Stellenkommentar UB IV WB 1, KSA 1, S. 434 377
Darstellung in UB IV WB zufolge - auch konkret durch das Wagnersche Musik-
drama spezifizieren.
Inwiefern N. auch kritisch auf Tendenzen zur Überhöhung und religiösen
Stilisierung der Kunst reagiert, und zwar bereits während der Entstehungszeit
von UB IV WB und mit ausdrücklicher Bezugnahme auf Wagner, zeigt ein
nachgelassenes Notat von 1874. Dort charakterisiert N. „Wagner's Kunst" als
„überfliegend und transscendental" und fragt sich sogar: „was soll unsre arme
deutsche Niedrigkeit damit anfangen!" (NL 1874, 32 [44], KSA 7, 767). Anschlie-
ßend attestiert er der Musik Wagners eine eskapistische Grundtendenz: Indem
sie „der absterbenden Religion einen Theil ihrer Kraft" abnehme, praktiziere
sie durch „magische Zaubereien der Beleuchtung" eine Art „Flucht aus dieser
Welt", verhindere dabei durch deren Negation eine Bewältigung der Realität
und ziele stattdessen auf ein „Hinwegtäuschen des Wirklichen" (NL 1874, 32
[44], KSA 7, 767-768). Symptomatisch erscheint in diesem Kontext N.s hypothe-
tische Spekulation, „dass vielleicht bald einmal die Kultur nur noch in der
Form klosterhaft abgeschiedener Sekten existirt: die sich zu der umgebenden
Welt ablehnend verhalten" (NL 1874, 32 [44], KSA 7, 768). Dass N. selbst mit
solchen Ausprägungen esoterischer Gruppenbildung in der Kultur durchaus
sympathisiert, erhellt daraus, dass er in einem „sectirerischen Character" der
Kunst sogar deren „Stärke" erblickt: Denn „sie ist extrem" und nötigt den Men-
schen daher zur „unbedingte[n] Entscheidung" (ebd.).
434, 17 an jenem Maitage des Jahres 1872] Am 22. Mai 1872 fand die Grund-
steinlegung für das Festspielhaus in Bayreuth statt, der dann am 13. August
1876 die feierliche Eröffnung folgte.
434, 28-30 Was mag Alexander der Grosse in jenem Augenblicke gesehen ha-
ben, als er Asien und Europa aus Einem Mischkrug trinken liess?] Der griechi-
sche Historiker Arrian, also Lucius Flavius Arrianos (ca. 86-160 n. Chr.), der
ein Schüler Epiktets war, erzählt in einem umfangreichen, aus sieben Büchern
bestehenden Werk die Geschichte der Feldzüge Alexanders des Großen
(AAgdvöpov dvdßamq). Die Episode, auf die N. hier anspielt, findet sich im
7. Buch (11. Kapitel): „Zum Dank brachte Alexander den Göttern Opfer, denen
das Herkommen zu opfern gebot, und hielt ein allgemeines Festmahl, wobei
er sich in ihrer aller Mitte niederließ, die Makedonen um ihn herum, anschlie-
ßend die Perser und dahinter die nach Rang und Verdienst besonders geachte-
ten Persönlichkeiten der anderen Völker. Dabei schöpften er und die, die in
seiner Nähe waren, gemeinsam aus einem Mischkrug (and tov avTOÜ
KpaTfjpoq; VII, 11, 8) und brachten ihre Trankopfer, wobei griechische Seher
wie persische Magier die Gebete sprachen. Neben anderem Segen erflehte er
dabei Eintracht und das Gefühl von Zusammengehörigkeit in einem Reiche für
Darstellung in UB IV WB zufolge - auch konkret durch das Wagnersche Musik-
drama spezifizieren.
Inwiefern N. auch kritisch auf Tendenzen zur Überhöhung und religiösen
Stilisierung der Kunst reagiert, und zwar bereits während der Entstehungszeit
von UB IV WB und mit ausdrücklicher Bezugnahme auf Wagner, zeigt ein
nachgelassenes Notat von 1874. Dort charakterisiert N. „Wagner's Kunst" als
„überfliegend und transscendental" und fragt sich sogar: „was soll unsre arme
deutsche Niedrigkeit damit anfangen!" (NL 1874, 32 [44], KSA 7, 767). Anschlie-
ßend attestiert er der Musik Wagners eine eskapistische Grundtendenz: Indem
sie „der absterbenden Religion einen Theil ihrer Kraft" abnehme, praktiziere
sie durch „magische Zaubereien der Beleuchtung" eine Art „Flucht aus dieser
Welt", verhindere dabei durch deren Negation eine Bewältigung der Realität
und ziele stattdessen auf ein „Hinwegtäuschen des Wirklichen" (NL 1874, 32
[44], KSA 7, 767-768). Symptomatisch erscheint in diesem Kontext N.s hypothe-
tische Spekulation, „dass vielleicht bald einmal die Kultur nur noch in der
Form klosterhaft abgeschiedener Sekten existirt: die sich zu der umgebenden
Welt ablehnend verhalten" (NL 1874, 32 [44], KSA 7, 768). Dass N. selbst mit
solchen Ausprägungen esoterischer Gruppenbildung in der Kultur durchaus
sympathisiert, erhellt daraus, dass er in einem „sectirerischen Character" der
Kunst sogar deren „Stärke" erblickt: Denn „sie ist extrem" und nötigt den Men-
schen daher zur „unbedingte[n] Entscheidung" (ebd.).
434, 17 an jenem Maitage des Jahres 1872] Am 22. Mai 1872 fand die Grund-
steinlegung für das Festspielhaus in Bayreuth statt, der dann am 13. August
1876 die feierliche Eröffnung folgte.
434, 28-30 Was mag Alexander der Grosse in jenem Augenblicke gesehen ha-
ben, als er Asien und Europa aus Einem Mischkrug trinken liess?] Der griechi-
sche Historiker Arrian, also Lucius Flavius Arrianos (ca. 86-160 n. Chr.), der
ein Schüler Epiktets war, erzählt in einem umfangreichen, aus sieben Büchern
bestehenden Werk die Geschichte der Feldzüge Alexanders des Großen
(AAgdvöpov dvdßamq). Die Episode, auf die N. hier anspielt, findet sich im
7. Buch (11. Kapitel): „Zum Dank brachte Alexander den Göttern Opfer, denen
das Herkommen zu opfern gebot, und hielt ein allgemeines Festmahl, wobei
er sich in ihrer aller Mitte niederließ, die Makedonen um ihn herum, anschlie-
ßend die Perser und dahinter die nach Rang und Verdienst besonders geachte-
ten Persönlichkeiten der anderen Völker. Dabei schöpften er und die, die in
seiner Nähe waren, gemeinsam aus einem Mischkrug (and tov avTOÜ
KpaTfjpoq; VII, 11, 8) und brachten ihre Trankopfer, wobei griechische Seher
wie persische Magier die Gebete sprachen. Neben anderem Segen erflehte er
dabei Eintracht und das Gefühl von Zusammengehörigkeit in einem Reiche für