Stellenkommentar UB IV WB 10, KSA 1, S. 498-499 547
legend für eine besser urtheilende Nachwelt, Dies wird ihm dann zum Zweck,
der allen andern Zwecken vorgeht und für den er die Dornenkrone trägt, wel-
che einst zum Lorbeerkranze ausschlagen soll. Auf die Vollendung und Sicher-
stellung seines Werkes koncentrirt sein Streben sich eben so entschieden, wie
das des Insekts, in seiner letzten Gestalt, auf die Sicherstellung seiner Eier und
Vorsorge für die Brut, deren Daseyn es nie erlebt: es deponirt die Eier da, wo
sie, wie es sicher weiß, einst Leben und Nahrung finden werden, und stirbt
getrost" (PP II, Kap. 3, § 60, Hü 92).
Die zukunftsweisenden Wirkungsabsichten des Genies betont Schopen-
hauer in seinen Parerga und Paralipomena II auch an anderer Stelle: Hier kon-
statiert er, das Genie sei nicht durch das „eigene Ergötzen" motiviert, sondern
durch einen „Instinkt ganz eigener Art, vermöge dessen das geniale Individu-
um getrieben wird, sein Schauen und Fühlen in dauernden Werken auszudrü-
cken, [...] als ob in einem solchen Individuum der Wille zum Leben, als Geist
der Menschengattung, sich bewußt würde, hier eine größere Klarheit des Intel-
lekts, durch einen seltenen Zufall, auf eine kurze Spanne Zeit, erlangt zu haben
und nun wenigstens die Resultate, oder Produkte, jenes klaren Schauens und
Denkens, für die ganze Gattung, die ja auch dieses Individuums eigenstes
Wesen ist, zu erwerben trachtete, damit das Licht, welches davon ausgeht,
nachmals wohlthätig einbrechen möge in die Dunkelheit und Dumpfheit des
gewöhnlichen Menschenbewußtseyns. Hieraus also entsteht jener Instinkt,
welcher das Genie treibt, ohne Rücksicht auf Belohnung, Beifall, oder Theil-
nahme, [...] emsig und einsam, mit größter Anstrengung seine Werke zu vollen-
den, dabei mehr an die Nachwelt, als an die Mitwelt, durch welche es nur irre
geleitet werden würde, zu denken [...]" (PP II, Kap. 3, § 60, Hü 91).
In Abgrenzung von den bloßen Büchergelehrten betrachtet Schopenhauer
„die Denker, die Genies", die „unmittelbar im Buche der Welt gelesen haben",
mit einer expressiven Lichtmetapher sogar als „die Welterleuchter und Förde-
rer des Menschengeschlechts" (PP II, Kap. 22, § 258, Hü 522). Ein wichtiges Cha-
rakteristikum der Werke des „Genius" sieht Schopenhauer darin, dass sie
„unergründlich und unerschöpflich" sind und dadurch „von tiefer und durch-
greifender Wirkung auf das gesammte Menschengeschlecht" sein können, und
zwar „so sehr, daß nicht zu berechnen ist, zu wie fernen Jahrhunderten und
Ländern" ihr Einfluss reicht (WWV I, Anhang: Kritik der Kantischen Philoso-
phie, Hü 491).
499, 21 Schüler, welche Wagner sich erzog] Zu den wichtigsten Schülern Ri-
chard Wagners gehörte der in seiner Zeit bekannte Pianist, Dirigent und Kapell-
meister Hans von Bülow (1830-1894), der auch eigene Klavier- und Orchester-
werke komponierte. Nachdem Hans von Bülow im Jahre 1842 eine Aufführung
der Oper Rienzi erlebt hatte, wurde er zu einem enthusiastischen Verehrer
legend für eine besser urtheilende Nachwelt, Dies wird ihm dann zum Zweck,
der allen andern Zwecken vorgeht und für den er die Dornenkrone trägt, wel-
che einst zum Lorbeerkranze ausschlagen soll. Auf die Vollendung und Sicher-
stellung seines Werkes koncentrirt sein Streben sich eben so entschieden, wie
das des Insekts, in seiner letzten Gestalt, auf die Sicherstellung seiner Eier und
Vorsorge für die Brut, deren Daseyn es nie erlebt: es deponirt die Eier da, wo
sie, wie es sicher weiß, einst Leben und Nahrung finden werden, und stirbt
getrost" (PP II, Kap. 3, § 60, Hü 92).
Die zukunftsweisenden Wirkungsabsichten des Genies betont Schopen-
hauer in seinen Parerga und Paralipomena II auch an anderer Stelle: Hier kon-
statiert er, das Genie sei nicht durch das „eigene Ergötzen" motiviert, sondern
durch einen „Instinkt ganz eigener Art, vermöge dessen das geniale Individu-
um getrieben wird, sein Schauen und Fühlen in dauernden Werken auszudrü-
cken, [...] als ob in einem solchen Individuum der Wille zum Leben, als Geist
der Menschengattung, sich bewußt würde, hier eine größere Klarheit des Intel-
lekts, durch einen seltenen Zufall, auf eine kurze Spanne Zeit, erlangt zu haben
und nun wenigstens die Resultate, oder Produkte, jenes klaren Schauens und
Denkens, für die ganze Gattung, die ja auch dieses Individuums eigenstes
Wesen ist, zu erwerben trachtete, damit das Licht, welches davon ausgeht,
nachmals wohlthätig einbrechen möge in die Dunkelheit und Dumpfheit des
gewöhnlichen Menschenbewußtseyns. Hieraus also entsteht jener Instinkt,
welcher das Genie treibt, ohne Rücksicht auf Belohnung, Beifall, oder Theil-
nahme, [...] emsig und einsam, mit größter Anstrengung seine Werke zu vollen-
den, dabei mehr an die Nachwelt, als an die Mitwelt, durch welche es nur irre
geleitet werden würde, zu denken [...]" (PP II, Kap. 3, § 60, Hü 91).
In Abgrenzung von den bloßen Büchergelehrten betrachtet Schopenhauer
„die Denker, die Genies", die „unmittelbar im Buche der Welt gelesen haben",
mit einer expressiven Lichtmetapher sogar als „die Welterleuchter und Förde-
rer des Menschengeschlechts" (PP II, Kap. 22, § 258, Hü 522). Ein wichtiges Cha-
rakteristikum der Werke des „Genius" sieht Schopenhauer darin, dass sie
„unergründlich und unerschöpflich" sind und dadurch „von tiefer und durch-
greifender Wirkung auf das gesammte Menschengeschlecht" sein können, und
zwar „so sehr, daß nicht zu berechnen ist, zu wie fernen Jahrhunderten und
Ländern" ihr Einfluss reicht (WWV I, Anhang: Kritik der Kantischen Philoso-
phie, Hü 491).
499, 21 Schüler, welche Wagner sich erzog] Zu den wichtigsten Schülern Ri-
chard Wagners gehörte der in seiner Zeit bekannte Pianist, Dirigent und Kapell-
meister Hans von Bülow (1830-1894), der auch eigene Klavier- und Orchester-
werke komponierte. Nachdem Hans von Bülow im Jahre 1842 eine Aufführung
der Oper Rienzi erlebt hatte, wurde er zu einem enthusiastischen Verehrer