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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,4): Kommentar zu Nietzsches "Unzeitgemässen Betrachtungen": III. Schopenhauer als Erzieher, IV. Richard Wagner in Bayreuth — Berlin, Boston: de Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69928#0534
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Stellenkommentar UB IV WB 8, KSA 1, S. 479 507

senschaftlicher Erkenntnis stellt Schopenhauer in seinen Parerga und Paralipo-
mena II die Bedeutung der Intuition gegenüber, indem er betont, dass „jedem
großen Gedanken" stets „eine intuitive Einsicht" zugrunde liege (PP II, Kap. 3,
§ 36, Hü 54). Aufgrund der instrumentellen Funktion des Intellekts im Dienste
des Willens sieht Schopenhauer die Einsicht allerdings oftmals durch Absich-
ten verfälscht (WWV II, Kap. 19, Hü 245). Nur unter der Voraussetzung einer
willensfreien Kontemplation, die Schopenhauer als conditio sine qua non
künstlerischer und philosophischer Erkenntnis betrachtet, sei diese Problema-
tik zu vermeiden. In seiner Schrift Ueber die Universitäts-Philosophie erklärt er:
Wenn „die Absicht das Uebergewicht über die Einsicht erhält", werden „aus
angeblichen Philosophen bloße Parasiten der Philosophie" (PP I, Hü 165). Laut
Schopenhauer ist alles in der Welt „voller Absicht und meistens niedriger,
gemeiner und schlechter Absicht: nur Ein Fleckchen soll [...] von dieser frei
bleiben und ganz allein der Einsicht offen stehn, und zwar der Einsicht in
die wichtigsten, Allen angelegensten Verhältnisse: - Das ist die Philosophie"
(PP I, Hü 203). Zum Kontrast zwischen Absicht und Einsicht vgl. auch WWV I,
Hü XVIII, XXVIII; PP I, Hü 189, 191, 202; PP II, Kap. 20, § 242, Hü 498. - Im
Unterschied zu Schopenhauer, der philosophische Erkenntnis prinzipiell als
interesse- und absichtslos versteht, sie also vom Bereich des Voluntativen ab-
grenzt, meint N. allerdings, die Ausrichtung auf „die letzten Einsichten"
beruhe zumindest auf einem „Rest des Absichtlichen" (479, 14-15).
479, 18-22 Tristan und Isolde, das eigentliche opus metaphysicum aller Kunst
[...] mit seiner unersättlichen süssesten Sehnsucht nach den Geheimnissen der
Nacht und des Todes] Indem N. die Oper Tristan und Isolde, die Wagner 1859
vollendete, als „opus metaphysicum aller Kunst" bezeichnet, synthetisiert er
Musik und Philosophie und schließt damit an Schopenhauers metaphysisch
grundierte Musikästhetik an. Vgl. dazu NK 479, 12-14. - N. spricht im 22. Kapi-
tel der Geburt der Tragödie von dem „metaphysischen Schwanengesang" Isol-
des (KSA 1, 141, 15-16) und interpretiert in diesem Zusammenhang ein wörtli-
ches Wagner-Zitat (KSA 1, 141, 17-24) nach den philosophischen Kategorien
Schopenhauers (KSA 1, 141, 25-33). Liebes- und Todesthematik, Willensmeta-
physik und Musik erscheinen in Wagners Tristan und Isolde synthetisiert. Zum
Handlungsverlauf dieser Oper, deren „erzromantische Nachtverherrlichung"
Thomas Mann betont (Bd. IX, 399), vgl. NK 438, 3-4.
N. besaß in seiner Bibliothek außer dem Vollständigen Klavierauszug (von
Cosima Wagners erstem Mann Hans von Bülow) auch die Vollständige Partitur
von Wagners Oper Tristan und Isolde (NPB 712), die er Peter Gast auf dem soge-
nannten Schmutztitel mit den folgenden Worten widmete: „Diese Partitur
wird fruchtbringender in Ihren Händen sein, mein lieber Freund Köselitz, als
in den meinen: sie sehnt sich gewiss längst nach einem würdigeren Besitzer
 
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