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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,4): Kommentar zu Nietzsches "Unzeitgemässen Betrachtungen": III. Schopenhauer als Erzieher, IV. Richard Wagner in Bayreuth — Berlin, Boston: de Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69928#0561
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534 Richard Wagner in Bayreuth

auf das N. im vorliegenden Kontext ebenfalls anspielt, vgl. NK 479, 12-14 und
NK 494, 2-5.
491, 9-14 Die Musik hatte vor Wagner im Ganzen enge Gränzen; sie bezog sich
auf [...] Das, was die Griechen Ethos nennen, und hatte mit Beethoven eben erst
begonnen, die Sprache des Pathos [...] zu finden.] N. bringt hier Ethos und Pa-
thos in eine Opposition und geht dabei vom griechischen Wortverständnis aus:
Während mit ,Ethos' die feste Haltung, der Charakter gemeint ist, bezeichnet
,Pathos' die emotionale Bewegung durch Leiden bzw. Leidenschaft. Indem
Wagner mit seinen Musikdramen der Leidenschaft zur Sprache verhilft,
schließt er laut N. an die „Erfindung der grossen Form der Leidenschaft" (492,
33-34) durch Beethoven an und entwickelt die von ihm kreierten musikali-
schen Ausdrucksformen weiter. In der Fortführung seines Gedankengangs
sieht N. gerade in der musikalischen Entfaltung des Pathos das Innovative an
Beethoven: „Beethoven zuerst liess die Musik eine neue Sprache, die bisher
verbotene Sprache der Leidenschaft, reden: weil aber seine Kunst aus den Ge-
setzen und Conventionen der Kunst des Ethos' herauswachsen und versuchen
musste, sich gleichsam vor jener zu rechtfertigen, so hatte sein künstlerisches
Werden eine eigenthümliche Schwierigkeit und Undeutlichkeit an sich. [...] Es
scheint mitunter so, als ob Beethoven sich die widerspruchsvolle Aufgabe ge-
stellt habe, das Pathos mit den Mitteln des Ethos' sich aussprechen zu lassen"
(492, 3-16). In UB IV WB finden sich zahlreiche Belege zur Thematik der Lei-
denschaft bei Wagner und zu seinem musikalischen Pathos (vgl. 492, 5; 492,
10; 492, 19; 492, 26; 492, 34; 493, 16; 493, 30; 493, 33) - auch in Relation zur
„Sprache der Leidenschaft" bei Beethoven. Der Musik Wagners attestiert N.
„eine streng individualisirte Leidenschaft" (493, 30). In einem nachgelassenen
Notat von 1888 bezeichnet er „das Wagnersche Pathos" dann allerdings mit
pejorativem Akzent als „centnerschwer" (NL 1888, 16 [37], KSA 13, 496), um
sich anschließend mit deutlicher Skepsis zu fragen: „Ob man mit einem sol-
chen Pathos ein ,Genie' ist?" (NL 1888, 16 [37], KSA 13, 497).
Aufgrund seiner Affinitäten zu Beethoven publizierte Wagner zu dessen
100. Geburtstag im Jahre 1870 eine Jubiläums-Festschrift über ihn. Auf sie be-
zieht sich N. explizit in dem „Vorwort an Richard Wagner", das er der Geburt
der Tragödie voranstellte (KSA 1, 23-24). Auch in seiner Festrede Das Bühnen-
festspielhaus zu Bayreuth nahm Wagner auf Beethoven Bezug: „Ich vertraue
hierfür vor Allem auf den Geist der deutschen Musik, weil ich weiß, wie wil-
lig und hell er in unseren Musikern aufleuchtet, sobald der deutsche Meister
ihnen denselben wach ruft [...]. Ich vertraue auf unsere Künstler [...] wenn die-
se, in selbstvergessener Freude an dem Kunstwerke, unseres großen Beetho-
ven's Wunder-Symphonie Ihnen heute als Festgruß zutönen" (GSD IX, 327). Im
Mittelpunkt von Wagners Beethoven-Festschrift steht die Neunte Symphonie
 
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