugeben (455). Durch „ein tyran-
nisches Uebergewicht" konventionalisierter und dadurch entfremdeter Spra-
che werde auch das authentische Ausdruckspotential junger Künstler erdrückt
(455). Demgegenüber repräsentiere die Musik für Wagner echte und tiefe Emp-
findungen (456), mithin eine gereinigte und transformierte Natur, die sich in
einem Gegensatz zur Künstlichkeit der in allgemeinen Begriffen und Konventi-
onen erstarrten Sprache befinde.
Zustimmend referiert N. Wagners Perspektive auf das Verhältnis zwischen
einer authentischen „Hörwelt" und der bloßen Maskerade der modernen
„Schauwelt" (456): Der oberflächlichen Fassade einer „unsäglichen Buntheit"
(456), die bloß „Ohnmacht" und „Elend" kaschieren solle (457), stelle Wagner
mit seiner Musik die „wiedergefundene Sprache der richtigen Empfindung"
(458) und überpersönlichen Leidenschaftlichkeit gegenüber (457). Die „bewe-
gende und gestaltende Seele der Musik" wolle sich einen sichtbaren „Leib"
schaffen (458). So avanciere Wagners Musik zur legitimen „Führerin in eine
neue Schauwelt" (459), die auch den Bildenden Künsten zugute kommen kön-
ne. Durch die banal-behagliche Konsumhaltung bloß scheinbarer „Kunstfreun-