Stellenkommentar UB IV WB 10, KSA 1, S. 497 545
ner Klassik, die er als den Höhepunkt der Musikgeschichte betrachtete. Auf die
musikalischen Neuerungen Richard Wagners hingegen reagierte Hanslick mit
Skepsis oder sogar mit Polemik, nachdem er sich zunächst positiv über ihn
geäußert hatte (vgl. dazu die Details in NK 433, 8-11). Wagner konzipierte die
Figur des Sixtus Beckmesser in seiner Oper Die Meistersinger von Nürnberg als
Hanslick-Parodie.
In seinem Buch Vom Musikalisch-Schönen. Ein Beitrag zur Revision der Äs-
thetik der Tonkunst (1854, 3. Aufl. 1865), das sich in N.s persönlicher Bibliothek
befand (NPB 275), differenziert Eduard Hanslick zwischen Form und Inhalt der
Musik. Bereits in einer Kapitelüberschrift grenzt er das „ästhetische Aufnehmen
der Musik gegenüber dem pathologischen" ab. Hanslick geht davon aus, dass
durch Melodie, Harmonie und Rhythmus „Musikalische Ideen" zum Ausdruck
gebracht werden, und er konstatiert: „In welcher Weise uns die Musik schöne
Formen ohne den Inhalt eines bestimmten Affectes bringen kann, zeigt uns
recht treffend ein Zweig der Ornamentik in der bildenden Kunst: die Arabeske",
die „in sinnigem Wechsel von Ruhe und Anspannung" das Auge immer wieder
überrasche (Hanslick 2010, 52-53). Analog charakterisiert Hanslick die Musik:
„Denken wir uns vollends diese lebendige Arabeske als thätige Ausströmung
eines künstlerischen Geistes, der die ganze Fülle seiner Phantasie unablässig
in die Adern dieser Bewegung ergießt, wird dieser Eindruck dem musikalischen
nicht sehr nahekommend sein?" (ebd., 53). - Die genuin ästhetische Wirkung
der Musik kontrastiert Hanslick mit der bloß pathologischen, welche die Hörer
erfahren, die nur „das Elementarische der Musik in passiver Empfänglichkeit
auf sich wirken lassen" (ebd., 88). Dezidiert erklärt er: „Ein Erleiden unmotivir-
ter ziel- und stoffloser Affecte durch eine Macht, die in keinem Rapport zu un-
serm Wollen und Denken steht, ist des Menschengeistes unwürdig" (ebd., 91).
Der musikalische Wirkungsanspruch Wagners, der auf die Evokation größ-
ter emotionaler Intensität bei seinem Publikum zielt, steht der von Hanslick
propagierten Auffassung diametral gegenüber. In UB IV WB betont N. die „Lei-
denschaft" der Musik Wagners (488, 18), die „Sprache des Pathos" (491, 12)
und das Potential einer musikalischen „Gefühlsrede" (489, 22), die auch „den
Zuhörer zum leidenschaftlichen Miterleben" motiviert (489, 27-28). - Vor allem
im Hinblick auf Hanslick polemisiert N. in UB IV WB und UB III SE gegen einen
Kult der „schönen Form", etwa wenn er in UB IV WB dem „gefälligen An-
schein" der äußerlich bleibenden „Form" den ,wahren' Begriff von „Form" als
einer „nothwendigen Gestaltung" gegenüberstellt (457, 15-21). Auch in
UB III SE gilt N.s Kritik der äußerlich „schönen Form", die bloß dazu dienen
soll, einen hässlichen oder trivialen Inhalt zu kaschieren (KSA 1, 389, 23-24;
392, 3-17). Bereits im 6. Kapitel der Geburt der Tragödie (KSA 1, 50, 1-9) wendet
er sich gegen Hanslicks „Aesthetik" der Musik. Und in mehreren Nachlass-
ner Klassik, die er als den Höhepunkt der Musikgeschichte betrachtete. Auf die
musikalischen Neuerungen Richard Wagners hingegen reagierte Hanslick mit
Skepsis oder sogar mit Polemik, nachdem er sich zunächst positiv über ihn
geäußert hatte (vgl. dazu die Details in NK 433, 8-11). Wagner konzipierte die
Figur des Sixtus Beckmesser in seiner Oper Die Meistersinger von Nürnberg als
Hanslick-Parodie.
In seinem Buch Vom Musikalisch-Schönen. Ein Beitrag zur Revision der Äs-
thetik der Tonkunst (1854, 3. Aufl. 1865), das sich in N.s persönlicher Bibliothek
befand (NPB 275), differenziert Eduard Hanslick zwischen Form und Inhalt der
Musik. Bereits in einer Kapitelüberschrift grenzt er das „ästhetische Aufnehmen
der Musik gegenüber dem pathologischen" ab. Hanslick geht davon aus, dass
durch Melodie, Harmonie und Rhythmus „Musikalische Ideen" zum Ausdruck
gebracht werden, und er konstatiert: „In welcher Weise uns die Musik schöne
Formen ohne den Inhalt eines bestimmten Affectes bringen kann, zeigt uns
recht treffend ein Zweig der Ornamentik in der bildenden Kunst: die Arabeske",
die „in sinnigem Wechsel von Ruhe und Anspannung" das Auge immer wieder
überrasche (Hanslick 2010, 52-53). Analog charakterisiert Hanslick die Musik:
„Denken wir uns vollends diese lebendige Arabeske als thätige Ausströmung
eines künstlerischen Geistes, der die ganze Fülle seiner Phantasie unablässig
in die Adern dieser Bewegung ergießt, wird dieser Eindruck dem musikalischen
nicht sehr nahekommend sein?" (ebd., 53). - Die genuin ästhetische Wirkung
der Musik kontrastiert Hanslick mit der bloß pathologischen, welche die Hörer
erfahren, die nur „das Elementarische der Musik in passiver Empfänglichkeit
auf sich wirken lassen" (ebd., 88). Dezidiert erklärt er: „Ein Erleiden unmotivir-
ter ziel- und stoffloser Affecte durch eine Macht, die in keinem Rapport zu un-
serm Wollen und Denken steht, ist des Menschengeistes unwürdig" (ebd., 91).
Der musikalische Wirkungsanspruch Wagners, der auf die Evokation größ-
ter emotionaler Intensität bei seinem Publikum zielt, steht der von Hanslick
propagierten Auffassung diametral gegenüber. In UB IV WB betont N. die „Lei-
denschaft" der Musik Wagners (488, 18), die „Sprache des Pathos" (491, 12)
und das Potential einer musikalischen „Gefühlsrede" (489, 22), die auch „den
Zuhörer zum leidenschaftlichen Miterleben" motiviert (489, 27-28). - Vor allem
im Hinblick auf Hanslick polemisiert N. in UB IV WB und UB III SE gegen einen
Kult der „schönen Form", etwa wenn er in UB IV WB dem „gefälligen An-
schein" der äußerlich bleibenden „Form" den ,wahren' Begriff von „Form" als
einer „nothwendigen Gestaltung" gegenüberstellt (457, 15-21). Auch in
UB III SE gilt N.s Kritik der äußerlich „schönen Form", die bloß dazu dienen
soll, einen hässlichen oder trivialen Inhalt zu kaschieren (KSA 1, 389, 23-24;
392, 3-17). Bereits im 6. Kapitel der Geburt der Tragödie (KSA 1, 50, 1-9) wendet
er sich gegen Hanslicks „Aesthetik" der Musik. Und in mehreren Nachlass-