Metadaten

Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,4): Kommentar zu Nietzsches "Unzeitgemässen Betrachtungen": III. Schopenhauer als Erzieher, IV. Richard Wagner in Bayreuth — Berlin, Boston: de Gruyter, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69928#0579
Lizenz: In Copyright
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
552 Richard Wagner in Bayreuth

derweise bekennt N. am 19. Juni 1870 in einem Brief an Cosima von Bülow
mit Bezug auf einen Besuch in Tribschen enthusiastisch seine „religiöse
Stimmung" (KSB 3, Nr. 81, S. 125). Obwohl N. während der Konzeption von
UB IV WB in nachgelassenen Notaten bereits kritische Reflexionen über Ri-
chard Wagner anstellt (vgl. dazu die Belege in Kapitel IV.3), signalisiert die
obige Aussage eine sehr ausgeprägte Tendenz zur Idealisierung Wagners.
Entsprechendes gilt für N.s Äußerungen über Wagner in Briefen, die er seit
seiner ersten persönlichen Begegnung mit ihm (am 8. November 1868) an ver-
schiedene Adressaten richtete. Mitunter steigert sich der Wagner-Kult dort bis
zur Apotheose, etwa wenn N. den Komponisten am 15. August 1869 in einem
Brief an Erwin Rohde sogar als seinen „Juppiter" [sic!] apostrophiert (KSB 3,
Nr. 22, S. 42) und am 4. August 1869 gegenüber Carl von Gersdorff die „unbe-
dingte Idealität" Wagners rühmt, so dass er selbst sich „in seiner Nähe wie
in der Nähe des Göttlichen fühle" (KSB 3, Nr. 19, S. 36). In einem Brief an Paul
Deussen betrachtet N. Wagner am 25. August 1869 mit doppeltem Superlativ
als den „größten Genius und größten Menschen dieser Zeit" (KSB 3,
Nr. 24, S. 46). Drei Wochen zuvor glaubte er geradezu „vor einem Auserwählten
der Jahrhunderte zu stehen" (KSB 3, Nr. 20, S. 37), an dem er schon am 16. Juni
1869 die unvergleichliche „Singularität" bewunderte (KSB 3, Nr. 8, S. 17). In
einem Nachlass-Notat von 1880 jedoch diagnostiziert N. den Irrationalismus
seiner früheren Wagner-Verehrung selbstkritisch als „sacrificium intellectus
propter amorem!" (NL 1880, 5 [14], KSA 9, 184). Vgl. auch NK 505, 8-9.
501, 33 „Beethoven"] In der Einleitung der Festschrift Beethoven (GSD IX, 61-
126) zum 100. Geburtstag des Komponisten im Jahre 1870 erklärt Wagner: „Der
Verfasser der vorliegenden Arbeit fühlte sich gedrungen, auch seinerseits zur
Feier des hundertjährigen Geburtstages unseres großen Beethoven beizutra-
gen, und wählte, da ihm hierzu keine andere, dieser Feier ihm würdig dünken-
de Veranlassung geboten war, eine schriftliche Ausführung seiner Gedanken
über die Bedeutung der Beethoven'sehen Musik, wie sie ihm aufgegangen"
(GSD IX, 61). In UB IV WB wird Ludwig van Beethoven wiederholt erwähnt.
Vgl. auch NK 491, 9-14; 492, 3-9 und 492, 17.
501, 33-34 „über das Dirigiren"] Eine musiktheoretische Schrift mit diesem
Titel hat Richard Wagner im Jahre 1869 veröffentlicht (vgl. GSD VIII, 261-337).
Wenn N. in den Unzeitgemässen Betrachtungen wiederholt die genuine ,Bil-
dung' mit bloßer ,Gebildetheit' kontrastiert, dann folgt er damit Einschätzun-
gen, die bereits Wagner in dieser Schrift exponiert (vgl. GSD VIII, 313-315). Vgl.
dazu die Belege in NK 450, 8-13.
501, 34 „über Schauspieler und Sänger"] Hier bezieht sich N. auf eine musik-
theoretische Schrift aus dem Jahre 1872 (GSD IX, 157-230), in der Richard Wag-
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften