Überblickskommentar, Kapitel IV.7: Rezeption 363
Kunst Wagner's, welche so zu den Menschen spricht. Daß wir Kinder eines
erbärmlichen Zeitalters ihren Ton zuerst hören durften, zeigt, wie würdig des
Erbarmens gerade dieses Zeitalter sein muß [...]'." Und im Anschluss an diese
kritischen Bewertungen stellt Eduard Hanslick summarisch fest: „Nietzsche
schlägt genau denselben Ton an, fast dieselben Worte, womit unsere Religions-
bücher von Jesus Christus sprechen" (ebd.). Zu Hanslick vgl. auch NK 433, 8-
11 und NK 497, 8-12. - Ähnlich akzentuiert Eduard Kulke seine Kritik im Text
Richard Wagner, seine Anhänger und seine Gegner (1884). Obwohl N. für ihn
,,[v]ielleicht der einseitigste, zugleich aber der hervorragendste von Wagners
Anhängern" ist, sieht er durch UB IV WB „den Geist des Widerspruchs aufs
heftigste" erregt, weil hier „Mysticismus" und Antirationalismus hervortreten.
Daher spricht Kulke ironisch von „Nietzsches aphoristischen Luftballonfahrten
im Reiche der Ideen" und konstatiert: „die Religion, zu welcher sich Friedrich
Nietzsche bekennt, ist in Bayreuth nicht gestiftet worden" (Kulke 1884, zitiert
nach Hauke Reich 2013, 520-521).
Richard Falckenberg hingegen bezweifelt in seiner ausführlichen Rezen-
sion zu UB IV WB im Musikalischen Wochenblatt (10./17. 11. 1876), dass N.s Un-
zeitgemässe Betrachtungen die verdiente „Beachtung gefunden haben" (zitiert
nach Hauke Reich 2013, 507). Falckenberg sieht in ihnen eine Fortführung von
Johann Gottlieb Fichtes kulturkritischen „Vorlesungen über die Grundzüge des
gegenwärtigen Zeitalters und Reden an die deutsche Nation" (vgl. Reich: ebd.,
508). Angesichts von UB IV WB hält Falckenberg N. für „Einen von den Weni-
gen [...], die Wagner wirklich verstanden haben" (ebd., 509), und würdigt vor
allem die durch N. „besonders lichtvoll und lehrreich" dargestellte „Musik des
Pathos" bei Wagner (ebd., 512). Zwei Jahre später erklärt Falckenberg ebenfalls
im Musikalischen Wochenblatt (3.5. 1878), N. habe in UB IV WB „mit festen Stri-
chen die gewaltige Gestalt des Allkünstlers genial und richtig umrissen" (zitiert
nach Reich 2013, 514). - Ein anonymer Rezensent rühmt an UB IV WB einen
„Hauch jugendlichster Begeisterung", der in diesen „sicher nur ,zeitgemäßen'
Betrachtungen" mit „packender Gewalt auf den Leser" wirke (ebd., 506). Und
N.s Verleger Ernst Schmeitzner kündigt am 15. November 1878 in einem Brief
an N. die französische Rezension an, die „ein begeisterter Wagnerfreund Mr.
Lequime im Brüsseler Artiste bringen wird" (KGB II, 6/2, Nr. 1126, S. 995).
Dankesbriefe kommen u. a. von Marie Baumgartner, der Mutter eines Stu-
denten von N., die bereits seine „dritte Unzeitgemässe [...] sehr schön ins Fran-
zösische übersetzt" hatte (KSB 5, Nr. 422, S. 16). Auch zu UB IV WB fertigte
Marie Baumgartner eine Übersetzung ins Französische an, die 1877 erschien
(vgl. KSA 14, 81; Schaberg 2002, 79-81). Auf UB IV WB reagierte sie sehr zu-
stimmend, indem sie diese Schrift als „ein Werk der ,Treue'" und als edlen
Gefühlsausdruck bezeichnete (KGB II 6/1, Nr. 795, S. 360). - Für Malwida von
Kunst Wagner's, welche so zu den Menschen spricht. Daß wir Kinder eines
erbärmlichen Zeitalters ihren Ton zuerst hören durften, zeigt, wie würdig des
Erbarmens gerade dieses Zeitalter sein muß [...]'." Und im Anschluss an diese
kritischen Bewertungen stellt Eduard Hanslick summarisch fest: „Nietzsche
schlägt genau denselben Ton an, fast dieselben Worte, womit unsere Religions-
bücher von Jesus Christus sprechen" (ebd.). Zu Hanslick vgl. auch NK 433, 8-
11 und NK 497, 8-12. - Ähnlich akzentuiert Eduard Kulke seine Kritik im Text
Richard Wagner, seine Anhänger und seine Gegner (1884). Obwohl N. für ihn
,,[v]ielleicht der einseitigste, zugleich aber der hervorragendste von Wagners
Anhängern" ist, sieht er durch UB IV WB „den Geist des Widerspruchs aufs
heftigste" erregt, weil hier „Mysticismus" und Antirationalismus hervortreten.
Daher spricht Kulke ironisch von „Nietzsches aphoristischen Luftballonfahrten
im Reiche der Ideen" und konstatiert: „die Religion, zu welcher sich Friedrich
Nietzsche bekennt, ist in Bayreuth nicht gestiftet worden" (Kulke 1884, zitiert
nach Hauke Reich 2013, 520-521).
Richard Falckenberg hingegen bezweifelt in seiner ausführlichen Rezen-
sion zu UB IV WB im Musikalischen Wochenblatt (10./17. 11. 1876), dass N.s Un-
zeitgemässe Betrachtungen die verdiente „Beachtung gefunden haben" (zitiert
nach Hauke Reich 2013, 507). Falckenberg sieht in ihnen eine Fortführung von
Johann Gottlieb Fichtes kulturkritischen „Vorlesungen über die Grundzüge des
gegenwärtigen Zeitalters und Reden an die deutsche Nation" (vgl. Reich: ebd.,
508). Angesichts von UB IV WB hält Falckenberg N. für „Einen von den Weni-
gen [...], die Wagner wirklich verstanden haben" (ebd., 509), und würdigt vor
allem die durch N. „besonders lichtvoll und lehrreich" dargestellte „Musik des
Pathos" bei Wagner (ebd., 512). Zwei Jahre später erklärt Falckenberg ebenfalls
im Musikalischen Wochenblatt (3.5. 1878), N. habe in UB IV WB „mit festen Stri-
chen die gewaltige Gestalt des Allkünstlers genial und richtig umrissen" (zitiert
nach Reich 2013, 514). - Ein anonymer Rezensent rühmt an UB IV WB einen
„Hauch jugendlichster Begeisterung", der in diesen „sicher nur ,zeitgemäßen'
Betrachtungen" mit „packender Gewalt auf den Leser" wirke (ebd., 506). Und
N.s Verleger Ernst Schmeitzner kündigt am 15. November 1878 in einem Brief
an N. die französische Rezension an, die „ein begeisterter Wagnerfreund Mr.
Lequime im Brüsseler Artiste bringen wird" (KGB II, 6/2, Nr. 1126, S. 995).
Dankesbriefe kommen u. a. von Marie Baumgartner, der Mutter eines Stu-
denten von N., die bereits seine „dritte Unzeitgemässe [...] sehr schön ins Fran-
zösische übersetzt" hatte (KSB 5, Nr. 422, S. 16). Auch zu UB IV WB fertigte
Marie Baumgartner eine Übersetzung ins Französische an, die 1877 erschien
(vgl. KSA 14, 81; Schaberg 2002, 79-81). Auf UB IV WB reagierte sie sehr zu-
stimmend, indem sie diese Schrift als „ein Werk der ,Treue'" und als edlen
Gefühlsausdruck bezeichnete (KGB II 6/1, Nr. 795, S. 360). - Für Malwida von