412 Richard Wagner in Bayreuth
Dass N. mit dem Prinzip historischer Analogiebildung an die akademische
Antrittsvorlesung Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalge-
schichte? anknüpft, die Schiller am 26. Mai 1789 als Professor an der Universität
Jena gehalten hat, zeigt sein Schiller-Zitat in UB II HL (KSA 1, 291, 12-18). N.,
der auch in einem Nachlass-Notat aus der Entstehungszeit der Historienschrift
explizit auf Schillers Konzept der Geschichte verweist (NL 1873, 29 [124], KSA 7,
687), reflektiert die Korrelation zwischen Zufall und Notwendigkeit, zwischen
objektivem Blick und subjektiver Projektion. Dann beruft er sich auf „Schiller",
der „vom Historiker sagt: ,eine Erscheinung nach der anderen fängt an, sich
dem blinden Ohngefähr, der gesetzlosen Freiheit zu entziehen und sich einem
übereinstimmenden Ganzen - das freilich nur in seiner Vorstellung
vorhanden ist - als ein passendes Glied einzureihen"' (KSA 1, 291, 12-18).
Damit übernimmt N. wörtlich eine Aussage aus der Jenaer Antrittsvorle-
sung Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?, in der
Schiller auf Tendenzen des „philosophische[n] Geist[es]" eingeht, „Stoffe der
Weltgeschichte [...] seiner eigenen vernünftigen Natur zu assimilieren" und in-
folgedessen historische Kausalzusammenhänge teleologisch zu deuten: „Je öf-
ter also und mit je glücklicherm Erfolge er den Versuch erneuert, das Vergange-
ne mit dem Gegenwärtigen zu verknüpfen: desto mehr wird er geneigt, was er
als Ursache und Wirkung in einander greifen sieht, als Mittel und Absicht zu
verbinden. Eine Erscheinung nach der andern fängt an, sich dem blinden Ohn-
gefähr, der gesetzlosen Freiheit zu entziehen, und sich einem übereinstimmen-
den Ganzen (das freilich nur in seiner Vorstellung vorhanden ist) als ein pas-
sendes Glied anzureihen" (Schiller: FA, Bd. 6, 427-428). Kurz zuvor befürwortet
Schiller das Verfahren historischer Analogiebildung, allerdings nicht ohne ge-
wisse Vorbehalte: „Die Methode, nach der Analogie zu schließen, ist, wie über-
all so auch in der Geschichte ein mächtiges Hülfsmittel: aber sie muß durch
einen erheblichen Zweck gerechtfertigt, und mit eben soviel Vorsicht als Beur-
teilung in Ausübung gebracht werden" (Schiller: FA, Bd. 6, 427).
Während N. auf Schiller als Quelle rekurrierte, benutzte dieser August Lud-
wig Schlözers Werk Vorstellung einer Universal-Historie (1772) sowie einige
Schriften Herders und Kants. Nach Schlözers Auffassung entdeckt der Histori-
ker im menschlichen Handeln „überall eine frappante Uebereinstimmung und
Aehnlichkeit"; allerdings kritisiert Schlözer eine Geschichtsschreibung, welche
die Lücken der Überlieferung mit eigenen Spekulationen zu schließen ver-
sucht: „Wo nichts ist, da meldet die Weltgeschichte nichts [...] Die Lücken, die
dadurch notwendig im Zusammenhänge der Begebenheiten entstehen, füllt sie
nicht durch Hypothesen und Visionen aus, sondern sie zeigt sie nur an" (ebd.,
36 sowie 41-42). - Kant reflektiert in seiner Schrift Muthmaßlicher Anfang der
Menschengeschichte von 1786 ebenfalls die Möglichkeit hypothetischer Rekon-
Dass N. mit dem Prinzip historischer Analogiebildung an die akademische
Antrittsvorlesung Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalge-
schichte? anknüpft, die Schiller am 26. Mai 1789 als Professor an der Universität
Jena gehalten hat, zeigt sein Schiller-Zitat in UB II HL (KSA 1, 291, 12-18). N.,
der auch in einem Nachlass-Notat aus der Entstehungszeit der Historienschrift
explizit auf Schillers Konzept der Geschichte verweist (NL 1873, 29 [124], KSA 7,
687), reflektiert die Korrelation zwischen Zufall und Notwendigkeit, zwischen
objektivem Blick und subjektiver Projektion. Dann beruft er sich auf „Schiller",
der „vom Historiker sagt: ,eine Erscheinung nach der anderen fängt an, sich
dem blinden Ohngefähr, der gesetzlosen Freiheit zu entziehen und sich einem
übereinstimmenden Ganzen - das freilich nur in seiner Vorstellung
vorhanden ist - als ein passendes Glied einzureihen"' (KSA 1, 291, 12-18).
Damit übernimmt N. wörtlich eine Aussage aus der Jenaer Antrittsvorle-
sung Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?, in der
Schiller auf Tendenzen des „philosophische[n] Geist[es]" eingeht, „Stoffe der
Weltgeschichte [...] seiner eigenen vernünftigen Natur zu assimilieren" und in-
folgedessen historische Kausalzusammenhänge teleologisch zu deuten: „Je öf-
ter also und mit je glücklicherm Erfolge er den Versuch erneuert, das Vergange-
ne mit dem Gegenwärtigen zu verknüpfen: desto mehr wird er geneigt, was er
als Ursache und Wirkung in einander greifen sieht, als Mittel und Absicht zu
verbinden. Eine Erscheinung nach der andern fängt an, sich dem blinden Ohn-
gefähr, der gesetzlosen Freiheit zu entziehen, und sich einem übereinstimmen-
den Ganzen (das freilich nur in seiner Vorstellung vorhanden ist) als ein pas-
sendes Glied anzureihen" (Schiller: FA, Bd. 6, 427-428). Kurz zuvor befürwortet
Schiller das Verfahren historischer Analogiebildung, allerdings nicht ohne ge-
wisse Vorbehalte: „Die Methode, nach der Analogie zu schließen, ist, wie über-
all so auch in der Geschichte ein mächtiges Hülfsmittel: aber sie muß durch
einen erheblichen Zweck gerechtfertigt, und mit eben soviel Vorsicht als Beur-
teilung in Ausübung gebracht werden" (Schiller: FA, Bd. 6, 427).
Während N. auf Schiller als Quelle rekurrierte, benutzte dieser August Lud-
wig Schlözers Werk Vorstellung einer Universal-Historie (1772) sowie einige
Schriften Herders und Kants. Nach Schlözers Auffassung entdeckt der Histori-
ker im menschlichen Handeln „überall eine frappante Uebereinstimmung und
Aehnlichkeit"; allerdings kritisiert Schlözer eine Geschichtsschreibung, welche
die Lücken der Überlieferung mit eigenen Spekulationen zu schließen ver-
sucht: „Wo nichts ist, da meldet die Weltgeschichte nichts [...] Die Lücken, die
dadurch notwendig im Zusammenhänge der Begebenheiten entstehen, füllt sie
nicht durch Hypothesen und Visionen aus, sondern sie zeigt sie nur an" (ebd.,
36 sowie 41-42). - Kant reflektiert in seiner Schrift Muthmaßlicher Anfang der
Menschengeschichte von 1786 ebenfalls die Möglichkeit hypothetischer Rekon-