Stellenkommentar UB IV WB 9, KSA 1, S. 486-488 525
deutsche befähigt [...] zur Belebung des künstlerischen Ausdruckes verwandt
zu werden [...]" (GSD IV, 211).
487, 8-14 Leiblichkeit des Ausdruckes, verwegene Gedrängtheit, Gewalt und
rhythmische Vielartigkeit, ein merkwürdiger Reichthum an starken und bedeuten-
den Wörtern, Vereinfachung der Satzgliederung, eine fast einzige Erfindsamkeit
in der Sprache des wogenden Gefühls und der Ahnung, eine mitunter ganz rein
sprudelnde Volksthümlichkeit und Sprüchwörtlichkeit] In seinen theoretischen
Schriften betont Wagner immer wieder die „Leiblichkeit", die sinnliche Intensi-
tät des „Ausdrucks" und das wogende „Gefühl". Wiederholt postuliert er eine
sprachliche Gestaltung, die dieser Emotionalität entspricht.
487, 20 zwei Welten, so verschieden an Form, Farbe, Fügung] In seinen Opern
konzentriert sich Wagner auf existentielle Themen wie Liebe, Treue, Tod und
Entsagung. Während seine Oper Tristan und Isolde auf den durch eine Drei-
eckskonstellation bedingten inneren Konflikt der Protagonisten und auf dessen
musikalische Gestaltung fokussiert ist, hat seine Oper Die Meistersinger von
Nürnberg in Wagners CEuvre einen Sonderstatus, weil sie sich von den anderen
Opern durch die vitale Heiterkeit von Komposition und Libretto abhebt. Aus
einer wilden Prügelei resultiert hier eine der turbulentesten Chorszenen der
Operngeschichte.
487, 21-25 Diess ist das Mächtigste an der Wagnerischen Begabung, Etwas,
das - allein dem grossen Meister gelingen wird: für jedes Werk eine neue Sprache
auszuprägen und der neuen Innerlichkeit auch einen neuen Leib, einen neuen
Klang zu geben.] N. reproduziert in seiner Darstellung die Intention Wagners,
der eine entschieden „neue" Kunst aus einer genuinen „Innerlichkeit" beab-
sichtigt und sich in diesem Sinne geradezu als Reformator versteht. Von der
angeblichen ,Äußerlichkeit' der bisherigen Opernkompositionen, vor allem
von italienischen Opern, grenzt sich Wagner ab, indem er für sein eigenes
Werk eine besondere ,Innerlichkeit' beansprucht und dabei sowohl eine neue,
authentische Kunst als auch eine erneuerte Kultur intendiert. In seiner Fest-
schrift Beethoven analogisiert Wagner den Gegensatz von Innerlichkeit und Äu-
ßerlichkeit mit dem Kontrast zwischen „Musik" und „Civilisation": „neben die-
ser Welt der Mode ist uns eben gleichzeitig eine andere Welt erstanden. Wie
unter der römischen Universal-Civilisation das Christenthum hervortrat, so
bricht jetzt aus dem Chaos der modernen Civilisation die Musik hervor. Beide
sagen aus: ,unser Reich ist nicht von dieser Welt'. Das heißt eben: wir kommen
von innen, ihr von außen; wir entstammen dem Wesen, ihr dem Scheine der
Dinge" (GSD IX, 120).
488, 3-7 Vor Allem aber sollte Niemand, der über Wagner, den Dichter und
Sprachbildner, nachdenkt, vergessen, dass keines der Wagnerischen Dramen be-
deutsche befähigt [...] zur Belebung des künstlerischen Ausdruckes verwandt
zu werden [...]" (GSD IV, 211).
487, 8-14 Leiblichkeit des Ausdruckes, verwegene Gedrängtheit, Gewalt und
rhythmische Vielartigkeit, ein merkwürdiger Reichthum an starken und bedeuten-
den Wörtern, Vereinfachung der Satzgliederung, eine fast einzige Erfindsamkeit
in der Sprache des wogenden Gefühls und der Ahnung, eine mitunter ganz rein
sprudelnde Volksthümlichkeit und Sprüchwörtlichkeit] In seinen theoretischen
Schriften betont Wagner immer wieder die „Leiblichkeit", die sinnliche Intensi-
tät des „Ausdrucks" und das wogende „Gefühl". Wiederholt postuliert er eine
sprachliche Gestaltung, die dieser Emotionalität entspricht.
487, 20 zwei Welten, so verschieden an Form, Farbe, Fügung] In seinen Opern
konzentriert sich Wagner auf existentielle Themen wie Liebe, Treue, Tod und
Entsagung. Während seine Oper Tristan und Isolde auf den durch eine Drei-
eckskonstellation bedingten inneren Konflikt der Protagonisten und auf dessen
musikalische Gestaltung fokussiert ist, hat seine Oper Die Meistersinger von
Nürnberg in Wagners CEuvre einen Sonderstatus, weil sie sich von den anderen
Opern durch die vitale Heiterkeit von Komposition und Libretto abhebt. Aus
einer wilden Prügelei resultiert hier eine der turbulentesten Chorszenen der
Operngeschichte.
487, 21-25 Diess ist das Mächtigste an der Wagnerischen Begabung, Etwas,
das - allein dem grossen Meister gelingen wird: für jedes Werk eine neue Sprache
auszuprägen und der neuen Innerlichkeit auch einen neuen Leib, einen neuen
Klang zu geben.] N. reproduziert in seiner Darstellung die Intention Wagners,
der eine entschieden „neue" Kunst aus einer genuinen „Innerlichkeit" beab-
sichtigt und sich in diesem Sinne geradezu als Reformator versteht. Von der
angeblichen ,Äußerlichkeit' der bisherigen Opernkompositionen, vor allem
von italienischen Opern, grenzt sich Wagner ab, indem er für sein eigenes
Werk eine besondere ,Innerlichkeit' beansprucht und dabei sowohl eine neue,
authentische Kunst als auch eine erneuerte Kultur intendiert. In seiner Fest-
schrift Beethoven analogisiert Wagner den Gegensatz von Innerlichkeit und Äu-
ßerlichkeit mit dem Kontrast zwischen „Musik" und „Civilisation": „neben die-
ser Welt der Mode ist uns eben gleichzeitig eine andere Welt erstanden. Wie
unter der römischen Universal-Civilisation das Christenthum hervortrat, so
bricht jetzt aus dem Chaos der modernen Civilisation die Musik hervor. Beide
sagen aus: ,unser Reich ist nicht von dieser Welt'. Das heißt eben: wir kommen
von innen, ihr von außen; wir entstammen dem Wesen, ihr dem Scheine der
Dinge" (GSD IX, 120).
488, 3-7 Vor Allem aber sollte Niemand, der über Wagner, den Dichter und
Sprachbildner, nachdenkt, vergessen, dass keines der Wagnerischen Dramen be-