544 Richard Wagner in Bayreuth
Berges, auf dem ihre Stadt gebaut war, um ihn hinabzustürzen. Aber er schritt
mitten durch sie hindurch und ging fort".
497, 3-4 vor den Richterstuhl seiner Kunst] Die Vorstellung von Richter und
Gericht ist charakteristisch für N.s Frühwerk. Mitunter verkörpert sie in deutli-
cher Anspielung auf das Jüngste Gericht einen absoluten und eschatologisch
perspektivierten Anspruch, etwa wenn N. in der Geburt der Tragödie konsta-
tiert: „alles, was wir jetzt Cultur, Bildung, Civilisation nennen, wird einmal vor
dem untrüglichen Richter Dionysus erscheinen müssen" (KSA 1, 128, 5-7). In
UB III SE behauptet N., Schopenhauer habe „eine furchtbare überweltliche
Scene des Gerichts" gesehen, „in der alles Leben, auch das höchste und vollen-
dete, gewogen und zu leicht befunden wurde: er hatte den Heiligen als Richter
des Daseins gesehn" (KSA 1, 410, 22-25). Im Hinblick auf die Universitäten
wünscht sich N. zu deren Überwachung und Beurteilung „ein höheres Tribu-
nal" (KSA 1, 425, 8). Auch in UB IV WB finden sich über die vorliegende Text-
stelle hinaus noch weitere Belege für die Gerichtsmetaphorik. So imaginiert N.
„das kommende Gerichtsverfahren, mit dem unsere Zeit heimgesucht wird"
(463, 8-9). Und kurz zuvor erklärt er: „wir wollen die Untersuchung darüber
den künftigen Richtern zuschieben, welche die modernen Menschen einmal
durch ihr Sieb raiten werden" (462, 21-23). Vgl. auch die Belege in NK 462, 21-
23 (mit Hinweisen zur Richter- und Gerichtsthematik im Zusammenhang mit
der ,kritischen Historie' in UB II HL).
497, 8-12 Manche, welche durchaus Etwas bedeuten wollen, [...] bannen sich
mit ängstlicher Beflissenheit in den Kreis der älteren Meister und wollen lieber
ihre „Selbstständigkeit" an Schubert oder Händel anlehnen, als an Wagner.] Im
Hinblick auf die von Wagner repräsentierte Musik-Konzeption waren die Lager
der Musiker und Musikkritiker gespalten. Ästhetische Gegenpositionen vertrat
die Gruppe um Johannes Brahms (1833-1897). Bereits 1860 standen die beiden
Vertreter einer ,Neudeutschen Musik', nämlich Liszt und Wagner, den Traditio-
nalisten, die den Wert einer ,absoluten' Musik ohne szenische Ausgestaltung
propagierten, als Kontrahenten gegenüber. Die Traditionalisten hielten eine
Rückkehr zur Liedmelodie Schubertscher Provenienz für erstrebenswert. Wäh-
rend die Gruppe um Wagner mit dem Postulat der ,Zukunftsmusik' die Ent-
wicklung der symphonischen Dichtung und des Musikdramas in ihrem Sinne
voranzutreiben versuchte, sprach sich die Gruppe um Brahms, der sein eigenes
kompositorisches Schaffen auch vor dem Hintergrund des CEuvres von Händel
und Bach sah, mit der Unterstützung von Eduard Hanslick für eine an der
alteuropäischen Tradition orientierte rein instrumentale Musik aus. Der im
19. Jahrhundert berühmte Musik-Kritiker und Musik-Theoretiker Hanslick hielt
Robert Schumann und Johannes Brahms für die legitimen Nachfolger der Wie-
Berges, auf dem ihre Stadt gebaut war, um ihn hinabzustürzen. Aber er schritt
mitten durch sie hindurch und ging fort".
497, 3-4 vor den Richterstuhl seiner Kunst] Die Vorstellung von Richter und
Gericht ist charakteristisch für N.s Frühwerk. Mitunter verkörpert sie in deutli-
cher Anspielung auf das Jüngste Gericht einen absoluten und eschatologisch
perspektivierten Anspruch, etwa wenn N. in der Geburt der Tragödie konsta-
tiert: „alles, was wir jetzt Cultur, Bildung, Civilisation nennen, wird einmal vor
dem untrüglichen Richter Dionysus erscheinen müssen" (KSA 1, 128, 5-7). In
UB III SE behauptet N., Schopenhauer habe „eine furchtbare überweltliche
Scene des Gerichts" gesehen, „in der alles Leben, auch das höchste und vollen-
dete, gewogen und zu leicht befunden wurde: er hatte den Heiligen als Richter
des Daseins gesehn" (KSA 1, 410, 22-25). Im Hinblick auf die Universitäten
wünscht sich N. zu deren Überwachung und Beurteilung „ein höheres Tribu-
nal" (KSA 1, 425, 8). Auch in UB IV WB finden sich über die vorliegende Text-
stelle hinaus noch weitere Belege für die Gerichtsmetaphorik. So imaginiert N.
„das kommende Gerichtsverfahren, mit dem unsere Zeit heimgesucht wird"
(463, 8-9). Und kurz zuvor erklärt er: „wir wollen die Untersuchung darüber
den künftigen Richtern zuschieben, welche die modernen Menschen einmal
durch ihr Sieb raiten werden" (462, 21-23). Vgl. auch die Belege in NK 462, 21-
23 (mit Hinweisen zur Richter- und Gerichtsthematik im Zusammenhang mit
der ,kritischen Historie' in UB II HL).
497, 8-12 Manche, welche durchaus Etwas bedeuten wollen, [...] bannen sich
mit ängstlicher Beflissenheit in den Kreis der älteren Meister und wollen lieber
ihre „Selbstständigkeit" an Schubert oder Händel anlehnen, als an Wagner.] Im
Hinblick auf die von Wagner repräsentierte Musik-Konzeption waren die Lager
der Musiker und Musikkritiker gespalten. Ästhetische Gegenpositionen vertrat
die Gruppe um Johannes Brahms (1833-1897). Bereits 1860 standen die beiden
Vertreter einer ,Neudeutschen Musik', nämlich Liszt und Wagner, den Traditio-
nalisten, die den Wert einer ,absoluten' Musik ohne szenische Ausgestaltung
propagierten, als Kontrahenten gegenüber. Die Traditionalisten hielten eine
Rückkehr zur Liedmelodie Schubertscher Provenienz für erstrebenswert. Wäh-
rend die Gruppe um Wagner mit dem Postulat der ,Zukunftsmusik' die Ent-
wicklung der symphonischen Dichtung und des Musikdramas in ihrem Sinne
voranzutreiben versuchte, sprach sich die Gruppe um Brahms, der sein eigenes
kompositorisches Schaffen auch vor dem Hintergrund des CEuvres von Händel
und Bach sah, mit der Unterstützung von Eduard Hanslick für eine an der
alteuropäischen Tradition orientierte rein instrumentale Musik aus. Der im
19. Jahrhundert berühmte Musik-Kritiker und Musik-Theoretiker Hanslick hielt
Robert Schumann und Johannes Brahms für die legitimen Nachfolger der Wie-