538 Richard Wagner in Bayreuth
solemnis (1818-23) sowie eine Reihe von Klaviersonaten und Streichquartetten.
Vgl. auch NK 492, 3-9. - Richard Wagners Vorbehalte gegenüber dem Stil von
Beethovens späten Klaviersonaten und Streichquartetten kommen in seiner
Schrift Oper und Drama zum Ausdruck (GSD III, 278-279). Allerdings hatte ge-
rade Beethovens Neunte Symphonie (op. 125), die letzte von Beethoven vollen-
dete Symphonie, für Wagner besondere Bedeutung und im Anschluss an ihn
auch für N. selbst. Wagner rühmt in seiner 1870 erschienenen Festschrift zu
Beethovens 100. Geburtstag gerade die Neunte Symphonie, hebt an ihr -
wie an Beethoven überhaupt - das „Erhabene" hervor und erhofft sich von
Beethovens Musik Impulse zugunsten einer „neuen, seelenvolleren Zivilisati-
on" (GSD IX, 123). Laut Wagner reicht der „Fortschritt, welchen die Musik
durch Beethoven gethan hat", „über das Gebiet des ästhetisch Schönen in die
Sphäre des durchaus Erhabenen" (GSD IX, 102). - N. nimmt bereits in seinem
Erstlingswerk Die Geburt der Tragödie emphatisch auf Wagners „herrliche Fest-
schrift über Beethoven" Bezug (KSA 1, 23, 19). In UB I DS setzt sich N. mit der
despektierlichen Perspektive auf Beethovens Neunte Symphonie kritisch ausei-
nander, die David Friedrich Strauß in seiner Schrift Der alte und der neue Glau-
be entfaltet. Laut Strauß soll Beethovens „neunte Symphonie [...] nur bei denen
beliebt sein, welchen ,das Barocke als das Geniale, das Formlose als das Erha-
bene gilt' (p. 359)" (KSA 1, 185, 31-33). N. selbst weist diese Einschätzung zu-
rück und imaginiert dann sogar, dass sich Strauß zu einem Autodafe entschlos-
sen hätte, falls ihm „durch einen Zufall die Eroica, die Pastorale und die
Neunte" (KSA 1, 186, 34) in die Hände geraten wären, um „durch Beseitigung
so ,problematischer Produkte' das Bild des Meisters rein zu halten - wer zwei-
felt, dass er sie verbrannt hätte?" (KSA 1, 187, 2-4). Vgl. auch NK 185, 31-33.
Im Hinblick auf die musikästhetischen Implikationen ist eine zeitgenössi-
sche Kontroverse zwischen Richard Wagner und David Friedrich Strauß rele-
vant, die bereits im Jahre 1868 stattgefunden hatte: In einem kulturpolitischen
Konflikt zwischen Richard Wagner und dem Münchener Hofkapellmeister
Franz Lachner, der gemäß der klassischen Tradition der Schubert-Nachfolge
auch selbst komponierte, hatte sich Strauß auf die Seite Lachners geschlagen
(vgl. Curt Paul Janz 1997, 171-181). Rivalitäten zwischen Lachner und Wagner
erschienen naheliegend, weil Wagner als Zerstörer tradierter Kompositionswei-
sen zugunsten seiner ,Zukunftsmusik' galt und dadurch zum Antipoden Lach-
ners wurde. David Friedrich Strauß verfasste in Sonettform zwei Elogen auf
Lachner, die zugleich ironische Spitzen gegen Wagner enthielten. Darauf re-
agierte Wagner seinerseits mit drei Sonetten, die polemisch gegen Strauß
gerichtet waren. (Zwei Gedichte aus dieser Sonetten-Kontroverse von Strauß
und Wagner sind im Kapitel I.1 des Überblickskommentars zu UB I DS abge-
druckt.) Als Wagner seinen Freund N. in der zweiten Aprilwoche 1873 kritisch
solemnis (1818-23) sowie eine Reihe von Klaviersonaten und Streichquartetten.
Vgl. auch NK 492, 3-9. - Richard Wagners Vorbehalte gegenüber dem Stil von
Beethovens späten Klaviersonaten und Streichquartetten kommen in seiner
Schrift Oper und Drama zum Ausdruck (GSD III, 278-279). Allerdings hatte ge-
rade Beethovens Neunte Symphonie (op. 125), die letzte von Beethoven vollen-
dete Symphonie, für Wagner besondere Bedeutung und im Anschluss an ihn
auch für N. selbst. Wagner rühmt in seiner 1870 erschienenen Festschrift zu
Beethovens 100. Geburtstag gerade die Neunte Symphonie, hebt an ihr -
wie an Beethoven überhaupt - das „Erhabene" hervor und erhofft sich von
Beethovens Musik Impulse zugunsten einer „neuen, seelenvolleren Zivilisati-
on" (GSD IX, 123). Laut Wagner reicht der „Fortschritt, welchen die Musik
durch Beethoven gethan hat", „über das Gebiet des ästhetisch Schönen in die
Sphäre des durchaus Erhabenen" (GSD IX, 102). - N. nimmt bereits in seinem
Erstlingswerk Die Geburt der Tragödie emphatisch auf Wagners „herrliche Fest-
schrift über Beethoven" Bezug (KSA 1, 23, 19). In UB I DS setzt sich N. mit der
despektierlichen Perspektive auf Beethovens Neunte Symphonie kritisch ausei-
nander, die David Friedrich Strauß in seiner Schrift Der alte und der neue Glau-
be entfaltet. Laut Strauß soll Beethovens „neunte Symphonie [...] nur bei denen
beliebt sein, welchen ,das Barocke als das Geniale, das Formlose als das Erha-
bene gilt' (p. 359)" (KSA 1, 185, 31-33). N. selbst weist diese Einschätzung zu-
rück und imaginiert dann sogar, dass sich Strauß zu einem Autodafe entschlos-
sen hätte, falls ihm „durch einen Zufall die Eroica, die Pastorale und die
Neunte" (KSA 1, 186, 34) in die Hände geraten wären, um „durch Beseitigung
so ,problematischer Produkte' das Bild des Meisters rein zu halten - wer zwei-
felt, dass er sie verbrannt hätte?" (KSA 1, 187, 2-4). Vgl. auch NK 185, 31-33.
Im Hinblick auf die musikästhetischen Implikationen ist eine zeitgenössi-
sche Kontroverse zwischen Richard Wagner und David Friedrich Strauß rele-
vant, die bereits im Jahre 1868 stattgefunden hatte: In einem kulturpolitischen
Konflikt zwischen Richard Wagner und dem Münchener Hofkapellmeister
Franz Lachner, der gemäß der klassischen Tradition der Schubert-Nachfolge
auch selbst komponierte, hatte sich Strauß auf die Seite Lachners geschlagen
(vgl. Curt Paul Janz 1997, 171-181). Rivalitäten zwischen Lachner und Wagner
erschienen naheliegend, weil Wagner als Zerstörer tradierter Kompositionswei-
sen zugunsten seiner ,Zukunftsmusik' galt und dadurch zum Antipoden Lach-
ners wurde. David Friedrich Strauß verfasste in Sonettform zwei Elogen auf
Lachner, die zugleich ironische Spitzen gegen Wagner enthielten. Darauf re-
agierte Wagner seinerseits mit drei Sonetten, die polemisch gegen Strauß
gerichtet waren. (Zwei Gedichte aus dieser Sonetten-Kontroverse von Strauß
und Wagner sind im Kapitel I.1 des Überblickskommentars zu UB I DS abge-
druckt.) Als Wagner seinen Freund N. in der zweiten Aprilwoche 1873 kritisch