346 Richard Wagner in Bayreuth
7.
Am Anfang des 7. Kapitels (466-472) kontrastiert N. die „Kleinheit und Ge-
brechlichkeit" der Normalexistenz mit der monumentalen Größe der Wagneri-
schen Natur (466), der man sich unterwerfen solle, um „an ihrer Kraft"
teilzuhaben (466). Den universellen Anspruch seiner Kunst, die sich im Span-
nungsfeld zwischen „Hörspiel" und „Schauspiel", zwischen innerer Erregung
und äußerer Form bewege, erfülle Wagner durch „Heranziehung aller Künste"
(467). So agiere der Komponist und dithyrambische „All-Dramatiker" (469) als
„Schauspieler, Dichter, Musiker" in Personalunion (467). Da Wagner aufgrund
seiner „schauspielerische[n] Urbegabung" (467) „in allen Künsten zugleich
denken" könne (468), ermöglicht er laut N. eine Kunst, die den „Widerstand
der Vernunft aufhebt" (468), Zustände rauschhafter Grenzüberschreitung er-
zeugt und den Urgrund des Tragischen schafft. N. hebt das ,Seelenwunder'
zwischen Erdverlangen und Himmelsstreben hervor (470-471), das die Beson-
derheit des „dithyrambischen Dramatikers" ausmache (471) und ihn dazu befä-
hige, die Geheimnisse der Natur zu offenbaren und das Spiel ihrer Ambivalen-
zen zu enthüllen. Der melodische Funke verdichte sich im „Reich der Bilder
und Begriffe" und münde in den Prozess eines „heroisch-übermüthigen Wol-
lens" sowie „eines wonnereichen Untergehens und Nicht-mehr-Wollens", aus
dem die Weisheit „des tragischen Gedankens" entstehe: die Tragödie (472).
8.
Im 8. Kapitel (472-484) beschreibt N. den Konflikt des Wagnerschen Genies
mit der feindlichen Umwelt. Die Idee einer fundamentalen Theaterreform habe
Wagners ganzes Wesen okkupiert. Durch seinen entschiedenen Willen zur
Macht und zur Wirkung sei er zunächst aber der Versuchung erlegen, sich an
den ästhetischen Strategien der künstlerischen Konkurrenz zu orientieren.
Denn Wagner sei von dem Gedanken beherrscht gewesen, „dass vom Theater
aus eine unvergleichliche Wirkung, die grösste Wirkung aller Kunst ausgeübt
werden könne" (472). Mit der großen Oper habe er seinem „herrschenden Ge-
danken" Ausdruck verleihen wollen (473). Erst auf seinem Weg zur Meister-
schaft sei ihm am Beispiel der Opern Meyerbeers allerdings die Fragwürdigkeit
purer Effekthascherei und einer Manipulation des Theaterpublikums durch
kalkulierte Kunstmittel bewusst geworden (474).
Überwunden habe Wagner solche Tendenzen in einem Läuterungsprozess
(474). So sei er schließlich „seinem eigensten Rhythmus" gefolgt (483): einer
inneren ästhetischen Notwendigkeit anstelle bloß äußerlicher Wirkungsstrate-
7.
Am Anfang des 7. Kapitels (466-472) kontrastiert N. die „Kleinheit und Ge-
brechlichkeit" der Normalexistenz mit der monumentalen Größe der Wagneri-
schen Natur (466), der man sich unterwerfen solle, um „an ihrer Kraft"
teilzuhaben (466). Den universellen Anspruch seiner Kunst, die sich im Span-
nungsfeld zwischen „Hörspiel" und „Schauspiel", zwischen innerer Erregung
und äußerer Form bewege, erfülle Wagner durch „Heranziehung aller Künste"
(467). So agiere der Komponist und dithyrambische „All-Dramatiker" (469) als
„Schauspieler, Dichter, Musiker" in Personalunion (467). Da Wagner aufgrund
seiner „schauspielerische[n] Urbegabung" (467) „in allen Künsten zugleich
denken" könne (468), ermöglicht er laut N. eine Kunst, die den „Widerstand
der Vernunft aufhebt" (468), Zustände rauschhafter Grenzüberschreitung er-
zeugt und den Urgrund des Tragischen schafft. N. hebt das ,Seelenwunder'
zwischen Erdverlangen und Himmelsstreben hervor (470-471), das die Beson-
derheit des „dithyrambischen Dramatikers" ausmache (471) und ihn dazu befä-
hige, die Geheimnisse der Natur zu offenbaren und das Spiel ihrer Ambivalen-
zen zu enthüllen. Der melodische Funke verdichte sich im „Reich der Bilder
und Begriffe" und münde in den Prozess eines „heroisch-übermüthigen Wol-
lens" sowie „eines wonnereichen Untergehens und Nicht-mehr-Wollens", aus
dem die Weisheit „des tragischen Gedankens" entstehe: die Tragödie (472).
8.
Im 8. Kapitel (472-484) beschreibt N. den Konflikt des Wagnerschen Genies
mit der feindlichen Umwelt. Die Idee einer fundamentalen Theaterreform habe
Wagners ganzes Wesen okkupiert. Durch seinen entschiedenen Willen zur
Macht und zur Wirkung sei er zunächst aber der Versuchung erlegen, sich an
den ästhetischen Strategien der künstlerischen Konkurrenz zu orientieren.
Denn Wagner sei von dem Gedanken beherrscht gewesen, „dass vom Theater
aus eine unvergleichliche Wirkung, die grösste Wirkung aller Kunst ausgeübt
werden könne" (472). Mit der großen Oper habe er seinem „herrschenden Ge-
danken" Ausdruck verleihen wollen (473). Erst auf seinem Weg zur Meister-
schaft sei ihm am Beispiel der Opern Meyerbeers allerdings die Fragwürdigkeit
purer Effekthascherei und einer Manipulation des Theaterpublikums durch
kalkulierte Kunstmittel bewusst geworden (474).
Überwunden habe Wagner solche Tendenzen in einem Läuterungsprozess
(474). So sei er schließlich „seinem eigensten Rhythmus" gefolgt (483): einer
inneren ästhetischen Notwendigkeit anstelle bloß äußerlicher Wirkungsstrate-