348 Richard Wagner in Bayreuth
„Hauch des Tragischen" (484), der ihn selbst dazu animiert, an den Heroismus
des einstigen „grossen Menschen" zu denken (484).
9.
Am Anfang des 9. Kapitels (484-496) vollzieht N. einen Themenwechsel, in-
dem er von der Biographie Wagners zur Charakterisierung seines Künstlertums
übergeht (484). N. sieht „die Grösse Wagner's" in der „dämonischen Mittheil-
barkeit seiner Natur", die in seiner Kunst zu einem „vulcanischen Ausbruche"
gelange (485). Nachdem N. zuerst das „Dichterische in Wagner" (485), sein
mythisches Denken und seine „Wortsprache" (486) thematisiert hat, wen-
det er sich seiner künstlerischen Intention als „Musiker" zu (490). Mit der
Überzeugung, der poetisch-musikalische Impuls Wagners sei primär durch
eine Erneuerung von „Innerlichkeit", „Gefühl" und „Leidenschaft" geprägt
(487-488), folgt N. der ästhetischen Programmatik des Komponisten, der im
Ring-Zyklus ein „ungeheures Gedankensystem ohne die begriffliche Form des
Gedankens" kreieren (485), die Sprache in ihren „Urzustand" vor aller Abstrak-
tion zurückversetzen und sie von ihren modernen „Verlusten und Verstümme-
lungen" heilen wolle, indem er sie singbar mache (486).
„Leidenschaft im Leben ist selten beredt" (488): So charakterisiert N. den
spezifischen Mangel des Wortdramas. Auch Wagners Opern seien nicht zur
Lektüre bestimmt. Vielmehr trage seine Musik die „Grundregungen" der Figu-
ren unmittelbar in die Seele des Publikums und ermögliche dadurch eine neue
Art des Miterlebens (488-489). In Wagners dramatischem Bauplan entstehe
die ästhetische Wirkung auf die Hörer allerdings keineswegs erst als kalkulier-
ter Effekt durch gezielt eingesetzte „Kunstgriffe" (489), sondern durch das Po-
tential einer musikalischen „Gefühlsrede" (489), die der gesprochenen Sprache
durch ihre besondere Eindringlichkeit überlegen sei.
Für die Zukunft prognostiziert N. einen „Wetteifer" ganzer Generationen
von Schauspielern und Sängern (490), um Wagners Opern in höchster Vollen-
dung darzustellen. Die Aufgabe der ausübenden Musiker erblickt er darin, in
den Hörern ein inneres Glück zu evozieren, das einen Zustand fern von „Zer-
streuung, Lustbarkeit oder Gelehrsamkeit" ermöglichen soll (490). „Allem in
der Natur" (490) habe Wagner mit seinen Kompositionen Ausdruck verliehen.
Die aus Furcht vor emotionalen Ekstasen zuvor noch in konventionelle Formen
gedrängte Musik habe erst Beethoven in seinen Kompositionen zu einer Spra-
che leidenschaftlicher Dramatik weiterentwickelt (491-492). Wagners unver-
gleichliche Leistung als Komponist sieht N. darin, dass er im Anschluss an
Beethovens Pionierarbeit Leidenschaft in der Musiksprache mit besonderer
„Hauch des Tragischen" (484), der ihn selbst dazu animiert, an den Heroismus
des einstigen „grossen Menschen" zu denken (484).
9.
Am Anfang des 9. Kapitels (484-496) vollzieht N. einen Themenwechsel, in-
dem er von der Biographie Wagners zur Charakterisierung seines Künstlertums
übergeht (484). N. sieht „die Grösse Wagner's" in der „dämonischen Mittheil-
barkeit seiner Natur", die in seiner Kunst zu einem „vulcanischen Ausbruche"
gelange (485). Nachdem N. zuerst das „Dichterische in Wagner" (485), sein
mythisches Denken und seine „Wortsprache" (486) thematisiert hat, wen-
det er sich seiner künstlerischen Intention als „Musiker" zu (490). Mit der
Überzeugung, der poetisch-musikalische Impuls Wagners sei primär durch
eine Erneuerung von „Innerlichkeit", „Gefühl" und „Leidenschaft" geprägt
(487-488), folgt N. der ästhetischen Programmatik des Komponisten, der im
Ring-Zyklus ein „ungeheures Gedankensystem ohne die begriffliche Form des
Gedankens" kreieren (485), die Sprache in ihren „Urzustand" vor aller Abstrak-
tion zurückversetzen und sie von ihren modernen „Verlusten und Verstümme-
lungen" heilen wolle, indem er sie singbar mache (486).
„Leidenschaft im Leben ist selten beredt" (488): So charakterisiert N. den
spezifischen Mangel des Wortdramas. Auch Wagners Opern seien nicht zur
Lektüre bestimmt. Vielmehr trage seine Musik die „Grundregungen" der Figu-
ren unmittelbar in die Seele des Publikums und ermögliche dadurch eine neue
Art des Miterlebens (488-489). In Wagners dramatischem Bauplan entstehe
die ästhetische Wirkung auf die Hörer allerdings keineswegs erst als kalkulier-
ter Effekt durch gezielt eingesetzte „Kunstgriffe" (489), sondern durch das Po-
tential einer musikalischen „Gefühlsrede" (489), die der gesprochenen Sprache
durch ihre besondere Eindringlichkeit überlegen sei.
Für die Zukunft prognostiziert N. einen „Wetteifer" ganzer Generationen
von Schauspielern und Sängern (490), um Wagners Opern in höchster Vollen-
dung darzustellen. Die Aufgabe der ausübenden Musiker erblickt er darin, in
den Hörern ein inneres Glück zu evozieren, das einen Zustand fern von „Zer-
streuung, Lustbarkeit oder Gelehrsamkeit" ermöglichen soll (490). „Allem in
der Natur" (490) habe Wagner mit seinen Kompositionen Ausdruck verliehen.
Die aus Furcht vor emotionalen Ekstasen zuvor noch in konventionelle Formen
gedrängte Musik habe erst Beethoven in seinen Kompositionen zu einer Spra-
che leidenschaftlicher Dramatik weiterentwickelt (491-492). Wagners unver-
gleichliche Leistung als Komponist sieht N. darin, dass er im Anschluss an
Beethovens Pionierarbeit Leidenschaft in der Musiksprache mit besonderer